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bieten ihre Darstellungen im Laufe der Zeit auch einen Einblick in die sich wandelnden Ansichten über die Rolle der Frauen und das Gewicht der Religion in den verschiedenen Gemeinschaften. Die Königin von Saba erscheint hauptsächlich in äthiopischen Gemälden und Kunstwerken,51 außerdem findet man sie im 1. Buch der Könige 10, 1–13 und im 2. Buch der Chronik 9, 1–12 der hebräischen Bibel und in Sure 27, 23–44 des Koran.52 In der hebräischen Bibel wird sie als wohlhabende Monarchin dargestellt, die von König Salomons Ruf und Reichtum erfuhr und beschloss, seine Weisheit auf die Probe zu stellen. Im Koran ist es Salomon, der einen Bericht über die Königin von Saba bekam und drohte, in ihr Land einzumarschieren, wenn sie und ihre Untertanen nicht aufhörten, ihre mannigfachen Gottheiten anzubeten. In beiden Geschichten geht es um ihren Übertritt zu einer monotheistischen Religion und ihre Unterwerfung unter Gottes Willen. Im Neuen Testament ist ihr Name geändert zur »Königin des Südens« (Lukas 11, 31 und Matthäus 12, 42). Weitere Transformationen der Geschichte finden sich in der aramäischen Version des Buches Ester (Targum Sheni, ca. 500–1000), in dem Salomon einen Wiedehopf zur Königin schickt, der sie auffordert, zu seinem Palast zu reisen. Die Begegnung erhält eine neue Wendung, als Saba beim Überqueren eines Glasfußbodens, den sie für ein Wasserbecken hält, ihre Kleidung rafft und dabei ihre behaarten Beine zeigt. Von jenem Augenblick an wurde Saba mit Dämonen assoziiert, da Körperbehaarung typischerweise Männern oder Teufelswesen zugeschrieben wurde. In diesem Fall ist es auch ein Hinweis darauf, dass fremde Frauen, die andere Gottheiten anbeteten, eine Gefahr für Familienstrukturen und die Gesellschaftsordnung darstellten, da es der Frau oblag, sich um die Erziehung der Kinder und das Wohlergehen der Familie zu kümmern.

      Die Darstellungen der Königin von Saba in der europäischen Kunst zeigen auch interessante Interpretationen von Anderssein. Vielen mittelalterlichen Auslegungen des Hohelieds 1, 5 zufolge war es die Königin von Saba, die Salomon gegenüber erklärte: »Ich bin Schwarz und schön.«53 In einer Skulptur der Königin aus dem 13. Jahrhundert am Portail Sainte-Anne der Kathedrale Notre-Dame de Paris jedoch steht sie neben König Salomon und dem heiligen Petrus, und sie haben alle dieselbe Hautfarbe, vermutlich weiß. Später, in Lavinia Fontanas Der Besuch der Königin von Saba (ca. 1600), ist sie erneut weiß. Die Veränderlichkeit der Hautfarbe der Königin verstärkt den Eindruck, Anderssein möge keine Bedeutung gehabt haben, wenn Afrikaner*innen, insbesondere Frauen, an der Spitze der sozialen Rangordnung standen. In den folgenden Jahrhunderten vermischten die Geschichten über die Begegnung zwischen Saba und Salomon jüdische und muslimische Traditionen mit Folklore, die Saba als Verführerin oder als halb Schlange, halb Frau darstellte, die Männer in Versuchung führen und Leben zerstören wollte. Interessanterweise zirkulierten muslimische Geschichten über die Königin als halbe Schlange, die sie mit der hebräischen Dämonin Lilith verglichen, in veränderter Form in der europäischen Dichtung. In der Literatur des 19. Jahrhunderts wurde erneut auf die Figur der Königin von Saba zurückgegriffen, insbesondere in Flauberts Roman Die Versuchung des heiligen Antonius (1874). Der Künstler Odilon Redon schuf eine Illustration der Königin von Saba (1896–1900) als nackte Frau, deren Gesichtszüge auf eine gemischte Herkunft schließen lassen und an Charles Baudelaires laszive und erotische Darstellung seiner Muse Jeanne Duval erinnern. Baudelaires Verweise auf die Bibel in seiner Dichtung konzentrierten sich auf die Idee der »Verführung«. Die Beschreibung Duvals in »Die tanzende Schlange« (in Die Blumen des Bösen, 1857) bringt uns zurück zur Königin von Saba als afroeuropäische Verführerin.

      Von Konfrontation bis zu Kollaboration – die Beziehungen zwischen Afrikanern und Europäern erweisen sich seit dem 3. Jahrhundert als turbulent. Auf die verlorenen Schlachten der kuschitischen Königinnen folgte die Eingliederung der Thebaner in die römischen Legionen im 3. Jahrhundert. Die kathartische Legende des heiligen Mauritius und die Geschichte der Königin von Saba haben die europäischen Bestrebungen nach religiöser Expansion fassbar gemacht und sind zu Symbolen der Macht geworden, stellen aber zugleich auch aufschlussreiche Mittel dar, mit denen sich der europäische Blick auf Afrikaner*innen analysieren lässt. Die Art und Weise, wie diese beiden Figuren in Kunst und Literatur dargestellt wurden, liefert einen Einblick in die gesellschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Veränderungen in Europa. Auch lässt sich mit ihnen unser Verständnis von Geschlechterkonstruktionen und die Wahrnehmung Schwarzer Körper in der europäischen Imagination seit dem Mittelalter hinterfragen. Diese Geschichten sind wertvolle Ergänzungen zu der Geschichte Schwarzer Heiliger in Europa.

      Rowe demonstriert, dass der Einfluss Schwarzer Heiliger weit über die Mauern der weißen christlichen Kirchen hinausging. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gaben portugiesische Händler mit ihren Expeditionen an die afrikanischen Küsten den Startschuss für den neuzeitlichen europäischen Sklavenhandel. Ein Jahrhundert später wurden versklavte Afrikaner in europäischen Städten aufgefordert, ein christliches Leben zu führen, was ihre Herren allerdings vor ein Problem stellte. Eine Taufe brachte für den Besitzer mehrere Verpflichtungen mit sich, darunter die Wahrung des Rechtes der Versklavten, in einer Bruderschaft Mitglied zu werden. Damit aber hatten die Sklaven die Unterstützung von Organisationen, die sich auch für ihre Befreiung einsetzen konnten.54 Zusätzlich entstand im frühen 17. Jahrhundert nach dem Tod Benedikts von Palermo ein nach diesem benannter Kult, dem sich einige Schwarze Spanier anschlossen. Die Kirche sah diese neuen Entwicklungen positiv, da frisch angekommene versklavte Menschen nun leichter bekehrt und assimiliert werden konnten. Wie Rowe festhält, waren diese Schwarzen Bruderschaften bestens organisiert und verfügten über eigene Satzungen und Verwaltungsapparate. Sie unterstützten ihre Mitglieder auf vielfältige Weise, von seelsorgerischer Betreuung bis zu Beerdigungen und Mitgiften. Und sie stellten ihre Wurzeln und Ursprünge stolz zur Schau, wie sich etwa am Beispiel von Nossa Senhora do Rosário dos Homens Pretos (Unsere Liebe Frau vom Rosenkranz Schwarzer Menschen) zeigt, die erklärte, dass »wir, die Schwarzen Menschen, aus den Regionen von Äthiopien und seiner Gebiete kamen«, und hinzufügte, dass sie nun seit 1470 in Lissabon beteten.55 Mit der Zeit überspannten diese Bruderschaften mehrere Kontinente, da sie sich parallel zum Sklavenhandel in den Regionen entlang des Atlantischen Ozeans ausbreiteten.

      Die Geschichten des heiligen Mauritius und der Königin von Saba sowie deren nachträgliche Reformulierungen und Neuinterpretationen beruhen auf der Geschichte von Kolonisation und Eroberung. Die von ihnen zur Sprache gebrachten brutalen Begegnungen werden jedoch kaum mit der kolonialen Sklaverei im mittelalterlichen und modernen Europa in Verbindung gebracht. Eines der am häufigsten untersuchten Zeitalter der Eroberungen bleibt das Römische Reich. Wissenschaftler*innen haben verschiedenste Geschichten aus dieser Zeit ans Licht gebracht, wobei eine Figur dabei herausragt, da sie sowohl Afrikaner als auch Europäer war: Kaiser Septimius Severus. Gleichwohl zeigt seine im British Museum ausgestellte Büste interessanterweise die Gesichtszüge eines Mannes, der europäischer Abstammung zu sein scheint. Allerdings wurde Severus 145 in Leptis Magna geboren, einer karthagischen Stadt, die im heutigen Libyen liegen würde, welches damals als Tripolitanien bekannt war. Er stammte aus einer reichen Familie, deren Mitglieder an der Politik und womöglich auch am Handel beteiligt waren. Sein Vater bekleidete jedoch kein wichtiges Amt. Tripolitanien war ein maritimes Handelsgebiet, das auch nur wenige Hundert Kilometer von den Handelsrouten durch die Sahara entfernt war. Über Severus’ frühes Leben in Leptis Magna ist nur wenig bekannt. Wir wissen allerdings, dass er aus seinem Geburtsort nach Rom zog, wo er in der herrschenden Elite Freunde gewann. Das ermöglichte ihm den Aufstieg zur Macht. Im Jahr 169 wurde er römischer Senator. Er benötigte nur wenige Jahre, um zum Volkstribun ernannt zu werden. Später entsandte man ihn auf verschiedene Posten, und schließlich wurde er Statthalter in der Donauprovinz Pannonien. Severus’ Ehrgeiz ließ ihn nach Rom zurückkehren und im Anschluss an die Ermordung von Kaiser Pertinax durch Soldaten die Macht ergreifen.

      Die Historiker Cassius Dio und Herodian liefern uns Informationen über Severus’ Leben.56 Die meisten Details sind ausgeschmückte Schilderungen seines Charakters und seiner Beziehungen zu den Soldaten. Dio erzählt von seinem triumphalen Einmarsch in Rom, nachdem er jene Soldaten bestraft hatte, die an der Tötung von Pertinax beteiligt gewesen waren, und behauptet, er habe sich extra die Zeit genommen, zivile Kleidung anzulegen, um zu Fuß durch die Straßen zu schreiten, während seine Soldaten noch immer ihre Rüstung trugen. Der inszenierte Aspekt dieses Einmarschs lässt Rückschlüsse auf das Denken dieses Mannes zu. Er wusste, dass er als Armeeführer womöglich

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