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den Kampf gegen Diskriminierung darstellt. Vor allen Dingen zelebriert es lange zurückreichende Geschichten – afrikanische, europäische und globale – von Zusammenarbeit, Migration, Resilienz und Kreativität, die jahrhundertelang unerzählt geblieben sind.

      1 FRÜHE BEGEGNUNGEN Von Pionieren bis zu Afrorömern

      Das heutige Äthiopien versammelt diverse Geschichten von Exil oder Migration, die über Jahrhunderte zurückreichen. Allerdings kennt man unter Forschenden und Studierenden heute vor allem jene Geschichten, die entweder mit den Königreichen und der Kolonisation oder mit Äthiopiens Rolle in den Weltkriegen im Zusammenhang stehen. Darunter befinden sich auch Geschichten über die italienisch-äthiopischen Kriege. Das Exil des Kaisers Haile Selassie ist ein Beispiel für eine Kolonialgeschichte, die zu einer europäischen Lokalgeschichte wurde – in diesem Fall bezogen auf die englische Stadt Bath in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Italienische und abessinische Streitkräfte zogen im Oktober 1935 gegeneinander in den Kampf, und 1936 wurde die Hauptstadt Äthiopiens, Addis Abeba, von Italiens faschistischen Truppen besetzt. Der regierende Kaiser Haile Selassie musste das Land im selben Jahr verlassen und blieb bis 1941 im Ausland. Selassie ließ sich in Bath nieder und machte die Stadt für einige Jahre zu seinem Zuhause. Man könnte behaupten, er sei für eine Weile zu einem adoptierten Afroeuropäer geworden. Seine Verbundenheit mit Bath war so groß, dass er anlässlich seiner Rückkehr nach Äthiopien seinen Wohnsitz Fairfield House an die Stadt übergab, damit die lokale Community ihn nutzen konnte. Dieses positive Beispiel eines afroeuropäischen Zusammenwirkens ist in Großbritannien in guter Erinnerung geblieben, insbesondere bei der britischen Rastafari-Community in Bath und dem Rest des Landes.15 Diese Gemeinschaft ist zusammen mit den Menschen, die in der unmittelbaren Nachbarschaft des Hauses leben, maßgeblich daran beteiligt, Haile Selassies Haus, seine Geschichte und die Erinnerung an ihn zu bewahren. Die Verbindungen zwischen dem heutigen Äthiopien und Europa – insbesondere Italien – wurden jedoch schon lange vor den Kolonialkriegen im 19. und 20. Jahrhundert geknüpft. Diese Geschichte begann mit der Beziehung zwischen Meroe und Ägypten, speziell zwischen äthiopischen Königinnen und Ägyptens römischem Statthalter im Jahr 23 vor unserer Zeitrechnung.

      Die Geschichtsschreibung über das antike nubische Königreich Kusch und seine Hauptstadt Meroe belegt deutlich, dass viele der Begegnungen, die vor Jahrhunderten zwischen Europa und Afrika stattfanden, alles andere als friedlich verliefen. Der griechische Geograf Strabon von Amaseia (ca. 62 vor unserer Zeitrechnung bis 24 unserer Zeitrechnung), Autor der siebzehnbändigen Geographika, die Geschichte und Topografie Tausender Orte umfasst, ist einer der wenigen Erzähler, deren Werk uns detaillierte Schilderungen der Beziehungen zwischen den Kuschiten und dem Römischen Reich liefert. Einer von Strabons in dieser Hinsicht wichtigsten Beiträgen betrifft die Kandaken (oft bekannt als Königinnen von Äthiopien), die gegen die römische Invasion kämpften. In einem seiner Bände schildert er auf bemerkenswerte Weise, wie der Römer Gaius Petronius zum Angriff auf die Stadt Napata, dem königlichen Sitz der Kandake, schritt, nur um festzustellen, dass sie diesen bereits für einen sichereren Stützpunkt verlassen hatte.16 Begleitet von einer Armee aus Tausenden Männern unternahm die Kandake einen Angriff auf die römische Garnison, aber Petronius konnte die Invasion verhindern, indem er die Festung besetzte und sicherte, ehe die Königin und ihre Armee darüber herfielen. Lokale Inschriften haben gezeigt, dass es sich bei dieser Königin aller Wahrscheinlichkeit nach um Amanirenas (regierte ca. 40 bis 10 vor unserer Zeitrechnung) handelte. Von Strabon erfahren wir, dass die Kuschiten römische Siedlungen in Ägypten bedroht hatten. Vor diesem Angriff war es Amanirenas mit Unterstützung des kuschitischen Prinzen Akinidad gelungen, die römischen Truppen in der Stadt Syene und auf den Inseln Elephantine und Philae zu besiegen. Als Reaktion darauf hatte Petronius die Festungsstadt Premnis besetzt und eine Burg erobert, ehe er auf Amanirenas’ Armee traf.

      Es folgte eine bemerkenswerte Reihe von Verhandlungen, in deren Verlauf die Kuschiten Gesandte schickten, um sich mit den Römern auseinanderzusetzen. In diesen forderte Petronius, dass die umgestürzte Caesarenstatue wiedererrichtet würde. Irgendwann kapitulierten die Kuschiten. 21 bis 20 vor unserer Zeitrechnung unterzeichneten sie schließlich ein Friedensabkommen. Diese Begegnungen demonstrieren, dass das Römische Reich in bestimmten Teilen des afrikanischen Kontinents gut etabliert war und man die Bewohner*innen dieser Gebiete als Afroeuropäer bezeichnen könnte. Die Episode mit Amanirenas zeigt auch, dass das Machtverhältnis nicht konstant zugunsten des Römischen Reiches ausfiel.

      Was Geschlechterrollen angeht, stellen die Geschichten über die Kandaken bestimmte Annahmen infrage. Die Kandaken hatten die meroitischen Königreiche stets tapfer und genauso erbittert verteidigt wie Könige. Auch wenn der Begriff »Kandake« sich auf die Mutter eines Thronerben oder auf eine königliche Ehefrau bezieht, waren diese Frauen selbst Kriegerinnen. Neben Strabons Bericht über Amanirenas finden sich weitere Geschichten in den Schriften des griechischen Historikers Cassius Dio und im Alexanderroman.17 Amanirenas war bei Weitem nicht die einzige Kandake, die bis zum Letzten für die Integrität ihrer Königreiche kämpfte. Die darauffolgenden Kandaken von Kusch, Amanishakhete und Amanitore, traten in ihre Fußstapfen.

      Diese Geschichten liefern uns Erkenntnisse darüber, wie die Beziehung zwischen Europa und Afrika im Laufe der Zeit in Gegenden aufgebaut wurde, in denen keine strikte Abgrenzung zwischen den beiden Kontinenten vorherrschte. Der Begriff »Europa« wurde von Händlern, Soldaten und Wissenschaftlern benutzt, wenn diese auf ihre Reisen in verschiedene Gebiete verwiesen, die unserem modernen Verständnis des Kontinents grob entsprechen. Er kam im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung auf und umfasste auch die Regionen rund um die Ägäis. Das Wort »Afrika« hat viele mögliche Etymologien, aber eine der frühsten Verwendungen datiert auf 146 vor unserer Zeitrechnung, als es in dem Begriff »Africa Proconsularis« auftauchte. Dieser bezeichnete eine römische Provinz im heutigen Tunesien, Algerien und Libyen. Der Disput um die Etymologie des Wortes ist deshalb von Bedeutung, weil der Begriff auf einen Stamm zurückgehen soll, der im Norden des Kontinents, auf dem Gebiet des heutigen Libyens, lebte. Wenn das zutrifft, erscheint die von mehreren Gelehrten vorgetragene Hypothese über den lateinischen oder griechischen Ursprung des Namens ideologisch zweifelhaft und romano- oder grecozentrisch. Ungeachtet solcher Debatten definierten die wirtschaftlichen, kriegerischen und politischen Kooperationen, durch die die Bevölkerungen dieser Kontinente miteinander in Kontakt traten, allesamt die geografischen Grenzen ihrer Welt. Sie prägten auch die Wege der verschiedenen historischen Figuren in diesem Buch.

      Wenn wir die Geschichte dieser Orte und ihrer Bewohner*innen studieren, nimmt die in dieser Forschung stets präsente Frage nach dem Anderssein unterschiedliche Formen an. Dabei spielen Anderssein und othering (»Verandern«) bei der Abgrenzung geografischer Räume eine wichtige Rolle. Die Regionen, die als Lateinischer Westen bekannt waren, worunter Nordwestafrika, Gallien und Italien fielen, umfassten auch mehrere muslimische Gesellschaften. Im 11. Jahrhundert hatte man diese Gesellschaften jedoch zu Einheiten gruppiert, die die Vielfalt ihrer Glaubensrichtungen und gesellschaftlichen Praktiken verschleierten. Geraldine Heng merkt an, dass zwar Namen wie Agarener, Ismaeliten, Mauren und Sarazenen verwendet wurden, um Araber zu bezeichnen, christliche Araber jedoch nicht auf dieselbe Weise definiert wurden. Der Begriff »Sarazenen« erhielt sich über die Jahre und wurde zusehends mit negativen Eigenschaften belegt.18 Heng behauptet, jene, die aufgrund ihrer Religion als Sarazenen kategorisiert wurden, hätten ihrerseits nicht mit der Homogenisierung aller Christen reagiert, sondern stattdessen die Diversität der vom Christentum geprägten Regionen und Gesellschaften anerkannt. »Die islamische Historiografie in arabischer oder in einer anderen Sprache scheint weiterhin territoriale, nationale und ethnische Unterschiede abgegrenzt zu haben, wenn sie die Europäer als ›Römer, Griechen, Franken, Slawen‹ und so weiter bezeichnete.«19

      Der nächste Schritt hin zu einer Rassifizierung vollzog sich in der Zuschreibung bestimmter Charakterzüge für Gruppen von Menschen. Dies wurde mit der Behauptung untermauert, die Geburt des Islam basiere auf einer Lüge und der Prophet sei »ein gerissener, hinterlistiger, ehrgeiziger, habgieriger, unbarmherziger und liederlicher Lügner«.20 Diese den Propheten charakterisierenden negativen Attribute wurden dann auf alle Muslime übertragen. Darstellungen dieser Natur waren im gesamten Mittelmeerraum anzutreffen.21 Im 11. Jahrhundert wurden Muslime entweder

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