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Afrikanische Europäer. Olivette Otele
Читать онлайн.Название Afrikanische Europäer
Год выпуска 0
isbn 9783803143372
Автор произведения Olivette Otele
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Herodian bietet noch mehr Einzelheiten über Severus’ militärische Siege, Reden und familiäre Beziehungen, seine »britische Expedition« und die kurze Regierungszeit seiner beiden Söhne. Die Berichte der Historiker geben uns auch Aufschluss über seinen Regierungsstil. Allem Anschein nach war er ein cleverer Politiker, der nicht zögerte, Allianzen mit jenen zu schmieden, die Roms Position gefährden könnten. Außerdem umgab er sich mit Menschen, denen er vertraute. Um etwa seine Söhne gut im Auge zu behalten, deren Lotterleben voller Laster und ungesunder gegenseitiger Konkurrenz ihm Sorgen machte, verlieh er ihnen mehr Macht und stattete sie mit Ehefrauen aus. Sein Sohn Caracalla sollte die Tochter des Prätorianerpräfekten Plautian heiraten.
Severus tilgte bewusst jegliche Verbindung, die zwischen ihm und Afrika hergestellt werden konnte. Er hatte sich zu einem frühen Zeitpunkt in seiner Karriere von seinem Geburtsort distanziert, und es war ihm gelungen, sich die Unterstützung machtvoller Beschützer in Rom zu sichern. Als Kaiser hielt er jedoch einen bestimmten Mann nah an seiner Seite. Herodian bemerkt, auch Plautian sei in Libyen geboren. Angeblich waren die beiden sogar miteinander verwandt. Böse Zungen verdammten diese Verbindung und behaupteten, Severus und Plautian seien in jüngeren Jahren vermutlich »Liebste« füreinander gewesen.58 In jedem Fall war Plautian ein armer Nordafrikaner, der von Severus große Macht und großen Reichtum verliehen bekam und nicht vor Gewaltanwendung zurückschreckte, um die Aufgaben zu erledigen, die der Kaiser ihm zugewiesen hatte. Severus ging noch einen Schritt weiter, indem er sich und Plautian durch ihre Kinder noch enger miteinander verband. Er hätte jede beliebige politische Allianz schmieden können, indem er seinen Sohn in die Familien von Gegnern oder Anführern benachbarter Territorien einheiraten ließ. Er wählte aus Vertrauensgründen jedoch bewusst Plautians Tochter aus. Außerdem glaubte er, die Ehe würde seinem Sohn helfen, erwachsen zu werden. Er sollte jedoch eines Besseren belehrt werden. Caracalla verabscheute seine Braut und drohte, sie und ihren Vater umzubringen, sobald er als Kaiser an der Macht wäre. Sich Severus’ Krankheit und seiner Schwäche gegenüber seinem Sohn sehr bewusst, fürchtete Plautian um sein Leben. Er wusste auch, dass die Unbeliebtheit des Kaisers unter den Wachen sich nicht zu seinen Gunsten auswirkte. Also heckte er laut Herodian einen Plan aus, um das Reich an sich zu reißen und seinen eigenen Beschützer gemeinsam mit dessen Sohn töten zu lassen. Dabei beging er jedoch den Fehler, seine Befehle schriftlich festzuhalten. Der Plan schlug fehl, mit tragischem Ausgang. Cassius Dio zufolge war es Caracalla, der Plautians Mordkomplott fingierte, in jedem Fall endete die Episode mit dem Hinrichtungstod des Präfekten. Severus’ Söhne setzten ihr genusssüchtiges Leben fort, und dem Kaiser blieb nur noch, jene zu bestrafen, die sie in einem Zustand andauernder Ausschweifungen und Wettkämpfe hielten.
In seiner Regierungszeit führte Severus mehrere Feldzüge durch, mit denen er sich weitere Gebiete sichern wollte, die sich südlich von Tripolitanien, im Osten in Richtung Mesopotamien und im Norden bis nach Britannien erstreckten, wo er im Jahr 208 den Hadrianswall sicherte und einen Eroberungszug gegen das britannische Kaledonien startete. Severus sah Rom als Zentrum des Wissens und der Zivilisation sowie als legitimen Herrschaftssitz. Einmal selbst an der Macht, begriff er auch, dass er das Römische Reich weiter ausdehnen musste, um Rom zu stärken. Der Britannienfeldzug stellte sich jedoch als beschwerlicher heraus als die vorangegangenen Kampagnen. Der schlechte Gesundheitszustand des Kaisers hielt ihn davon ab, sich auf den Feldzug zu konzentrieren, und der nach Macht gierende Caracalla versuchte, die Ärzte davon zu überzeugen, seinen Tod zu beschleunigen. Kaiser Septimius Severus starb schließlich im Jahr 211. Caracalla gab sogleich eine Serie von Morden in Auftrag, um all jene auszuschalten, die seinem Vater treu ergeben gewesen waren, darunter auch die Ärzte, die sich einer Beteiligung an seinem Komplott verweigert hatten, und selbst jene, die ihn großgezogen und dazu gedrängt hatten, mit seinem Bruder Geta Frieden zu schließen. Geleitet durch ihre Mutter, regierten die Brüder das Reich für kurze Zeit gemeinsam, bis Caracalla sich durch einen Mord an seinem Bruder schließlich zum Alleinherrscher machte. Was Severus anbelangte, so wurde der Leichnam des Kaisers verbrannt, parfümiert und in einer Urne in das Mausoleum des Hadrian, der heutigen Engelsburg, verbracht.
Die meisten in Afrika geborenen Römer stellten ihre Herkunft nicht in den Vordergrund. Etwa ein Jahrhundert vor Severus wurde Marcus Cornelius Frontos »Afrikanischsein« bei verschiedenen Gelegenheiten erwähnt, aber er selbst präsentierte sich nur selten als Afrikaner. Als um 100 im numidischen Cirta, dem heutigen Constantine in Algerien, Geborener stammte Fronto aus einer afrikanischen Provinz unter römischer Herrschaft. Er ist bekannt als einer der eloquentesten Redner, die die römische Erziehung je hervorbrachte. Fronto ging in die Politik und wurde 142 zum Konsul ernannt, blieb jedoch nur zwei Monate im Amt als Suffektkonsul. Dann offerierte man ihm die Position eines Lehrers der Adoptivsöhne von Kaiser Antoninus Pius. Die von ihm erhalten gebliebenen Schriften bestehen hauptsächlich aus seiner Korrespondenz mit seinen Schülern und den späteren Kaisern Marc Aurel und Lucius Verus sowie mit anderen Freunden. In keinem der Briefe wird seine Herkunft auf negative Weise erwähnt. Mehrere von ihnen legen nahe, dass Fronto von seinen namhaften Schülern respektiert und geliebt wurde. Auch er mochte sie gern und drückte dies, während sie seine Schüler waren, durch körperlichen Kontakt wie Umarmungen und Küsse aus, aber auch später noch, als sie zu hochrangigen Staatsdienern und Kaisern geworden waren. Daraus ergibt sich das Bild eines Mannes, der seiner Familie nahesteht und vom kaiserlichen Haus hoch geschätzt wird.
Frontos Überzeugungskraft wurde einer römischen Erziehung zugeschrieben, die das Beherrschen der lateinischen Rhethorik voraussetzte. Jo-Marie Claassen hält fest, dass er für seine Stellung zwar nicht bezahlt wurde, es jedoch Hinweise darauf gibt, dass er ein römisches Herrenhaus besaß.59 Zusätzlich musste die komfortable Nähe zum Kaiser zu weiteren Begünstigungen geführt haben. In ihrer Untersuchung der römischen Einstellung gegenüber Afrikanern in elitären Kreisen bemerkt Claassen, Frontos linguistischer »Eifer« kennzeichne die Ansichten jener, die an den Rändern des Imperiums geboren wurden.60 Sie verspürten die Notwendigkeit zur Überkompensation, schlugen sich jedoch hervorragend in einer Umgebung, die Assimilation förderte. Unter einem Verweis auf Edward Champlins Studien fügt Claassen hinzu, dass Familien der Elite, die in Nordafrika geboren wurden, gezielt Lateinisch und Griechisch als ihre Lingua franca übernahmen.61
Fronto strebte nach der Position des Prokonsuls in Afrika, wurde jedoch in das weniger favorisierte Asien gesandt. Schließlich musste er den Posten wegen seines schlechten Gesundheitszustands aufgeben. Seine Verbundenheit mit Afrika zeigte Fronto durch den Wunsch, an seinen Geburtsort zurückzukehren. Mehrere Briefe belegen, dass er eine enge Beziehung zu Familie und Freunden in Cirta aufrechterhalten hatte. In anderer Korrespondenz wird deutlich, dass er Teil eines größeren Netzwerks afrikanischer Eliten war, die in ganz Europa in angesehenen Kreisen lebten und arbeiteten. Unter den Freunden, mit denen Fronto sich Briefe schrieb und die ihn gelegentlich besuchten, waren der Grammatiker Aulus Gellius, der möglicherweise ebenfalls afrikanischer Abstammung war, sein in Numidien geborener Freund Julius Celsius und der Senator Arrius Antoninus, dessen Vater aus Cirta stammte. Außerdem war Fronto der Schutzherr mehrerer junger Menschen, und es gibt Nachweise dafür, dass er versuchte, seinen Schützlingen die Unterstützung hochrangiger Persönlichkeiten in Cirta zu sichern. Er war auch an staatlichen Angelegenheiten interessiert, die Afrika betrafen, wie etwa in einer Rede vor dem Senat deutlich wird, in der er Antoninus für seine Unterstützung Karthagos (heute Region Tunis) dankte, womöglich, nachdem dort ein Feuer ausgebrochen war.
Claassen erklärt, dass im Allgemeinen »Afrikaner zu jener Zeit nur sehr selten als ›von den Römern unterschieden‹ wahrgenommen wurden«.62 Allerdings erwähnt sie auch eine Gelegenheit, bei der der Hintergrund