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Tax Compliance. Markus Brinkmann
Читать онлайн.Название Tax Compliance
Год выпуска 0
isbn 9783811447011
Автор произведения Markus Brinkmann
Жанр Языкознание
Серия C.F. Müller Wirtschaftsrecht
Издательство Bookwire
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Die ausländische Gesellschaft muss jeweils über einen für ihren jeweiligen Geschäftszweck angemessenen eingerichteten Geschäftsbetrieb verfügen, d.h. eine angemessenen Ausstattung mit Sach- und Geldkapital (z.B. eigene oder zur Nutzung entgeltlich überlassene Büromöbel, Aktenschränke, EDV-Ausstattung inklusive eigener Drucker, Telefone und Faxgeräte, Internetanschlüsse, Büromaterial, Software, Geldkapital). Der Umfang der Ausrüstungsgegenstände kann den Jahresabschlüssen bzw. Geschäftsberichten der ausländischen Gesellschaft entnommen werden (Höhe der Abschreibungen, Miet-, Pacht- und Leasingaufwendungen). Diese Informationen stehen dem steuerpflichtigen Inlandsbeteiligten unabhängig von seiner Beteiligungshöhe in der Regel zu Verfügung.[100] Darüber hinaus können Verträge aller Art mit Geschäftspartnern, Arbeitnehmer, Vermietern, Dienstleistungsunternehmen etc. als Nachweis dienen. Bei nicht mehrheitlich beteiligten inländischen Steuerpflichtigen dürfte diese Nachweisführung schwierig sein.[101]
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Im Ergebnis muss die ausländische Gesellschaft ihrer jeweiligen Funktion entsprechend aufgrund ihrer jeweiligen personellen und sachlichen Ausstattung in der Lage sein, die angestrebte wirtschaftliche Tätigkeit selbstständig zu erfüllen.[102] Wenn die ausländische Gesellschaft – entsprechend der Diktion des EuGH – über die nötige wirtschaftliche Realität im Aufnahmemitgliedstaat verfügt, kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH nicht mehr darauf an, ob der Einsatz der Gesellschaft auch steuerlich motiviert sein könnte.[103]
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Es zeigen sich gewisse Parallelen zur Prüfung des Ortes der Geschäftsleitung gem. § 10 AO. Dieses Kriterium dient dazu, nicht auf die formalen Merkmale der Gründung und Registrierung einer Gesellschaft zu blicken, sondern die materiell-wirtschaftliche Leitung der Gesellschaft als Abgrenzungsmerkmal zu verwenden. Die Prüfung des Orts der Geschäftsleitung führt die vom EuGH im Zusammenhang mit der Hinzurechnungsbesteuerung geforderte „wirtschaftliche“ Betrachtungsweise im Kern bereits durch.[104] Folglich sind die vom EuGH im Zusammenhang mit der Hinzurechnungsbesteuerung aufgestellten Kriterien zur wirtschaftlichen Substanz der ausländischen Gesellschaft bereits im Wesentlichen Gegenstand der Prüfung des Orts der Geschäftsleitung.
d) Auskunftsaustausch
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Weitere Voraussetzung ist, dass die EU-Amtshilferichtlinie oder eine vergleichbare zwei- oder mehrseitige Vereinbarung im Verhältnis zum Aufnahmemitgliedstaat den von § 8 Abs. 2 S. 2 AStG geforderten Auskunftsaustausch ermöglicht. Unter den EU-/EWR-Mitgliedstaaten existierte bislang nur im Verhältnis zu Liechtenstein mangels Einschlägigkeit der EU-Amtshilferichtlinie bzw. einer großen Auskunftsklausel eines DBA keine geeignete Rechtsgrundlage für einen Auskunftsaustausch. Seit der Unterzeichnung eines Abkommens über die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in Steuerfragen zwischen Deutschland und Liechtenstein,[105] das der großen Auskunftsklausel eines DBA entspricht, ist ab 2010 auch in Liechtenstein ansässigen Zwischengesellschaften eine Nachweisführung i.S.d. § 8 Abs. 2 AStG eröffnet.[106]
Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 6. Kapitel Tax Planning und Gestaltungsmissbrauch › III. Nachweis für EU-/EWR-Gesellschaften gem. BMF-Schreiben vom 8.1.2007
III. Nachweis für EU-/EWR-Gesellschaften gem. BMF-Schreiben vom 8.1.2007
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Bis zur erstmaligen Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG ist das BMF-Schreiben v. 8.1.2007[107] auf alle Fälle anzuwenden, in denen die Einkommen- oder Körperschaftsteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist.[108] Dem BMF-Schreiben vom 8.1.2007 kommt aber auch im zeitlichen Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 AStG praktische Bedeutung zu.[109]
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Die Anforderungen des BMF-Schreibens v. 8.1.2007[110] an eine wirkliche wirtschaftliche Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft im Aufnahmemitgliedstaat sind erfüllt, wenn der Nachweis gelingt, dass
– | die ausländische Gesellschaft in dem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung hat, am dortigen Marktgeschehen im Rahmen ihrer gewöhnlichen Geschäftstätigkeit aktiv, ständig und nachhaltig teilnimmt, |
– | die ausländische Gesellschaft dort für die Ausübung ihrer Tätigkeit ständig sowohl geschäftsleitendes als auch anderes Personal beschäftigt; diese formale Betrachtung der Finanzverwaltung geht nach Ansicht des FG Münsters im Urteil vom 20.11.2015[111] in ihrer Allgemeinheit zu weit, da sie nicht darauf abstellt, welche personellen Ressourcen die konkrete Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft erfordert; nicht zwingend erforderlich seien mindestens zwei Personen; |
– | das Personal der ausländischen Gesellschaft über die Qualifikation verfügt, um die der Gesellschaft übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich und selbstständig zu erfüllen, |
– | die Einkünfte der ausländischen Gesellschaft ursächlich aufgrund der eigenen Aktivitäten der Gesellschaft erzielt werden und |
– | den Leistungen der ausländischen Gesellschaft, sofern sie ihre Geschäfte überwiegend mit nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG betreibt, für die Leistungsempfänger wertschöpfende Bedeutung zukommt und die Ausstattung mit Kapital zu der erbrachten Wertschöpfung in einem angemessenem Verhältnis steht. |
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Die durch das BMF-Schreiben formulierten Anforderungen gehen deutlich über die Grundsätze des EuGH in der Rs. Cadbury Schweppes hinaus.[112]
Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 6. Kapitel Tax Planning und Gestaltungsmissbrauch › IV. Ort der Geschäftsleitung
1. Definition „Ort der Geschäftsleitung“
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Die im vorherigen Abschnitt dargestellten Anforderungen an die wirtschaftliche Substanz einer ausländischen Gesellschaft haben bereits Parallelen zur Prüfung des Orts der Geschäftsleitung gem. § 10 AO aufgezeigt. Der Ort der Geschäftsleitung bildet neben dem deutlich leichter aus der Satzung oder dem Handelsregister bestimmbaren Sitz einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse gem. § 11 AO den Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht bei der Körperschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 KStG), bei der (seit dem 1.1.1997 nicht mehr erhobenen) Vermögensteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 VStG) und bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer (§ 2 Abs. 1 Nr. 1d und Nr. 2 ErbStG).[113] Darüber hinaus kommt dem Ort der Geschäftsleitung auch in weiteren steuerlichen Zusammenhängen Bedeutung zu.[114]
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Nach § 10 AO ist die Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Ortsbezogen konkretisiert der BFH den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung als den Ort, an dem der maßgebliche Wille der Körperschaft gebildet wird.[115] Der BFH stellt zudem auf den Ort ab, wo die für die Geschäftsführung erforderlichen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet werden.[116] Bei Körperschaften