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die in unterschiedlicher medialer Kommunikation verfasst sind. Dazu gehören:

       ein von den Lehrkräften ausgewählter schriftlicher Originaltext,

       eine für die mündliche Kommunikation verfasste Textvorlage und

       der in mündlicher Kommunikation tatsächlich realisierte Erzähldiskurs.

      Zu analysieren sind ferner die narrativen Interaktionen zwischen den Erzählenden und ihrem Publikum.

      Möglich ist, dass die drei Fassungen der verbalen Erzählungen identisch sind, leicht voneinander abweichen oder aber auch bemerkenswerte Unterschiede aufweisen. Da diese Unterschiede für die Beantwortung der Forschungsfragen der Studie relevant sind, werde ich ein Analyseinstrumentarium entwickeln, das diesen Differenzen Rechnung trägt, aber auch den Gesamtzusammenhang der Performance in den Blick nimmt. Zur Modellierung dieses Instrumentariums nehme ich eine Gliederung in fünf Dimensionen vor.

      1 Die erste Dimension wird von der Textkonstruktion in medialer Schriftlichkeit gebildet.

      2 Die zweite Dimension enthält die narrative und genrespezifische Markierung der Textoberfläche1.

      3 Die dritte Dimension wird von der Diskurskonstruktion in medialer Mündlichkeit gebildet. Zu dieser Dimension rechne ich die Textvorlage, die für das Erzählen in medialer Mündlichkeit verfasst wird, und den tatsächlich realisierten Erzähldiskurs.

      4 Die vierte Dimension erfasst die narrative Interaktion zwischen Erzählenden und Publikum.

      5 Die fünfte Dimension, die performative Gestaltung, wird aus der Dimension des Performativen und der Perspektive der Aufführung gewonnen und im nächsten Kapitel als Teil 2 (Kap. 4.5.2) hinzugefügt.

      Den ersten drei Dimensionen weise ich Kriterien der Analyse zu, die ich den Konstituenten des Narrativen (Kap. 3.1.1), den Funktionen des Prototypen (Kap. 3.1.2), den Prinzipien der Erzählwürdigkeit (Kap. 3.2.3), dem fiktionalen Erzählen (Kap. 3.3), dem Erzählen von Märchen und den Ausführungen zur medialen und konzeptionellen Mündlichkeit (Kap. 3.4, 3.5) entnehme. Die Kriterien für die vierte Dimension leite ich aus den narrationsspezifischen Aufgaben der Diskursteilnehmer (Kap. 3.2.2.) ab.

      Das Fünf-Dimensionen-Modell zur Analyse von Erzählperformances stellt ein Basismodell dar, das auf den jeweiligen Fallkontext flexibel anzuwenden, zu ergänzen, zu erweitern und zu verändern ist (Kap. 9.4.2). Die folgende Übersicht (Tab. 3) zeigt die Gliederung in fünf Dimensionen. Den ersten vier Dimensionen werden Kriterien der Analyse mit entsprechenden Leitfragen zugeordnet.

1. Konstruktion der verbal-schriftlichen Erzählung: der Erzähltext
a. Realisierung qualitativer Narreme: - Mit welchen Mitteln wird Darstellungsqualität erreicht? - Worauf beruht die Erlebnisqualität der Erzählung? - Welche Sinndimensionen werden eröffnet? - Worin besteht die Erzählwürdigkeit der Erzählung?
b. Realisierung inhaltlicher Narreme: die prototypische Gestaltung der histoire: - Mit welchen protototypischen Textbausteinen wird die Geschichte gebildet? - Mit welchen Gefühlen, Stimmungen, Konflikten werden die Handlungen der Figuren verbunden?
c. Gebrauch syntaktischer Narreme: Sequenzierung und Herstellung semantischer Kohärenz: - Welche Makrostruktur (z. B. schéma quinaire) liegt der Erzählung zugrunde? - Welche Untergliederungen der großen in kleine Sequenzen liegen vor? - Wie sind die einzelnen Episoden miteinander verknüpft (z. B. durch chronologische, teleologische Prinzipien)? - Worin besteht der Planbruch?
d. genretypische Merkmale: - Welche genretypischen Merkmale des Märchens / von Zaubergeschichten / von Tiergeschichten werden gebraucht?
e. Modellierung der konzeptionellen Mündlichkeit und Schriftlichkeit: - Welche Verfahren konzeptioneller Mündlichkeit der Großform A (z. B. szenische Gestaltung, Figurenrede) werden mit welcher Wirkung eingesetzt? - Welche Verfahren konzeptioneller Mündlichkeit der Großform B (z. B. Redundanz der poésie orale) Schriftlichkeit werden eingesetzt? - Welche Verfahren konzeptioneller Schriftlichkeit kommen zum Tragen?
2. narrative und genrespezifische Markierung
a. narrationsspezifische Markierungen der Textoberfläche: - Welche narrationstypischen Diskursmarker werden gebraucht?
b. genretypische Markierungen der Textoberfläche: - Welche genretypischen Fiktionssignale (z. B. formelhafter Beginn des Märchens, formelhafte Wendungen) werden gebraucht?
3. Konstruktion der verbal-mündlichen Erzählung: der Erzähldiskurs
a. Vertextung der Erzählvorlage: - Worin unterscheidet sich die Textvorlage zum Erzählen vor der Lerngruppe im Hinblick auf die Kriterien 1.a-e, 2.a-b vom Originaltext? - Welche Strategien der Adaption werden mit welchen Konsequenzen eingesetzt?
b. Realisierung des Erzähldiskurses: - Welche textuellen Veränderungen erfährt die Erzählvorlage bei ihrer Realisierung als Erzähldiskurs?
4. narrative Interaktion
a. Sequenzierung der narrativen Diskurseinheit: - Wie verläuft die narrative Gesprächsorganisation? - Wie wird der Wechsel zwischen narrativen Diskurseinheiten und Klassenzimmerdiskurs realisiert?
b. Übernahme narrativer Jobs: - Wie sind die Jobs während der Erzählperformance verteilt? - Welche Konsequenzen hat die Verteilung für die Redeanteile und Redevergabe?
5. performative Gestaltung (Wird ergänzt in Kap. 4.5.2) Teil 2

      Tab. 3:

      Das Fünf-Dimensionen-Modell zur Analyse von Erzählperformances im Fremdsprachenunterricht (FDM-P, Teil 1)

      3.7 Zusammenfassung: das werkseitige, narrative Potenzial mündlichen Erzählens

      Die Ergebnisse der Recherche des Potenzials mündlichen Erzählens für den Fremdsprachenunterricht in der Dimension des Narrativen (Kap. 3.1-3.5) lassen sich zwei Aspekten zuordnen. Der erste Aspekt (A) betrifft die Natur, die Fähigkeiten und die Struktur des Narrativen allgemein. Der zweite betrifft das spezifische Vermittlungsmedium mündlichen Erzählens und seine Präsentationsform (B). Die Ergebnisse fasse ich in einer ‚Potenziale-Liste‘ wie folgt zusammen:

      1) Die Medienunabhängigkeit bzw. Transmedialität des Narrativen (Kap. 3.1.1)

      Die Möglichkeit des Narrativen, sich in unterschiedlichen medialen Vermittlungsformen zu realisieren, bietet eine mediale Vielfalt narrativer Werke für die fremdsprachliche Rezeption: narrative Texte und Diskurse, Filme, Comics, Bilder, Musik. Medial vielfältig sind auch die Möglichkeiten der schriftlichen und mündlichen (Re-)Konstruktion von Erzählungen, deren Plots unter Beibehaltung des narrativen Paradigmas von einer medialen Präsentationsform in eine andere übertragen werden können. Beispiel: Die Transformation von Handlungsstationen einer in Mündlichkeit rezipierten Erzählung in Bilder – oder die Transformation eines schriftlich verfassten Textes in einen mündlich vorzutragenden Erzähldiskurs.

      2) Die Graduierbarkeit des Narrativen

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