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bei der Rezeption und Produktion eines narrativen Werkes: Da jede mediale Präsentationsform des Narrativen unterschiedliche Narrativierungsleistungen bei der Produktion und der Rezeption verlangen, kann der Grad der (verbalen) Narrativierung bei der Aufgabenstellung der Anschlusskommunikation berücksichtigt werden. Beispiel: Die Transformation der Handlungsstation eines Märchens in ein Bild verlangt eine weniger hohe Narrativierung als die Transformation in ein anderes, dominant verbales Genre wie z.B. einen Brief, einen Tagebucheintrag etc.

      3) Der Prototyp des Narrativen (Kap. 3.1.2 und 3.4)

      Der Prototyp des Narrativen, das Märchen, enthält Bausteine des Narrativen in einfacher, modellhafter Form, d. h. qualitative, inhaltliche und syntaktische Narreme wie Erlebnisqualität, Kohärenzbildung durch Chronologie und Kausalität, eine leicht durchschaubare und erwartbare Makrostruktur, anthropomorphe Figuren als Träger der Handlung etc. Der Prototyp und ihm verwandte Genres wie Zauber- und Tiergeschichten halten für den Anfangsunterricht authentische Texte und Diskurse zur Rezeption in der Fremdsprache bereit. Es besteht darüber hinaus die Möglichkeit, das Prototypische der Texte und Diskurse durch eigene Bearbeitungen zu verstärken. Beispiel: Das Hinzufügen spektakulärer Handlungen, die Konzentration auf wenige Figuren, die Erhöhung der Anzahl an Gliederungssignalen.

      4) Die transgenerische Verfasstheit des Narrativen (Kap. 3.2)

      Die Realisierung des Narrativen in unterschiedlichen narrativen Kurztexten wie Märchen, Legenden, Sagen, Kurzgeschichten und Großformen des Episch-Narrativen wie der Novelle, dem Roman bietet zum einen eine Vielfalt an Genres für die unterrichtliche Kommunikation, zum andern eine Vielfalt intramedialer (innerhalb der schriftlich-verbalen Vermittlungsform) Transformationsmöglichkeiten von einem Genre ins andere. Die Realisierung des Narrativen in unterschiedlichen Varianten des Architerms Erzählen bietet dem Diskurstyp Erzählen verwandte Diskursarten wie Aufzählen, Beschreiben, Berichten, Schildern als Ergänzung zum ‚rein‘ narrativen Diskurstyp Erzählen.

      5) Interaktives Potenzial durch die Realisierung narrativer Diskurseinheiten im fremdsprachlichen Klassenzimmer (Kap. 3.2.2)

      Die Integrierbarkeit narrativer Diskurse in den Klassenraumdiskurs bietet Chancen zum Durchbrechen routinemäßiger Diskurs- und Handlungsmuster des Fremdsprachenunterrichts. Die klare Rollenverteilung der narrativen Interaktion, die narrativen Jobs zur Hervorbringung der Erzählung, die klare Gliederung der Interaktionsphasen und des Diskurses, die deutlichen Gliederungssignale an der Textoberfläche und die Gemeinsamkeit in der Hervorbringung der Erzählung durch die Kommunikationspartnerinnen und -partner liefern interessante, für die Lernenden gut zu bewältigende kommunikative und interaktive Alternativen zum Klassenraumdiskurs und darüber hinaus authentisch-ästhetische Kommunikationssituationen. Die Kontextgebundenheit der Diskursform kann für pädagogische Zwecke genutzt werden. Sie stellt eine Herausforderung zur adressatengerechten Anpassung an die fremdsprachliche Unterrichtssituation dar.

      6) Ästhetisches Potenzial durch das Prinzip der Erzählwürdigkeit von Geschichten (Kap. 3.2.3)

      Das Erzählwürdige des narrativen Diskurses ist in hohem Maße verantwortlich für den Reiz und das Vergnügen seiner Rezeption und für seinen Bildungswert. ‚Erzählwürdige‘ Texte und Diskurse bieten interessante Alternativen zu ausschließlich in pädagogischer Intention produzierten Texten und Diskursen. Da das Erzählwürdige in unterschiedlichen Bausteinen des Erzählens wie dem Unerhörten, Irritierenden, Fremden der Themen und Ereignisse, dem ungewöhnlichen Profil der Figuren, der poetischen Rhythmisierung der Erzählung oder der abwechslungsreichen Gestaltung der Figurenrede begründet sein kann bzw. von unterschiedlichen Rezipienten in unterschiedlichen Bausteinen situiert wird, steckt im Erzählwürdigen ästhetisches Potenzial und Potenzial für den individuellen Rezeptionsprozess. Für die Lehrkräfte ist die Erzählwürdigkeit von Geschichten ein wichtiges Kriterium der Textauswahl.

      7) Die fiktionale Variante der narrativen Diskursform (Kap. 3.3)

      Die Rezeption fiktionaler Diskurse bietet Möglichkeiten ästhetischen Erlebens. Der fiktionale Charakter des narrativen Diskurses bietet dem mündlichen Fremdsprachenunterricht Diskurse mit Erlebnis- und Darstellungsqualität und liefert Lehrenden und Lernenden Chancen, sich nicht nur mit dem Was der Geschichte, sondern auch mit dem Wie der Gestaltung zu beschäftigen. Der Als-Ob-Charakter des Fiktionalen kann zum Erleben, Anwenden, Reflektieren von Geschichten genutzt werden.

      8) Das Märchen als Prototyp des Narrativen (Kap. 3.4, 3.5)

      Der Bekanntheitsgrad der Märcheninhalte und -strukturen, die Kürze des Märchens, die Fokussierung auf die äußere Handlung, die binäre Figurenkonstellation, d.h. die Fokussierung auf den ‚Kern des Narrativen‘, erleichtern die Rezeption in der Fremdsprache. Das Zauberhafte des Märchens fungiert als Verstärkung des pacte de fiction für jede Zielgruppe. Bekanntheitsgrad, Gattungskonventionen, Prototypeninkarnation, Merkmale konzeptioneller Mündlichkeit und ggf. Doppeladressierung machen das Märchen zu einem geeigneten Genre für das mündliche Erzählen in der Fremdsprache auf unterschiedlichen Niveau- und Jahrgangsstufen.

      9) Die Medialität der direkten Mündlichkeit bei Erzählperformances (Kap. 3.5.1)

      Die kommunikative Nähe der face-to-face Kommunikation bietet vielfältige Möglichkeiten, die narrative Kommunikation in engem Kontakt zwischen Lehrenden und Lernenden einerseits und zwischen Erzählwerk und Rezipierenden andererseits zu gestalten. Weitere Merkmale des Mediums wie Flüchtigkeit, Irreversibilität und Linearität der Produktion und Rezeption ‚zwingen‘ Erzählende und Rezipierende, den besonderen Charakter des Mediums in die Kommunikation einzubeziehen. Die Erzählenden müssen die Flüchtigkeit der mündlichen Kommunikation durch Maßnahmen ausgleichen, die das spontane, augenblickliche Verstehen fördern. Mittel dazu stellt ihnen die Verfasstheit des Mediums als Kompositmedium durch ein reiches Angebot non-verbaler Gestaltungsmittel zur Verfügung. Die Erzählenden können die mündliche Situation aber auch nutzen, um in Reaktion auf die Situation und ihr Publikum ihren Diskurs spontan zu verändern. Für die Zuhörerschaft bietet die Kommunikation in direkter Mündlichkeit die Chance auf Mitgestaltung des Diskurses und auf das Erproben medienspezifischer Verstehens- und Memorierungsstrategien.

      10) Die konzeptionelle Mündlichkeit (Kap. 3.5.2 und 3.5.3)

      Das Erzählen in Mündlichkeit kann den Rezipierenden den Eindruck vermitteln, das Geschehen und die Reden der Figuren, d.h. die face-to-face-Situationen der fiktionalen Welt, fänden im Hier und Jetzt der direkten Kommunikation statt. Diese dem theatralischen Spiel mit der Gegenwärtigkeit der Situation (Kap. 4.1) vergleichbare Illusionsbildung wird nicht nur durch die mediale Mündlichkeit erzeugt, sondern ist auch der konzeptionellen Mündlichkeit des Diskurses zu verdanken. Durch Modellierung der text- bzw. diskursinternen konzeptionellen Mündlichkeit können Autorinnen und Autoren und reale Erzählende das Verhältnis von Distanz und Nähe zur fiktionalen Welt regulieren, die phatische und expressive Funktion gegenüber der referentiellen privilegieren, Memorierungshilfen geben und damit ihren Diskurs flexibel gestalten – je nach ästhetischem und pädagogischem Erzählkonzept und je nach kontextuellen Klassenraumbedingungen.

      4 Mündliches Erzählen als Performance: die Dimension des Performativen

      In diesem Kapitel werden die Potenziale der werkseitigen, performativen Dimension mündlichen Erzählens als Aufführung erforscht. Dabei werden die wesentlichen Merkmale einer Aufführung auf der Ebene des Systems1 (Kap. 4.1-4.4), der Norm (4.5) und der Rede (4.6) herausgearbeitet und auf das Erzählen als Performance bezogen. Kapitel 4.1 stellt die Ereignishaftigkeit der Aufführung in den Mittelpunkt. Kap. 4.2 untersucht die Nähe der Erzählperformance zum Theater. Diese Nähe bildet die theoretische Basis für die Erarbeitung des Kommunikationsmodells „Mündlich-fiktionales Erzählen als Performance“ (4.2.1). Kapitel 4.3 untersucht die Semiotizität der (Performance-)Aufführung auf der Ebene des Systems. Dazu werden die der Erzählperformance zur Verfügung stehenden Zeichen und Zeichenkombinationen aufgelistet und deren Funktionen und Wirkungsweisen in der Performanceaufführung erläutert. Mit der Erörterung des Prinzips der Verwandlung werden in Kapitel 4.4 die Merkmale der Aufführung miteinander verbunden, die Erlebnishaftigkeit von Aufführungen, deren Rahmung und deren Kommunikationsmöglichkeiten dargestellt.

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