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A votre santé. Karl L. Holtz
Читать онлайн.Название A votre santé
Год выпуска 0
isbn 9783849783372
Автор произведения Karl L. Holtz
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Sprechen wir also von den Coachs, die eine gediegene Ausbildung und eine professionelle Anbindung an qualitätssichernde Berufsverbände haben. Wie lassen sich hier die Scheibletten von den würzigen Comtés und Tome de Pyrenées abgrenzen?
Noch haben die Anzahl der Coachs nicht die Anzahl der Weingüter und die unterschiedlichen Coachingprofile nicht die Anzahl französischer Käsesorten erreicht, aber wenn die Ausbildungsangebote in gleichem Maße wachsen, wird sich das Verhältnis bald umdrehen. Einige befürchten sogar, dass bei dem gegenwärtigen exponentiellen Anwachsen des Marktes in einigen Jahren mehr Coachs als Einwohner vorzufinden sind. (Wein ist demgegenüber eine schneller verderbliche Ware, auch wenn die häufig zitierten Weinseen hier einiges befürchten lassen.)
Auch auf dem Coaching-Markt sind die Preisvorstellungen sehr unterschiedlich. Kolportiert wurden im Jahre 2015 Tageshonorare von durchschnittlich 1.200 €, bei einer Spanne von 180 € bis 15.000 € (deHaan 2015). In einer kürzlich durchgeführten Untersuchung, bei der geschulte, berufserfahrene Testkäufer im Rhein-Main-Kreis bei 794 Coachs anonym nach dem Preis für eine private Coachingstunde nachfragten (Maurer 2020), ergaben sich Preisspannen von 45 € bis 446 €. 57,4 % der Coachs verlangten Honorare zwischen 51 € und 150 € für 1 Stunde, lediglich 2,3 % ließen sich die Sitzung mit mehr als 250 € vergüten. Die Preissteigerung in den letzten 4 Jahren lag bei 18,9%, d.h. einem jährlichen Zuwachs von 4,7%. Alle befragten Coachs gehörten überregionalen Coachingverbänden an, 88,4% davon den Verbänden, die dem qualitätsorientierten Round Table der Coachingverbände (RTC) angeschlossen waren.
Nun ist es schwierig, die Aus- und Weiterbildungskosten der Coachs in ein vergleichbares Verhältnis zu setzen, da diese bei den ca. 300 Weiterbildungseinrichtungen in unserem Sprachraum zwischen ca. 300 € und 17.000 € liegen und demgemäß die fachlichen Voraussetzungen und Anforderungen sehr unterschiedlich sind.
Rechnen wir aber einmal die Ausbildungs- und Nebenkosten, ähnlich wie bei unserer Wein(mädchen)rechnung, mit ein, dürfte das in der Untersuchung festgestellte durchschnittliche Honorar von ca. 130 € inkl. MwSt. angemessen sein. Das wäre – analog zum Wein zu 35 € – etwa das anzupeilende Coachinghonorar ohne Kreativ- und Guru-Zulage.
Aber wie in der Weinbranche ist der geforderte Preis auch hier von anderen Bedingungen abhängig. Auch hier sind Angebot und Nachfrage, das vermutete Renommée sowie weitere Faktoren von Bedeutung.
Da ist zum einen die Feldkompetenz: Je nach Fragestellung sind im Coaching – eher als in allgemeinen prozessorientierten Beratungen – die jeweiligen Vorkenntnisse gefragt. Im Sportcoaching wird wie beim Training eine erfolgreiche Karriere des Coachs in der jeweiligen Sportart die finanziellen Vorstellungen beeinflussen. Im Persönlichkeitscoaching dürfte auf die Feldkompetenz in psychologischen oder psychotherapeutischen Feldern geachtet werden. Wenn ein Frisurencoach Prominente berät, nehmen wir als Beispiel die Bundeskanzlerin, dann erhöht sich dadurch die finanzielle Attraktivität des Urhebers, vor allem, wenn – wie in unserem Beispiel – deutlich sichtbar ist, wie erfolgreich das Coaching war. Der Erfolg mag auch noch auf die direkten Schüler des Meisters abstrahlen. Und die Strahlkraft der Meisterschüler finden wir auch in den »Master«-Auszeichnungen in aufbauenden Weiterbildungen wieder. Oftmals ist es wie bei den alten Weingütern: Wenn einmal der große Name etabliert ist, dann werden auch einige Rückschläge und Fehlentwicklungen nur langsam die Nachfrage zurechtrücken. Auch bei einigen Guru-Coachs hat sich gezeigt, dass die von ihnen behaupteten Qualifikationen eher den eigenen Wunschvorstellungen als den tatsächlich erbrachten Vorleistungen entsprachen. Geschadet hat es ihnen nicht, weil sie u. a. von einem System gestützt wurden, das der Maxime huldigt: Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg. Und das ist einer der wenigen Fälle, wo Tante Klaras Sprüche mal nicht zutrafen. Bei gegebenem Anlass pflegte sie zu sagen: »Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen, aber schon mancher vom Gerüst.«
Fassen wir zusammen. Ein herausragender Wein kann für ca. 35 € produziert werden, von einer Coaching-Stunde zu ca. 130 € kann man eine qualifizierte Beratung erwarten.
Höhere Preisvorstellungen können in beiden Bereichen zu außergewöhnlichen Erfahrungen führen, und vielleicht sollte man sich mal auf das Abenteuer einlassen, sich im oberen Preissegment zu bewegen. Meine bisherigen Erfahrungen waren eher ernüchternd. Einmal hätte es beinahe geklappt, als wir uns mit Freunden zum Jahrtausendwechsel eine Flasche Château d’Yquem Jahrgang 1970 gönnen wollten. Alle schwärmten von dem Geschmackserlebnis. Nur ich schmeckte wegen einer starken Erkältung so gut wie gar nichts und konnte nur gläubig zuhören
Wie alt darf ein Wein sein? Und wie alt ein Coach?
Sollte es sich bewahrheiten, dass in unserer Gesellschaft die leistungsoptimierte Jugend den Erfahrungen und der Abgeklärtheit des Alters vorgezogen wird, dann ist die Entwicklung im Weinsektor deren Spiegelbild. Weine werden eher für den frühen Verbrauch produziert. Den Vorstellungen alter Weinhasen, sich von edelfirnen und ausgereiften Weinen begeistern zu lassen, begegnet man zunehmend mit Unverständnis. Und die tagtäglichen Erfahrungen bestätigen diese Erkenntnis. Einige Weinliebhaber haben sich vor Jahren einen Weinkeller angelegt, Geburtsjahrgänge und Weine für bestimmte Gelegenheiten zurückgelegt und müssen nun feststellen, dass diese Weine leider ihre besten Jahre im Keller zugebracht haben. Die ursprünglich violett-rote Farbe präsentiert sich in einem undurchsichtigen Braun, der Wein schmeckt schal, nach Frucht oder Säure sucht man vergebens.
In der Tat gibt es Weine, die für einen alsbaldigen Verbrauch produziert werden, und Weine, die auch heute noch tunlichst gelagert werden sollten. Die Lagerfähigkeit hängt von verschiedenen Faktoren ab, z.B. von den Rebsorten oder der Art des Ausbaus. Wein ist ein lebender Organismus, und auch in der Flasche verändert sich die Qualität in die eine oder andere Richtung. Säuren und Tannine werden abgebaut, einige Rebsorten (z. B. Cabernet Sauvignon und Mourvedre) scheinen ihr volles Potenzial erst in der Flasche zu entfalten. Das einzigartige Zusammenspiel von Säuren, Alkohol, Luftzufuhr, Schwefel und unterschiedlichen anderen natürlichen Inhaltsstoffen lässt Weine reifen und führt bisweilen erst nach Jahren zu einem optimalen Genuss. Weine werden dadurch komplexer, bauen Ecken und Kanten ab und entwickeln Aromen, die zu grandiosen Geschmackserlebnissen führen können. Weinkenner behaupten, dass ganz große Weine ihr Potenzial und ihre Komplexität auch schon in der Jugend erkennen lassen.
Analogien zur menschlichen Entwicklung legen aber nahe, dass je nach »Reife« sehr unterschiedliche Aromen im Vordergrund stehen können, die primären (fruchtbetonten) Aromen der Jugend, die sekundären (würzigen) des mittleren Lebensalters und die tertiären (balsamischen) Aromen des Vorruhestands mit ihren Anklängen an Waldboden, Unterholz und Leder. Und nicht bei allen läuft die Entwicklung – wie im richtigen Leben – immer glatt und geradlinig. Einige pubertieren früher oder später, beginnen sich wieder zu verschließen, werden sperrig und wenig genießbar, und man tut gut daran, sich mit ihnen auf später zu vertrösten. Aber all das sind Weine, die eine Veranlagung zur Komplexitätsentwicklung mitbringen, und auch hier gilt Tante Klaras Maxime: »Man ist immer so alt, wie man sich fühlt.«
Ich habe es auch damals schon so verstanden, dass es weniger auf das chronologische Alter als vielmehr auf das biologische und psychologische Alter ankommt. Sicher gehört zum biologischen Alter auch die genetische Grundausstattung in ihrem Wechselspiel mit Umweltbedingungen. Auch bei den Weinen gibt es Exemplare, die ihr Potenzial in der Jugend, und andere, die es erst im reifen Alter entfalten. Und es gibt ganz große Beispiele, gewissermaßen die Goethes und Beethovens unter den Weinen, die auf jeder Altersstufe eine gewaltige Komplexität erkennen lassen und die man, je nach Vorlieben und Stimmung, auf unterschiedlichen Stufen genießen kann.
Dennoch gilt: Angebot und Nachfrage im Spiegel unserer gesellschaftlichen Vorstellungen haben dazu geführt, dass gegenwärtig mehr Weine produziert werden, die schon in der Jugend ihr volles Potenzial entfalten und denen man im Alter nichts sehnlicher wünscht, als dass sie baldmöglichst in den wohlverdienten vorgezogenen Ruhestand gehen.
Da viele Weine jedoch nach der Abfüllung in einen schockähnlichen Ruhezustand verfallen, empfiehlt es sich, die meisten zumindest ein paar Monate liegen zu lassen. Es ist wie bei einer zu flotten Geburt, bei der ein neuer Erdenbürger erst noch eine gewisse Zeit mit