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wie: »Coaching verhält sich zu Supervision wie eine wendige Yacht zu einem Luxusliner« (Pohl 2019, S. 3).

      Coaching ist der Champagner, Supervision der wärmende, besinnlichere Portwein. Beide führen nach hinreichendem Zuspruch dazu, die Welt anders zu sehen, alte Gewissheiten infrage zu stellen sowie sich wieder zuversichtlicher und handlungsfähiger zu fühlen. Viele Konsumenten werden den Weg zu den neuen Erkenntnissen irgendwie als unterschiedlich erleben, Champagner mag herausfordernder wirken, Port wärmt, tröstet und stärkt die Zuversicht, dass man durch eigenes Zutun auch missliche Lagen verändern kann. Diese Unterscheidung mag an den Erwartungen an das Getränk, am Kontext und – vielleicht zu einem geringeren Teil – an der Art des Weines liegen.

      Da ich ungern mit meinen Weinerfahrungen in Beratungssituationen gehe, habe ich mir (und wir vom ILBS3) folgende Unterscheidungsmerkmale überlegt, wie ich die beiden Beratungsformate je nach Kontext und Fragestellung vorschlage:

      » Coaching ist eine entwicklungsorientierte Form der Beratung und Begleitung, die berufliche und private Inhalte umfassen kann und auf Freiwilligkeit, Vertraulichkeit und der gegenseitigen Akzeptanz von Coach und Coachee basiert.

      Entwicklungsorientiert meint vorrangig die zielbezogene Stärkung und Erweiterung personaler, emotionaler und sozialer Kompetenzen. Dies soll den Coachee dabei unterstützen, kontextbezogene Ziele zu entwickeln und sein individuelles Handlungspotenzial zu größerer Entfaltung zu bringen. Somit wird er befähigt, bestehende und zukünftige Problem- und Konfliktsituationen eigenständig lösen zu können sowie gegenwärtige und zukünftige Herausforderungen zieldienlicher und auf eine dem individuellen Potenzial angemessenere Weise zu bewältigen.

      Das Coaching wird in Form einer begrenzten Reihe von Sitzungen durchgeführt und nimmt dabei Bezug auf kontextbezogene Problem-, Konflikt- und Herausforderungssituationen des Coachee. Im Vordergrund steht jedoch weniger die Veränderung dieser Situationen in spezifischen Kontexten. Diese werden vielmehr als Orientierungspunkte bei der Entfaltung und Veränderung individueller Handlungsmöglichkeiten gesehen und bewusst nicht auf Einzelsituationen oder -kontexte reduziert« (Holtz 2017).

      Supervision schlage ich vor allem dann vor, wenn weniger die Entwicklungsorientierung von Individuen oder Teams im Vordergrund steht, sondern die konkrete Veränderung von Problemlagen oder Konflikten im beruflichen Kontext. Es versteht sich von selbst, dass es zwischen beiden Beratungsformaten fließende Übergänge gibt. Es ist jedoch hilfreich, diese Übergänge im Prozess wahrzunehmen – zu wissen, welchen Hut man gerade aufhat –, da sich hieraus veränderte Angebote an den Klienten (z.B. Aspekte der Anleitung, Begleitung etc.) ergeben.

      Wenn ich zu Hause mit Freunden eine Weinprobe vorbereite, richte ich mich in der Auswahl zum einen nach den Vorlieben und Erwartungen meiner Gäste. Zu einem zufriedenstellenden Verlauf des gemeinsamen Abends gehört jedoch auch, dass ich darlege, was mich vor diesem Hintergrund dazu bewogen hat, die vorgestellten Weine auszusuchen. Gegebenenfalls biete ich auch Speisen an, die den Wein noch einmal in einem anderen Licht erscheinen lassen. Und jeder Gast hat natürlich die Möglichkeit, meine Auswahl für sich zu akzeptieren oder sich an dem einen oder anderen Vorschlag nicht zu beteiligen. Und wenn ich nun noch hinreichend zurückhaltend mit meinem Angebot bin (ein Kurzzeitberater würde sagen: Wenn ich nicht mehr tue, als nötig ist), dann kann ein solcher Abend gelingen. Diese Zurückhaltung bezieht sich natürlich auch auf meine Wertungen und die Darstellung meiner Vorlieben, d. h. auch darauf, wie groß meine Redeanteile an dem Abend sind.

      Zur Beantwortung dieser Fragen mag es allgemeine Qualitätsüberlegungen geben – aber auch subjektive, den eigenen Bedürfnissen und Vorlieben entsprechende. Ein wichtiges Kriterium ist unser Eindruck darüber, ob der Winzer bzw. der Coach »sein Handwerk versteht«. Es ist die Frage nach der Professionalität. Während man den Eindruck hat, dass in den USA, wo das Coaching ja seinen Ausgang genommen hat, eher die Frage im Vordergrund steht: »Was kann der Coach?«, stellt sich bei uns zunächst die Frage: »Was hat der Coach für eine Ausbildung?« Auch bei uns war im Mittelalter ein »Professor« eher einer, der für eine bestimmte Meinung, Überzeugung, »Berufung« und für besondere Fähigkeiten einstand (von lat. profiteri), heute ist ein Professor jemand, der – sicherlich aufgrund seiner speziellen Fähigkeiten und Motivation – eine bestimmte akademische Karriere durchlaufen hat, die sich inzwischen auch nach europäisch vergleichbaren Qualitätskriterien (EQR)4 einstufen lässt und das Berufsbild umschreibt. Und so meint »professionell« hierzulande auch ein Qualitätsmerkmal, das sich anhand bestimmter Kriterien beschreiben lässt.

      Zu diesen Kriterien, wann man von einer bestimmten Profession bzw. von professionell spricht, gehören:

       ▸ Es gibt einen bestimmten verbindlichen Wissensbestand z. B. über die Tätigkeitsmerkmale und die erforderlichen Kompetenzen der Berufsausübenden. Dieser manifestiert sich günstigstenfalls in einer gemeinsamen Theorie über eine Praxis, die unterschiedlichen Theorien zur Art der Berufsausübung noch genügend Platz lässt.

       ▸ Es gibt – zumeist staatlich geregelte – Aus- und Weiterbildungsvorschriften, die in Curricula transparent nachvollziehbar und überprüfbar sind.

       ▸ Auf dem Wege zur Professionalisierung arbeiten die damit befassten Institutionen auf ein Leistungsmonopol hin. Nur derjenige, der die genannten Voraussetzungen erfüllt, darf entsprechend tätig sein.

       ▸ Die Nachfrage einer Profession wird durch ein allgemein anerkanntes gesellschaftliches Bedürfnis bestimmt, das im gesamtgesellschaftlichen, staatlichen Kontext durch ein Mandat zur Berufsausübung festgelegt ist (vgl. hierzu auch Migge 2011, S. 19).

      Die Psychotherapeuten haben in der Auseinandersetzung mit dem Heilpraktikergesetz die Schritte zur Professionalisierung vorangebracht. Die Winzer haben allgemeine Berufsqualifikationen von der Meisterprüfung bis hin zum Önologiestudium mit Bachelor- und Masterstudiengängen, die sich den europäischen Qualitätskriterien EQR und DQR5 vergleichbar zuordnen lassen. Die Beratungsverbände, zunächst die der Berufsberatung, sind auf einem guten Weg zur Professionalisierung (vgl. die Bemühungen der DGfB). Und auch die Coachingverbände (z. B. der RTC6) diskutieren die nächsten Schritte eingehend.

      Was hier verhandelt wird, sind zunächst die notwendigen allgemeinen Ausbildungs- bzw. Ausbaukriterien. Aber diese bilden zunächst nur einen allgemeinen Rahmen: So, wie es unterschiedlich sorgfältige und (kosten)intensive Produktionsprozesse beim Wein gibt, finden wir auch sehr unterschiedliche Ausbildungsgänge auf dem Weg zum professionellen Coach. Die Einigung auf einige grundlegende Qualitätskriterien tut not, wie man den Bestrebungen der Dachverbände des Coachings entnehmen kann. Andererseits sollte darauf geachtet werden, dass durch solche Vorgaben unterschiedliche Angebote – die Innovation, Fragestellung, Kontext und Andersartigkeit repräsentieren – nicht nivelliert werden.

      Steht man dem umfangreichen Angebot also hilflos gegenüber?

      Was wären Kriterien, die uns helfen, Enttäuschungen zu vermeiden?

      Das Problem beginnt ja schon im Vorfeld: Woran erkenne ich einen guten Winzer bzw. einen guten Coach? Der Önologe mit einem Masterstudiengang (EQR 8) macht ja nicht kraft seiner Ausbildung einen besseren Wein als der Winzermeister (EQR 6). Wie praxisrelevant und hilfreich bei der Qualitätssicherung und -steigerung sind denn die einzelnen Ausbildungsgänge? Auch dies wird Gegenstand wissenschaftlicher Forschung in den einzelnen Professionen sein, aber derjenige, der vor einem Weinregal oder dem Klingelschild eines Coachs steht, wird deren Befunde nur selten als hilfreich ansehen.

      Es liegt nahe anzunehmen, dass diese Beurteilung mit meinen Erwartungen zu tun hat. Und die lassen sich wie bei einer guten Auftragsklärung anhand der »vier großen A« konkretisieren:

      1 1. Was ist der Anlass?

      2 2. Was ist das Anliegen?

      3 3. Was ist das Angebot?

      4 4. Was ist der Auftrag?

      Auf dem Weg zur Weinverkostung ist der Anlass wie im richtigen Leben zumeist unterschiedlich:

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