Скачать книгу

eines Coachs nicht willkürlich. In der Intelligenzforschung hat man sich auf eine Reihe übereinstimmender Kernthesen einigen können, zur wissenschaftlichen Standortbestimmung des Berufsbildes Coach ist eine Zusammenschau wesentlicher Merkmale dringend erforderlich.

      Die gegenwärtige Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass es mindestens so viele Coachingkontexte wie Weinlagen zu geben scheint: Frisurencoachs, Tanzcoachs, Lerncoachs, natürlich den Sportcoach, den Gesundheitscoach, den Mentalcoach usw.

      Jede Definition über das, was Coaching ist, ist ja nicht nur ein Streit über Worte, jede Definition ist als Aussage darüber zu verstehen, was zu dem Begriff gehört und was nicht, welche Merkmale unabdingbar und welche marginal sind. Definitionen sind also als Versuch zu verstehen, eine Theorie darüber zu formulieren, was denn eigentlich der Fall ist. Diese Definitionen sind per se nicht richtig oder falsch, sie sind als Einladungen von Definierern oder Theoretikern zu verstehen, empirische Sachverhalte mal unter einer bestimmten Fragestellung und in dieser Zusammenschau zu sehen. Manchmal – ja: häufiger, als man annehmen sollte – sind solche Einladungen auch werbewirksame Angebote, gewissermaßen zu einer (theoriegeleiteten, erkenntnisleitenden?) Tupperware-Veranstaltung. Die Wissenschaftstheoretiker nennen so etwas dann interessenbezogene, persuasive Definitionen (Gabriel 2004). Diese sind im Übrigen in der Definition von Weinen seit einiger Zeit untersagt (»Gesundheitswein«, »für Diabetiker geeignet« etc.).

      Gesundheitsbezogene Angaben müssen bei alkoholischen Getränken mit Inkrafttreten der sog. Health-Claims-Verordnung (HCVO) entfallen. Für Getränke mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 Volumenprozent dürfen nach Art. 4 Abs. 3 der HCVO überhaupt keine gesundheitsbezogenen Hinweise angegeben werden.

      Bei all der Vielfalt unterschiedlicher Sorten und Ausbaumethoden gibt es für Wein ein zentrales Definitionsmerkmal:

      Wein ist ein Getränk, das von Früchten der Weinrebe stammt und laut EU-Gesetzgebung mindestens 8,5 Volumenprozent Alkohol enthält. Hierzu zählen auch Variationen wie Likörwein, Schaumwein und noch nicht ausgegorene Neue Weine (Federweißer), nicht aber per definitionem Obstweine (weinähnliche Getränke) oder weinhaltige Getränke (Weinschorle, Sangria). Getränke, die aus stärkehaltigen Grundstoffen vergoren werden (z. B. Reiswein), dürfen noch nicht einmal als weinähnlich bezeichnet werden.

      Wenn man also von Wein spricht, weiß man auch, worüber man spricht. Und das Wissen um einen Sachverhalt soll förderlich für den tagtäglichen Diskurs sein.

      Gibt es nun auch solche zentralen, unabdingbaren, für eine Definition des Coachings notwendigen Merkmale – möglichst solche, die auch von anderen Formen unterstützenden Handelns verschieden sind? Wie unterscheidet sich Coaching von Supervision, Beratung, Therapie oder Begleitung? Ist Coaching dasselbe wie Beratung und Supervision (als Beratung im beruflichen Kontext), nur teurer, weil u. a. Führungskräfte und Experten am Werk sind? Und wenn der Vater seinen Sohn als Lerncoach coacht, kann er das eigentlich nur tun, wenn er in seinem Zögling eine künftige Führungskraft sieht? Denkt das Bildungsministerium Baden-Württemberg daran, im Ländle eine künftige Führungselite und Experten zu bilden, wenn sie Lehrern die Funktion von Lerncoachs zuweist?

      Gibt es dann, wenn man sich auf eine trennscharfe Definition des Coachings geeinigt hat, in Analogie zur Weinsystematisierung auch so etwas wie

       ▸ Coaching im weiteren Sinne

       ▸ coachinghaltige Strategien

       ▸ coachingähnliche Strategien und dann noch

       ▸ Kriterien, wann Interventionen nicht mehr als Coaching bezeichnet werden sollten?

      Und vor allem ist die Frage interessant: Warum gibt es diese klaren Kriterien beim Wein, aber noch nicht beim Coaching?

      Man kann vermuten, dass es mit der längeren Tradition des professionellen Weinbaus zusammenhängt. Wird ein Metier professionell betrieben, hat der Erzeuger auch ein Interesse daran, auf dem Markt zu bestehen. Und das schafft man dadurch, dass man sich qualitativ abgrenzt, also die Unterschiede zu anderen betont. Diese Betonung der Unterschiede hat im Weinbau sicherlich dazu geführt, dass Qualitätskriterien diskutiert, Unterschiede analysiert wurden und mit dieser Diskussion auch eine wissenschaftliche Erforschung relevanter Merkmale einsetzte. Das Ergebnis dieser langen Tradition kann sich sehen lassen: Aus dem unspezifischen Getränk Wein wurden qualitativ unterschiedliche Weine, Tafelwein, Landwein, Qualitätswein einerseits, aber auch eine selbstbewusste Darstellung unterschiedlicher Qualitäten in den verschiedenen Anbauzonen, die nebeneinander bestehen konnten und Angebote für individuelle Vorlieben und Anlässe machten. Aus dem Entweder-oder wurde so nach und nach ein Je-nachdem. Natürlich spielten hier auch geschicktes Marketing und ein Bestreben nach Manipulation des Publikumsgeschmacks mit. Mosel- und Bordeaux-Weine sind unvergleichbar und können unvergleichlich gut sein, beide beziehen sich auf notwendige Merkmale, was einen guten Wein ausmacht. Die wissenschaftliche Begleitung der Weinwirtschaft hat entscheidend zu dieser kontrollierten Vielfalt beigetragen, aber man muss sich dessen bewusst sein, dass es auch in der Wissenschaft keine »unbefleckte Erkenntnis« (Nietzsche) gibt.

      Jede Definition will ja nicht die wirkliche Wirklichkeit beschreiben, sie ist vielmehr als eine Einladung eines Wissenschaftlers zu verstehen, ihm bei seiner Zusammenschau empirischer Sachverhalte, seiner Theorie, zu folgen. Diese Definition und die damit verbundene Theorie ist ein möglicher Ordnungsversuch, bei dem sie sich nun daran beweisen muss, ob sie die gemeinten Phänomene auch praktikabler erklären und vorhersagen kann. Definitionen sind also nicht richtig oder falsch, sie sind mehr oder weniger nützlich oder viabel. In der Anfangszeit der Unterschiedsbildung sind die Reaktionen der Fachwelt zunächst heftiger und pointierter – ich erinnere mich an die frühen Auseinandersetzungen zwischen Psychoanalyse und Verhaltenstherapie. Nach und nach geht man aber bereitwilliger auf die Unterschiede ein und versucht, diese für die Präzisierung eigener Denkmodelle zu nutzen. Bei aller Konzilianz anderen Modellen gegenüber darf aber nicht vergessen werden, dass die Theorienbildung – auch die eigene – stets von mehr oder weniger impliziten Interessen geleitet wird. Manche Akzentuierungen von Qualitätsunterschieden bei Weinen stellen sich bei genauerer Betrachtung als übertrieben dar. Im Laufe der Zeit und mit zunehmender Kennerschaft weiß der Konsument aber, solche Übertreibungen zu relativieren.

      Eine ähnliche Entwicklung wie in den Anfangsjahren der Qualitätsdiskussion im Weinbau kann man auch auf dem relativ jungen Feld der Coachingbranche beobachten. Die Definitionen einzelner Coachingverbände lassen dieses interessengeleitete Handeln erkennen. Der Kuchen – um mal ein anderes Genussmittel heranzuziehen – muss ja erst noch verteilt werden.

      Beginnen wir mit der Definition des Round Table, eines Zusammenschlusses verschiedener führender Coachingverbände.

      Coaching als bestimmtes Beratungsformat wird zunächst von der Expertenberatung abgegrenzt (im angloamerikanischen Raum wird eine Unterscheidung zwischen Counseling und Consulting getroffen, zwischen Experten und Prozessberatung; in unserem Sprachraum wird auf Anregung der DGfB1 u. a. zwischen informativer und reflexiver Beratung unterschieden):

      » Im Unterschied zur reinen Fachberatung versteht sich Coaching als eine Form der reflexiven Beratung, in der die Ressourcen des Klienten erschlossen werden und der Klient zur selbständigen Aufgabenbewältigung befähigt wird. Coaching setzt daher die Bereitschaft zur aktiven Beteiligung des Klienten voraus – auch dann, wenn die Beratungsleistung durch Dritte (insbesondere durch den Arbeitgeber) finanziert wird« (Roundtable Coaching 2014, S. 2).

      Ein Unterschied zur (reflexiven) Beratung wird also nicht gemacht. Unterschieden und somit als nicht dazugehörig definiert wird lediglich Expertenberatung, Weiterbildung und Psychotherapie genannt. Das ist ein großes Stück aus dem Kuchen sozialer Unterstützungssysteme. Wenn wir eine imaginierte Getränkekarte bemühen, ist nahezu alles Wein, drei weinähnliche Getränke werden in Abgrenzung genannt. Eine solche Aufteilung durch den Round Table ist nachvollziehbar, wird doch im Folgenden auch auf die Notwendigkeit verwiesen, eine qualifizierte Ausbildung anzustreben:

      » Dem Roundtable der Coachingverbände ist es ein besonderes Anliegen, die Qualifizierung zur Ausübung des Coachings im Kontext vergleichbarer Qualifizierungen für andere gesellschaftlich

Скачать книгу