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ihm das Telefon zurück.

      Er nimmt nicht ab.

      Gut. Zur Sicherheit klingeln wir mal.

      Nichts rührte sich.

      Dann warten wir halt ein bisschen. Da vorne ist eine Bank.

      Sie setzten sich.

      Es ist vielleicht noch etwas zu früh, ich glaube, hier wohnen lauter Langschläfer.

      Er lachte.

      Spüren Sie nicht auch, wie die hier alle schlafen? Ich glaube, ich höre sogar ihr Schnarchen. Die Geschäfte sind auch noch nicht geöffnet. Dabei ist es schon nach neun vorbei.

      Lena betrachtete ihn von der Seite.

      Sie sind ja richtig gut gelaunt. Gibt es einen bestimmten Grund?

      Na ja, keine Ahnung. Ich liebe meinen Beruf.

      Er blickte zum Himmel.

      Das Wetter hält sich auch ziemlich gut. Was wollen Sie mehr?

      Was er ihr verheimlichte, war sein Rendezvous mit Mali heute Abend. Diese Aussicht hob seine Laune beträchtlich, denn Von der Werdt hatte ihm gestern die Freude am neuen Fall schon ziemlich verdorben. Andererseits war die Arbeit mit Lena recht gut an­gelaufen. Aber vielleicht sollte er sich besser wieder ein bisschen grantiger geben.

      Dass Michel dazu sehr schnell einen handfesten Grund haben würde, konnte er nicht ahnen.

      Er lehnte sich zurück, schloss die Augen und stellte sich vor, wie der Abend mit Mali verlaufen würde. Ob sie verheiratet war? Sein Gefühl sagte ihm Nein, aber man konnte ja nie wissen …

      In diesem Augenblick klingelte sein Telefon. Michel nahm ab. Es war Von der Werdt, der ihn sofort in sein Büro beorderte.

      Kann das nicht ein wenig warten, wir sind gerade vor der Wohnung von Beckmanns Sohn, um mit ihm zu sprechen.

      Offenbar widersprach der Chef vehement, Michel sagte kein Wort mehr und stand auf.

      Er kochte.

      Wir müssen sofort zurück ins Büro. Anordnung von oberster Stelle. Es sei ganz wichtig. Mein Gott, der macht mich wahnsinnig.

      Lena seufzte, verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse.

      Marmarameer.

      Sie sagen es!

      Von der Werdt kam sofort zur Sache.

      Dr. Gschwend vom Gerichtsmedizinischen Institut hat angerufen. Die haben DNA-Spuren auf dem Messergriff gefunden. Wir haben einen Abgleich mit unserer Datei gemacht und –

      Er strahlte wie ein Junge, der seine Eisenbahn unter dem Weihnachtsbaum auspackt.

      Et voilà: Hier haben Sie den Täter. Sie müssen ihn nur noch verhaften.

      Er übergab Michel eine äußerst dünne Akte und setzte sich – ein Ausbund an Zufriedenheit – auf die Ecke seines ausladenden Schreibtischs und wartete auf den verdienten Applaus.

      Michel blätterte in der Akte. Von der Werdt wandte sich an Lena.

      Bekim Berisha, so heißt er. Ein mehrfach vorbestrafter Täter: Drogen, Einbrüche, Diebstähle, tätliche Angriffe. Das übliche Programm. Er ist neunundzwanzig Jahre alt. Kam mit seinen Eltern in die Schweiz, als er fünfzehn Jahre alt war, und mit siebzehn Jahren das erste Mal mit dem Gesetz in Berührung. Schon zweimal im Knast.

      Michel knurrte.

      Und der hat ihn wie üblich zu einem besseren Menschen ge­macht.

      Von der Werdt feixte.

      Sie haben recht, wir hätten ihn gleich abschieben müssen.

      Jetzt regte sich Lena auf.

      Und das hätte aus ihm dann einen noch besseren Menschen gemacht, meinen Sie. Er hat hier sein ganzes Leben verbracht und die ganze Schulzeit.

      Von der Werdt beachtete sie gar nicht. Michel blickte jetzt von der Akte auf.

      Haben Sie die Akte zu Ende gelesen? Seit drei Jahren hat er sich nichts mehr zuschulden kommen lassen und jetzt macht er eine Lehre als Automechaniker, kurz vor dem Abschluss. Er hat einen Beistand, der ihm ein sehr gutes Zeugnis ausstellt.

      Von der Werdt zuckte mit den Schultern.

      Na ja, das wird sich alles herausstellen. Sie holen ihn, und wir verhören ihn.

      Er grinste übers ganze Gesicht.

      Sehen Sie, wie schnell das gehen kann?

      Michel ignorierte das.

      Wann wird die Leiche freigegeben?

      Morgen früh.

      Michel nickte.

      Können wir dann gehen?

      Von der Werdt sprang auf und klatschte in die Hände.

      Ja, auf was wartet ihr noch? Los, los, an die Arbeit.

      Bis sie im Auto saßen, sprach Michel kein Wort. Mit grimmigem Gesicht ließ er den Motor an.

      Zuerst holen wir aus dem Labor das Messer.

      Er schüttelte den Kopf.

      Woher soll so ein Junge denn so ein teures Messer haben, frage ich mich. Was meinen Sie?

      Keine Ahnung. Wer hat überhaupt so ein Luxusmesser? Und warum?

      Na ja, es gibt Liebhaber, die Waffen aller Art sammeln, auch Messer. Meistens werden diese im Alltag gar nicht verwendet.

      Verstehe.

      Lena putzte ihre Brille.

      Aber wie kommt denn die DNA auf den Griff? Ich nehme an, so etwas ist hieb- und stichfest, oder?

      Michel seufzte.

      Im Allgemeinen schon. Es wurden zwar auch schon irgendwelche Fläschchen verwechselt, aber das ist hier nicht anzunehmen. Wir holen das Messer und zeigen es ihm, dann schauen wir, wie er reagiert.

      Lena nickte.

      Michel fuhr in den Innenhof des Labors.

      Sie warten hier. Ich hole das Messer. Ah ja, Sie könnten Frau Beckmann anrufen und sagen, dass ihr Mann morgen freigegeben wird, also der Leichnam ihres Mannes, wollte ich sagen.

      Mach ich.

      Als Michel mit dem Messer zurückkam, verabschiedete sich Lena gerade von Frau Beckmann.

      Und? Machen Sie Fortschritte?

      Wie meinen Sie das?

      Michel steckte den Schlüssel in das Zündschloss.

      Entwickelt sich eine Beziehung zwischen Ihnen und der alten Beckmann?

      Na ja, es ist schwer zu sagen, immerhin ist sie nicht mehr ganz so abweisend. Am Anfang hat sie mich ja sozusagen ignoriert. Aber eine Beziehung wird das nie, das glaube ich nicht.

      Michel wiegte den Kopf.

      Das kann man vorher nie wissen.

      Er lächelte, denn er dachte dabei an Mali.

      Gleich sind wir bei der Garage, wo er arbeitet.

      Lena legte ihre Hand auf Michels Arm.

      Ist für ihn natürlich eine Katastrophe, wenn die Polizei an seinem Arbeitsplatz auftaucht, oder? Vielleicht sollte ich mal hingehen und fragen, ob er überhaupt da ist. Was meinen Sie?

      Michel fuhr an der Garage vorbei und parkte direkt um die Ecke.

      Sie schauen nur nach, ob er da ist. Verstanden? Hier gucken Sie sich nochmals das Bild an.

      Sie studierten noch einmal das Foto. Michel grinste.

      Auf einem Polizeifoto würden wir alle wie Verbrecher aussehen. Vielleicht hat er jetzt ja lange Haare.

      Lena nickte und stieg aus dem Auto. Er blickte ihr im Rückspiegel nach.

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