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auf und ab. Als er Michel sah, kam er gleich auf ihn zu. Michel hob beschwichtigend die Hand.

      Moser, Sie müssen sich nicht aufregen, Sie können eh nichts ändern. Ihr Schützling steht unter einem schweren Tatverdacht. Es gibt wie immer zwei Möglichkeiten: Entweder ist es ein vertrackter Irrtum oder er ist schuldig. Ich werde das klären, und Sie müssen das aushalten.

      Moser nickte.

      Um was geht es denn?

      Das darf ich Ihnen nicht sagen.

      Auch mir, seinem gesetzlichen Beistand nicht?

      Nein, aber Sie könnten mir ja etwas über ihn erzählen.

      Ja, da gäbe es einiges zu sagen. Ich fang mal mit dem Wichtigsten an. Wie Sie sicher wissen, hatte er eine schwierige Jugend und ist schon früh mit dem Gesetz in Berührung gekommen. Er hat sich dann gefangen und ist nun auf einem wirklich guten Weg. Und wissen Sie warum? Er hat ein sehr nettes Mädchen gefunden. Und sie stützt ihn und hilft ihm, wo sie nur kann. Bald macht er seinen Lehrabschluss. Eine erstaunliche Karriere, wenn man be­denkt, wie er angefangen hat.

      Das klingt doch gut, Moser, aber nach Ihrem Gesicht zu schließen, gibt es da einen Haken.

      Moser grinste mürrisch.

      Haken? Das ist mehr als ein Haken. Das Mädchen ist Schweize­rin!

      Michel guckte verblüfft.

      Ja, und?

      Gut. Ich sehe, Sie haben keinen blassen Dunst von konservativen kosovo-albanischen Verhältnissen.

      Nein, das habe ich tatsächlich nicht.

      Das Mädchen wird von Bekims Eltern total abgelehnt, das heißt im Klartext: Sie wird von der ganzen Sippe abgelehnt. Das sind, über den Daumen geschätzt, zwischen hundertfünfzig bis dreihundert Personen. Es können auch mehr sein. Wenn sie die im Kosovo dazunehmen, sind es noch mehr. Die alle sind gegen diese Verbindung. Heirat ausgeschlossen. Bekim muss sich von dem Mädchen trennen, sonst wird er ausgestoßen – oder Schlimmeres.

      Michel regte sich jetzt wirklich auf.

      Warum lehnen die eine Schweizerin ab? Sie leben doch alle in der Schweiz.

      Mosers Lachen war bitter.

      Ja, aber sie wollen unter sich bleiben. Sie wollen sich nicht mit uns vermischen. Sie haben Angst, dadurch ihre Identität zu verlieren. Muslimin könnte sie ja noch werden, aber auch das wäre nicht gerne gesehen.

      Gut. Jetzt habe ich es verstanden. Aber das hat nun mit unserem Fall nichts zu tun. Entweder ist er in die Sache verwickelt oder nicht. Das kann ich jetzt auf die Schnelle auch nicht ändern.

      Er nahm ihn am Arm und führte ihn zurück zu der Zimmertür.

      Wir überprüfen all seine Angaben und dann sehen wir weiter.

      Die Tür öffnete sich und Lena kam heraus. Sie reichte Michel das Buch und den Stift.

      Wir haben alles.

      Gut. Schreib bitte noch die Nummer von Herrn Moser auf. Ich gebe Ihnen meine Karte.

      Moser nestelte in seiner Mappe.

      Ich habe auch eine Karte.

      Sie verabschiedeten sich und gingen zurück zum Auto.

      Auf das Gesicht vom Chef bin ich gespannt.

      Michel kicherte.

      Können Sie eigentlich Auto fahren?

      Lena nickte.

      Dann fahren Sie jetzt.

      Er gab ihr den Schlüssel, setzte sich ins Auto und öffnete das Notizbuch.

      Wir fahren erst zu Berishas Wohnung. Das Gesicht vom Chef kann warten.

      Er nannte ihr die Adresse.

      Drei Familiennamen seiner sogenannten Kollegen sind ja gleich. Die anderen zwei haben auch den gleichen Namen. Die waren bestimmt alle aus dem Familienclan.

      Lena nickte.

      Ist mir auch aufgefallen.

      Sie mussten in einen dieser trostlosen Vororte fahren, wovon die Hauptstadt trotz ihrer prächtigen Altstadt einige zu bieten hat. Vor einem ziemlich heruntergekommenen Plattenbau parkten sie. Michel beugte sich über die Namensschilder.

      Kein einziger Schweizer Name. Also, Berisha wohnt im dritten Stock.

      Er richtete sich stöhnend auf.

      Wir haben vergessen zu fragen, wo er gestürzt ist. Wir fangen mal unten an. Vielleicht ist auch niemand zu Hause.

      Er klingelte bei den beiden untersten Wohnungen. Keine Reaktion. Dann drückte er die beiden nächsten. Die Tür öffnete sich mit einem lauten Surren.

      Sie gingen ins zweite Stockwerk, da war eine Tür nur angelehnt. Michel klopfte. Es erschien eine ältere Frau mit Kopftuch.

      Guten Tag. Das ist Frau Steiner, ich bin Serge Michel. Wir sind von der Polizei und haben nur ein paar Fragen.

      Sie nickte, sagte aber kein Wort zu ihnen. Sie drehte sich und rief irgendetwas auf Türkisch in die Wohnung. Es kam ein etwa sechsjähriges Mädchen, das sie mit neugierigen und aufgeweckten Augen anschaute.

      Guten Tag. Meine Großmutter kann kein Deutsch. Ich übersetze. Was wollen Sie?

      Wir sind von der Polizei und möchten einige Fragen zur Nacht vom Samstag auf Sonntag stellen.

      Das Mädchen übersetzte. Die Großmutter nickte und brummelte was.

      Was wollen Sie wissen?

      Kennen Sie Bekim Berisha? Er wohnt über Ihnen im dritten Stock.

      Das Mädchen nickte eifrig.

      Ja, ja, wir kennen ihn. Er ist sehr nett. Er hat mir schon Süßigkeiten gegeben. Das dürfen Sie aber Großmutter nicht sagen.

      Nein, nein, das sagen wir nicht. Frag bitte deine Großmutter, ob sie weiß, dass Herr Berisha hier die Treppe hinuntergestürzt ist und sich das Bein gebrochen hat.

      Das Mädchen übersetzte. Zeigte mit ihren Händen auf das Bein. Großmutter antwortete. Das Mädchen wendete sich wieder zu Michel.

      Sie hat ihn schreien hören. Sie hat aber nicht verstanden, was er geschrien hat.

      In diesem Moment hörte man die Haustür. Das Mädchen strahlte.

      Das ist meine Mama. Sie kommt vom Putzen.

      Sie guckte über das Geländer.

      Hallo Mama.

      Eine junge Frau mit einem sehr hübschen Gesicht, auch mit Kopftuch, kam die Treppe hoch. Sie schien müde und abgekämpft. Sie blieb erschrocken stehen, als sie Michel und Lena sah.

      Hören Sie, Alisa wird sofort in den Kindergarten gehen.

      Sie sprach türkisch und das Kind verschwand in der Wohnung.

      Ich bin heute etwas später dran. Aber ich kann meine Mutter nicht allein lassen.

      Michel hob beschwichtigend die Hände.

      Wir sind nicht deswegen hier. Beruhigen Sie sich.

      Er blickte vielsagend zu Lena.

      Wir sind von der Polizei und möchten etwas über Herrn Beri­shas Treppensturz in der Nacht vom Samstag auf Sonntag erfahren. Was wissen Sie davon? Haben Sie seine Schreie auch gehört?

      Ja, sicher. Ich bin raus zu ihm und habe dann den Krankenwagen gerufen. Das war so gegen vier Uhr. Habe ich einen Fehler gemacht? Hätte ich das nicht tun sollen?

      Doch, doch. Das war wunderbar von Ihnen. Haben Sie denn auch seinen Sturz gehört?

      Sie überlegte kurz.

      Nein, ich habe ja geschlafen. Vielleicht hat mich der Lärm des Sturzes geweckt, aber bewusst wahrgenommen habe ich erst seine Hilfeschreie.

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