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"Wenn Du absolut nach Amerika willst, so gehe in Gottesnamen!". Heinrich Lienhard
Читать онлайн.Название "Wenn Du absolut nach Amerika willst, so gehe in Gottesnamen!"
Год выпуска 0
isbn 9783857919183
Автор произведения Heinrich Lienhard
Жанр Документальная литература
Серия Das volkskundliche Taschenbuch
Издательство Bookwire
Karte von «Highland oder Neu Schweizerland» und Umgebung von 1847 (Ausschnitt) mit den Namen der Siedler, unter anderen westlich der Stadt Ruefs Farm («Ruff»), die Jacob Schütz 1843 noch bewirtschaftete,
südwestlich davon dessen eigene Farm und im Südosten Seneca Gales Farm. Nördlich der Stadt die Farmen der Gebrüder Ambühl.
Schütz war seit einigen Jahren mit der verwitweten Tochter eines Schweizer Farmers verheiratet,120 eine Verbindung mit einer besonderen Geschichte. Die Frau hatte vier oder fünf Monate nach der Hochzeit eine Tochter geboren, worauf Schütz, der sich getäuscht und betrogen fühlte, sie aus dem Haus weisen wollte. Erst jetzt erfuhr er von ihr, dass sie vor der Heirat mit einem anderen, mittellosen jungen Mann verlobt gewesen sei und diesen auch habe heiraten wollen. Ihr Vater habe sie aber, obwohl er von ihrer Schwangerschaft gewusst habe, gezwungen, ihren Verlobten aufzugeben und stattdessen den wohlhabenden Schütz zu heiraten. Nachdem seine Frau ihm alles erzählt hatte, gab Schütz ihrem Bitten nach, und sie durfte mit dem Sohn Fritz aus erster Ehe bei ihm bleiben. Lienhard erinnert sich, dass Schütz und seine Frau zwar getrennt, aber doch unter einem Dach und in gutem Einvernehmen lebten. Die kleine Tochter Maria allerdings wurde bei einer anderen Familie untergebracht.
Als Schütz im März 1844 einmal am Haus jener Familie vorbeiritt, sah er das kleine Mädchen spielen. Er ging zu ihm hin, sprach einige Worte mit ihm, worauf Maria so spontan und freundlich reagierte, dass sie sein Herz offenbar im Sturm eroberte und er beschloss, die Kleine in seinem Haus aufzunehmen. Als Lienhard mit Jacob Leder Anfang März bei Schütz um Arbeit nachgefragt hatte, war Maria erst ein oder zwei Tage bei ihm, und das Bild, das sich ihm und Jacob damals bot, blieb ihm unvergesslich: «Wir fanden das Kind fast beständig an der Hand des alten Schütz, der ihre vielen Fragen kaum alle beantworten konnte. Aber er sah Glücklich aus, musste oft lachen und freute sich offenbar, endlich ein Kind gefunden zu haben. Gleich als ob das kleine Mädchen das Unrecht ihrer Mutter an Schütz wieder gutmachen wollte, war es überall bereit und zur Hand, ihrem väterlichen Wohlthäter behülflich zu sein, und zeigte nicht die geringste Scheu oder Furcht vor fremden Menschen, weder vor Pferden oder Vieh, so dass der Anblick dieses kleinen, lebhaften Wesens besonders geeignet war, das Antlitz des Vater Schütz aufzuheitern.»121 Nur den Schwiegervater, bemerkt Lienhard, habe er in Schütz’ Haus nie angetroffen.
Heinrich Lienhard lernte viel auf der Farm, sowohl im Umgang mit Pferden, was ihm später in Kalifornien zugute kam, als auch in der Landwirtschaft. Eine neue Arbeit erklärte ihm Schütz jeweils kurz und überliess ihn dann bald sich selbst. Im April 1844 gingen sie eines Morgens zusammen auf ein grosses Maisfeld, auf dem Lienhard die Maisstengel bereits abgehackt und zerkleinert hatte, und Schütz zeigte ihm nun, wie er mit Pferd und Pflug umzugehen habe, um das Feld noch zu pflügen. Nach ein paar Runden fand Schütz, Lienhard werde jetzt schon allein zurechtkommen, und liess ihn verdutzt allein zurück. Sein erster Impuls war, alles stehen zu lassen und Schütz ins Haus zu folgen; er entschied sich dann aber, vorher wenigstens eine Runde zu versuchen. «Ich lenkte meine Pferde so gut es eben gieng, und es gieng natürlich schlecht genug, da ich meinte, ich könne meine Augen nicht zu gleicher Zeit auf die Pferde und den Pflug halten. Zudem wurde der Pflug anfangs jeden Augenblick durch die vielen sich zusammenstauenden Maisstengel aus der Furche gehoben. Da gab es dann eine schöne Wülerei: Haufen [von] Maisstengeln mit Grund vermischt, der Pflug oft fast bis an den Baum im Grunde oder im nächsten Augenblick ganz aus Demselben, und die Furchen (wenn sie überhaupt diesen Namen verdienten) bald rechts, bald links aus der Richtung. Mit Schweiss förmlich bedekt, hatte ich endlich die erste Runde gemacht, und fast glaubte ich, schon eine geringe Verbesserung wahrzunehmen. Die Zweite Runde folgte, und jetzt war ich überzeugt, dass es bereits besser gieng. Mit jeder Runde wurden die Furchen besser, und mit jeder Besserung wuchs mein Eifer und schwand meine Verzagtheit, und noch ehe man mir mit dem Horn zum Mittagessen blies, war ich zu der Ansicht gekommen, dass ich wahrscheinlich ebenso gut pflügen könne als fast jeder Andere, und das Pflügen war mir bald mehr zum Vergnügen als zu einer anstrengenden Beschäftigung geworden.»122
Dank Schütz fühlte sich Lienhard nach einem halben Jahr richtig wohl in Neu-Schweizerland: «Der Monat April war sehr schön und Angenehm, und ich fühlte mich beim Pflügen mit meinen zwei vortrefflichen Pferden so glücklich, wie ein junger Mensch mit gutem Gewissen [und] voll Hoffnung für die Zukunft nur kann. Ich wetteiferte mit den Lerchen des Feldes im Singen und Pfeifen und pflügte dabei drauflos, dass es eine wahre Freude war. Selbst die Pferde schienen meine Stimmung zu theilen, die ganze Natur war voll fröhlichen Lebens.»123 Schütz erklärte ihm eines Tages, dass er seine Pferde nicht so streng brauchen dürfe und dass die Tiere mittags wenigstens eine Stunde mehr Ruhezeit brauchten. Er solle nachmittags deshalb nicht vor zwei oder drei Uhr an die Arbeit zurückgehen. Erstaunt fragte ihn Lienhard, was er denn in der Zwischenzeit arbeiten solle, worauf Schütz lachend erwiderte, er könne tun, was ihm gefalle, nur zu arbeiten brauche er nicht.
Zu Beginn der Sommermonate begann in Highland regelmässig die gefürchtete Fieberzeit. Das Wechselfieber, eine Art von Malaria, war «eins der grössten Übel, die die Einwanderer zu ertragen hatten»,124 und es forderte Jahr für Jahr zahlreiche Todesopfer. Lienhard lernte das Fieber bereits im ersten Sommer in all seinen Varianten kennen. Über Tage und Wochen wechselten sich heftige Fieberschübe mit nicht minder heftigen Schüttelfrösten ab, und die starken Kopfschmerzen trieben ihn fast zur Verzweiflung. Fühlte er sich zwischendurch etwas besser, liess der nächste Rückfall bestimmt nicht lange auf sich warten. Es dauerte fast drei Monate, bis er wieder ganz gesund war. Schütz und seine Frau pflegten ihn über die ganze Zeit, weshalb er für die Sommermonate keinen Lohn annahm.
Im Spätherbst 1844 zog es Heinrich Lienhard fort von Neu-Schweizerland. Schütz bot ihm zwar an, den Winter als Gast bei ihm und seiner Familie zu verbringen, doch Lienhard wollte versuchen, in St. Louis eine Lehrstelle als Möbelschreiner, Sattler oder Koffermacher zu finden. In der Stadt angekommen, stellte er bald fest, dass viele andere junge Männer ebenfalls Arbeit suchten, darunter mehrere Landsleute, die wie er im Switzerland Boarding House logierten. Alle Stellen waren besetzt, und da wenig Geld im Umlauf war, gab es kaum eine Möglichkeit, zwischendurch etwas zu verdienen. Mit zwei anderen Schweizern unternahm er einmal den Versuch, neu eingetroffenes Treibholz zu Cordholz125 zu verarbeiten. Doch sie gaben bald wieder auf, denn das mit Wasser vollgesaugte Pappelholz liess sich, einmal zu Cordholzlänge verarbeitet, selbst mit ihren neu gekauften Äxten nicht spalten.
Schliesslich nahm Lienhard eine schlecht bezahlte Stelle bei einem schwäbischen Metzger namens Christ an. Dabei tröstete er sich mit dem Gedanken, dass es ihm in Zukunft vielleicht von Nutzen sein könnte, wenn er schlachten lernte. Er merkte aber bald, dass sich seine Erwartungen nicht erfüllen würden, denn Christs Hauptgeschäft bestand darin, in der nahen Schlachterei Abfälle wie Schweinsköpfe, Schweinsfüsse und Innereien abzuholen und daraus Würste herzustellen; diese Ware verkaufte er dann in einem Park. Als er Lienhard zum ersten Mal auf seine Tour mitnahm, um ihm alles zu zeigen, fuhren sie auf dem Rückweg durch ein Wäldchen, wo Christ ihn anwies, hier künftig bei jeder Fahrt Holz aufzuladen und mit dem Fuhrwerk nach Hause zu bringen. Lienhard fragte ihn darauf, ob das Holz ihm gehöre, was Christ verneinte und hinzufügte, die Besitzerin des Wäldchens sei eine reiche Witwe, die den Verlust nicht bemerke. Auf Lienhards Einwand, er werde kein Holz stehlen, befahl es ihm Christ in barschem