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und den Versailler Verhandlungen mit. Das gilt etwa für Weber, Preuß, Rothenbücher oder auch Moritz Bonn, der Schmitt als Direktor an die Handelshochschule geholt hatte. Schmitt dagegen hielt sich als junger Nachwuchswissenschaftler, der noch nicht an eine Universität berufen war, in der Formierungsphase der Republik mit Positionierungen zurück. Erst 1924 trat er in Jena auf der Tagung der Staatsrechtslehrervereinigung mit einem Paukenschlag aus seiner Deckung hervor: mit seiner extensiven Auslegung der Diktaturbefugnisse des Reichspräsidenten. Seine Positionierung von 1924 unterschied sich dabei von der späteren, noch extensiveren Auslegung im Präsidialsystem. Die verfassungshistorische Programmschrift Staatsgefüge und Zusammenbruch des zweiten Reiches spricht 1934 dann mit nationalsozialistischem Akzent rückblickend von einem Sieg des Bürgers über den Soldaten. Nimmt man dies wörtlich, so lautet die simple Antwort auf die Frage nach der Revolutionserfahrung von 1918/19: Schmitt betrachtete den Systemwechsel aus der Perspektive des Münchner Soldaten als „Sieg des Bürgers“. Mit seinem Engagement für das Dritte Reich wünschte er ein soldatisches System irgendwie zu restaurieren.

      So einfach liegt die Antwort allerdings nicht. Schmitt war niemals ein überzeugter Monarchist und Militarist gewesen. Seit 1915 führte er ein chaotisches Doppelleben zwischen Café und Kaserne. Er verkehrte mit expressionistischen Dichtern, religiösen Apokalyptikern und jüdischen Intellektuellen und war habituell alles andere als ein soldatischer Gegenrevolutionär. Er war allerdings, formelhaft gesprochen, ein „Etatist“ und Anwalt des „starken Staates“. Seine unmittelbare Revolutionserfahrung ist mit den Titeln der beiden großen Bücher treffend bezeichnet, die 1919 und 1921 im Münchner Verlag Duncker & Humblot erschienen: Politische Romantik und Die Diktatur: Diktatur versus Romantik! Das Thema des Belagerungs- und Ausnahmezustands wurde ihm 1915 zunächst dienstlich gestellt. Sein Vorgesetzter im Generalkommando war Hauptmann Christian Roth, ein exponierter Gegenrevolutionär, der 1920/21 bayerischer Justizminister unter Gustav von Kahr wurde. Es gibt also eine klare Kontinuitätslinie der Gegenrevolution, obgleich Schmitt 1920 in einem Leserbrief gegen Angriffe der Frankfurter Zeitung erklärte: „Die Abteilung Roth war kein Scharfmacherbüro und Dr. Roth alles andere als ein bornierter Militarist.“ (TB 1915/19, 519) Diese Solidaritätserklärung war zweifellos apologetisch und wird von Historikern schwerlich akzeptiert werden. Wie auch immer man aber die Diktaturpolitik des Militärs bewertet, steht doch eindeutig fest: Die Diktatur war seit 1915 Schmitts verfassungspolitisches Lebensthema, und sie begegnete ihm zunächst als militärischer Auftrag im Weltkrieg.

      Seine damaligen Tagebücher zeigen eine krasse Diskrepanz von Wunsch und Willen, zivilem Habitus und militärischer Antwort. Schmitt war zwischen staatlicher „Autorität“ und Schwabinger „Anarchie“ hin und her gerissen und wusste oft selbst nicht genau, wo er stand. Am 6. September 1915 notierte er in sein Tagebuch:

      „Um 8 Uhr war ich bereit, Selbstmord zu begehen, in der Welt der Nacht und in der Stille zu versinken, mit ruhiger Überlegenheit; dann dachte ich nur daran, in der Welt Karriere zu machen. Einige Stunden später war mir alles gleichgültig und ich wollte gerne Soldat werden – es ist zum Verrücktwerden, diese Zusammenhanglosigkeit; was soll ich tun? Ich werde mich in einer Stunde vor Wut über meine Nichtigkeit erschießen.“ (TB 1915/19, 125)

      Einen Tag später notierte er dann:

      „Nachmittags: Bericht über das Belagerungs-Gesetz machen. Begründen, dass man den Belagerungszustand noch einige Jahre nach dem Krieg beibehält. Ausgerechnet ich! Wofür mich die Vorsehung noch bestimmt hat.“ (TB 1915/19, 125)

      Die Rede von „Vorsehung“ ist hier zweifellos ironisch. Dennoch lässt sich von einer momentanen Erfassung einer Lebensaufgabe sprechen. Schmitts ganzes Werk konstatiert und propagiert einen Verfassungswandel vom liberalen Rechtsstaat zum autoritären und diktatorischen Exekutivstaat. Schmitt beginnt damals auch sogleich mit Studien zur Begriffs- und Verfassungsgeschichte der Diktatur. Parallel schreibt er aber für die – von der befreundeten Hamburger Verlegerfamilie Eisler herausgegebene – Zeitung Die Hamburger Woche anonyme Artikel im Spiegel von Presseberichten: satirische Entlarvungen und Zeugnisse panischer Ablehnung des Krieges und des „Militarismus“. Seine Auslegung der Nordlicht-Dichtung des befreundeten expressionistischen Dichters Theodor Däubler schlägt apokalyptische Töne an. Damals kommt Schmitt mit dem bedeutenden Literaturkritiker Franz Blei in freundschaftlichen Kontakt, der bis 1933 anhält. In Bleis esoterischer Zeitschrift Summa publiziert er eine „scholastische Erwägung“ zur „Sichtbarkeit der Kirche“, die sich im Dualismus von Staat und Kirche, Macht und Recht, auf die Seite der Kirche zu schlagen scheint. 1919 folgt mitten in die Münchner Revolutionslage hinein das Buch Politische Romantik, das auf die revolutionären Gesinnungsethiker von 1918/19 zielt.

      An der Handelshochschule las Schmitt damals über die Verfassung des deutschen Reiches und Geschichte der politischen Ideen, über Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht sowie das Betriebsrätegesetz. Intensiv setzte er sich mit Marxismus und Bolschewismus auseinander. Der Untertitel seiner Monographie von 1921 über das Rechtsinstitut der Diktatur lautet: „von den Anfängen des modernen Souveränitätsgedankens bis zum proletarischen Klassenkampf“. Dieser Untertitel ist antithetisch gedacht: Schmitt verteidigte den „kommissarischen“ Einsatz der Diktatur gegenüber der bolschewistischen Perversion des Rechtsinstituts zum selbstverständlichen Mittel des Klassenkampfes. Er unterschied Ausnahmezustand und Normalzustand und rechtfertigte politische Souveränität durch die Ordnungs- und Friedensfunktion, den Ausnahmezustand zu beenden und einen Normalzustand zu stabilisieren. Er verband Ausnahmezustand und Normalzustand mit Anarchie und Autorität und stellte sich in die „Gegenrevolution“. Die Gegenwart parallelisierte er mit der Lage um 1848 und identifizierte sich dabei – ab 1922, anstelle neuerer französischer Autoren – mit dem spanischen Gegenrevolutionär Donoso Cortés, der „von der Legitimität“ oder vom monarchistischen Legitimismus „zur Diktatur“ geschritten war und die Diktatur als antiliberale und gegenrevolutionäre Antwort bejaht hatte. Diese Maske oder Rolle des Gegenrevolutionärs hielt Schmitt in den folgenden Jahren fest. 1934 stilisierte er sich dann erneut als Soldat und Retter des Staates, als ein zweiter Bismarck hinter dem „Ersatzkaiser“, wenn er für die Epoche der Weimarer Republik konstatierte:

      „Es ist der deutschen Reichswehr gelungen, unter der Führung des Reichspräsidenten und ihrer militärischen Leitung eine parteipolitisch neutrale Gewalt zu bilden und auf diese Weise, in Zeiten offenen oder latenten Bürgerkriegs, durch das gefährliche Stadium eines […] Pluralismus hindurch, den deutschen Staat zu halten. Von der staatsrechtlichen Seite her wurde das durch eine aus staatspolitischem Verantwortungsbewusstsein und klarer Erkenntnis der konkreten Verfassungslage entstandene staatsrechtliche Konstruktion des Reichspräsidenten als des Hüters der Verfassung ermöglicht, mit einer sinnvollen Auslegung sowohl des Verfassungsbegriffs wie der außerordentlichen Befugnisse des Art. 48. Wie damals während der Konfliktszeit der preußische König, so fand jetzt ein preußischer Generalfeldmarschall, aus seiner seinsmäßigen Verbundenheit mit dem preußisch-deutschen Soldatenstaat heraus, in schweigender Sicherheit den Weg, der einen Übergang zu anderen Verfassungszuständen eröffnete.“ (SZZR 47)

       6. Spiegel der Politischen Romantik

      Schmitt war also ein intimer Kenner der Münchner Bohème und spiegelte seine Lage in historischen Parallelen. Als Jurist mied er die direkte politische Parteinahme. Es ist deshalb nicht genau geklärt, wem er damals persönlich begegnete. Die gefährlichste Phase der Münchner Räterevolution: die kommunistische Rätediktatur (Leviné, Levien, Axelrod) von Mitte bis Ende April 1919, erlebte er in der Münchner Stadtkommandantur. Er soll damals in persönliche Lebensgefahr geraten sein, hat sich darüber aber nicht schriftlich geäußert. Als Jurist hatte er selbstverständlich Bedenken gegen Selbstjustiz. In seinem Buch über Die Diktatur erklärte er, dass „das Wesen des Notwehrrechtes darin besteht, dass durch die Tat selbst über seine Voraussetzungen entschieden wird“ (D 179). Nur in einer Fußnote zitierte er einen „Aufruf der kommunistischen Revolutionsleitung in Duisburg“ zum Standrecht und eine Bemerkung des Reichswehrministers: „‚Da finden Sie das neue Staatsrecht‘. ‚Da kommt das Erschießen fast vor dem Urteil, möchte man meinen.‘“ (D 177) Wenn Schmitt einen Reichswehrminister mit rechtstaatlichen Bedenken

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