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Schuldrecht Allgemeiner Teil II. Achim Bönninghaus
Читать онлайн.Название Schuldrecht Allgemeiner Teil II
Год выпуска 0
isbn 9783811476523
Автор произведения Achim Bönninghaus
Жанр Языкознание
Серия JURIQ Erfolgstraining
Издательство Bookwire
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Der Begriff der „Pflichtverletzung“ wird in § 280 Abs. 1 genannt und löst im Rahmen eines Schuldverhältnisses nach dieser Vorschrift eine Schadensersatzhaftung aus, es sei denn, dass der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Nach dem zuvor Gesagten kommen dabei einerseits Verletzungen der Leistungspflichten und andererseits Verletzungen der Rücksichtspflichten in Betracht.
1. Teil Einführung › B. Arten der Pflichtverletzung › I. Verletzung von Leistungspflichten
I. Verletzung von Leistungspflichten
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Im Hinblick auf die Verletzung von Leistungspflichten hat sich eine objektive und erfolgsbezogene Betrachtung durchgesetzt. Das bedeutet, dass unter einer Leistungspflichtverletzung jedes objektive Abweichen der realen Lage vom ursprünglich festgelegten Pflichtenprogramm eines Schuldverhältnisses zu verstehen ist. Das Pflichten- oder „Sollprogramm“ ergibt sich beim vertraglichen Schuldverhältnis aus den Vereinbarungen, dispositiven Normen und ggfs. erläuternder oder ergänzender Vertragsauslegung, sowie aus § 242. Beim gesetzlichen Schuldverhältnis folgt das Pflichtenprogramm aus den jeweiligen Tatbeständen.[1] „Objektiv“ und „erfolgsbezogen“ ist diese Betrachtung deshalb, weil es auf Hindernisse in der Sphäre des Schuldners und Fragen des Verschuldens in diesem Zusammenhang nicht ankommt. Auch wenn der Begriff der Pflichtverletzung sprachlich eine gedankliche Nähe zu schuldhaftem Verhalten herstellt, ist dies damit nicht gemeint. Das „Wieso“ und „Warum“ einer Pflichtverletzung ist für die Frage einer Pflichtverletzung ohne jede Bedeutung, sondern eine Frage des Vertretenmüssens.[2]
Beispiel
K erwirbt vom Händler V ein Fernsehgerät. Das Gerät funktioniert nicht. Ohne V zunächst aufzufordern, die Reparatur durchzuführen, lässt K das Gerät vom Nachbarn N, einem Fernsehtechniker, reparieren, der K dafür 50 € in Rechnung stellt. K möchte von V das Geld erstattet haben.
Hier könnte dem K ein Ersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283, 437 Nr. 3 (bitte lesen) zustehen. V war dem K nach §§ 437 Nr. 1, 439 zur Reparatur verpflichtet. Dadurch, dass das Gerät auf Verlangen des K bereits von N repariert wurde, ist dem V die Erfüllung seiner Pflicht unmöglich geworden, so dass er nach § 275 Abs. 1 von seiner Leistungspflicht befreit wurde.[3] Die Unmöglichkeit wurde zwar nicht von V verursacht, sondern durch K selbst; dennoch liegt nach der objektiven Betrachtungsweise eine „Pflichtverletzung“ des V vor. Der Grund für die bei V eingetretene Unmöglichkeit ist für die Frage der Pflichtverletzung unerheblich. Allerdings scheitert der Anspruch des K auf Schadensersatz daran, dass V die Unmöglichkeit nicht i.S.v. § 276 zu vertreten hat.
Die Frage des Vertretenmüssens stellt sich also bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „Pflichtverletzung“ nicht. Das Vertretenmüssen ist allerdings bei verschiedenen Anspruchsgrundlagen, insbesondere beim Schadensersatzanspruch aus § 280, als weitere Tatbestandsvoraussetzung zu prüfen (§ 280 Abs. 1 S. 2).
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Bei der näheren Bestimmung der einzelnen Pflichtverletzungskategorien helfen uns die Vorschriften über Leistungsstörungen. Sie können daher zur näheren Konkretisierung der verschiedenen Pflichtverletzungsarten herangezogen werden.[4]
1. Leistungsverzögerung
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Eine erste Kategorie der Leistungspflichtverletzung können wir § 281 Abs. 1 S. 1 Var. 1 entnehmen. Dort beschreibt das Gesetz die Situation, dass der Schuldner „die fällige Leistung nicht erbringt“. Eine entsprechende Formulierung findet sich in § 323 Abs. 1. § 280 Abs. 2 und gibt dieser Pflichtverletzungskategorie einen besonderen Namen: „Verzögerung“ der (fälligen) Leistung. Das Auseinanderfallen des realen Leistungsstandes vom Sollprogramm liegt hier auf der Hand: Der Schuldner leistet nicht, obwohl er leisten muss.
2. Schlechtleistung
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In § 281 Abs. 1 S. 1 Var. 2 beschreibt das Gesetz die Situation, dass der Schuldner die fällige Leistung „nicht wie geschuldet“ erbringt. Eine ähnliche Formulierung findet sich in § 323 Abs. 1, wo es heißt, dass der Schuldner die fällige Leistung „nicht vertragsgemäß“ erbringt.
Hinweis
Die Tatsache, dass § 323 von einer „nicht vertragsgemäßen“ statt „nicht wie geschuldet erbrachten“ Leistung spricht, erklärt sich daraus, dass die §§ 280 ff. grundsätzlich auf jedes Schuldverhältnis anzuwenden sind, § 323 aber nur auf gegenseitige Verträge Anwendung findet (vgl. die Titelüberschrift vor § 320). Dies soll im Tatbestand zum Ausdruck kommen, weshalb der Gesetzgeber eine entsprechend abweichende Formulierung gewählt hat. Die „nicht vertragsgemäß“ erbrachte Leistung ist also eine „nicht wie geschuldet“ erbrachte Leistung.
3. Nichtleistung wegen Leistungsbefreiung nach § 275
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Aus § 275 Abs. 4 folgt zwingend, dass die Nichtleistung wegen Ausschlusses der Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 bis 3 eine Pflichtverletzung darstellt. Denn § 275 Abs. 4 verweist wegen der Rechtsfolgen auf die Vorschriften der §§ 280 ff. Dann muss also die Leistungsbefreiung ihrerseits eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 darstellen.[5]
Es kommt Ihnen möglicherweise eigenartig vor, dass der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 nicht zu leisten braucht und dass das Gesetz die damit logischerweise verbundene Nichtleistung trotzdem als Pflichtverletzung ansieht. Wie kann man eine Pflicht verletzen, die es wegen des Ausschlusses nach § 275 Abs. 1–3 nicht mehr gibt? Jedoch ist diese Merkwürdigkeit die klare Rechtsfolge des § 275 Abs. 4. Bei näherem Hinsehen löst sich die vermeintliche Ungereimtheit auch auf: Das Ergebnis entspricht dem objektiven und erfolgsbezogenen Begriff der Pflichtverletzung. Denn im Falle der Leistungsbefreiung nach § 275 entspricht der reale Leistungsstand nicht mehr dem ursprünglichen Sollprogramm.
Beispiel
V verkauft dem K einen gebrauchten, von K ausgesuchten Pkw. Vor Übergabe wird der Pkw zerstört. Da V von Anfang lediglich den von K ausgesuchten Pkw zu übereignen und zu übergeben hatte, ist mit der Zerstörung des Pkw diese Leistung gem. § 275 Abs. 1 unmöglich geworden. V ist daher nicht mehr zur Leistung verpflichtet. Die bei Vertragsschluss zunächst vereinbarte Leistungspflicht des V gem. § 433 Abs. 1 besteht nun real wegen § 275 Abs. 1 nicht mehr. Vertragliches Sollprogramm und realer Leistungsstand fallen daher auseinander. Deshalb ist es gerechtfertigt, bei der Leistungsbefreiung von einer Pflichtverletzung zu sprechen.