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als das Kommando »Halt!« ertönte. Befehlsgemäß warf er sich nieder – ins eiskalte Wasser der Ostsee. Im Flachwasser wieder aufgestanden, drehte er sich zum am Ufer stehenden Obermaat um und schrie: »Wir sind doch keine Viecher!«

      Um zweiundzwanzig Uhr war Nachtruhe befohlen. Mehrfach erschien der Obermaat danach mit einer Taschenlampe im Schlafsaal. Willkürlich suchte er diesen oder jenen Matrosen aus und befahl: »Strecken Sie Ihre Flossen raus! Vom Füßewaschen halten Sie wohl nicht viel! Ab in den Waschraum!«

      Fehlerhaftes Bettenmachen und nicht nach Vorschrift abgelegte Kleidung im Schrankteil wurden sehr gemein sanktioniert. In solchen Fällen hatte er feinen Dünensand dabei und rieselte ihn zwischen die Kleidung. Anschließend legte er eine knapp gehaltene Frist fest, bis wann der komplette Sand aus dem Schrank entfernt sein musste.

      Zum ersten Teil der Grundausbildung gehörte es, das synchrone Marschieren zu lernen. Zudem wurde uns die Handhabung eines sowjetischen Karabiners 100 (K100) mit aufgepflanztem Bajonett vermittelt und Übungsschießen mit dieser Waffe ausgeführt. Selbstverständlich wurde auch unsere politische Ausrichtung gedrillt. Im Führungsstab unserer Dienststelle waren hohe sowjetische Offiziere als Berater tätig. Aus Anlass des Todes des großen sowjetischen Führers Josef Stalin am 5. März fand ein großer Appell statt.

      Ende April 1953 wurde unser Zug zusammen mit drei weiteren als Wachkompanie zum Schutz unserer Dienststelle eingesetzt. In der Nacht vom 17. auf den 18. Juni 1953 gab es Großalarm. Feldmarschmäßig ausgerüstet mit dem K100 und scharfer Munition harrten wir zwei bis drei Tage in der Dienststelle aus, ohne einen Befehl für einen Einsatz zu bekommen. Nach dem 17. Juni wurden zwei hochrangige Offiziere sowie unser verhasster Obermaat nicht mehr in unserer Dienststelle gesehen. Es kursierten Gerüchte von Fahnenflucht beziehungsweise Verlassen der DDR in Richtung BRD.

      Ende Juni 1953 sollten wir, wie in der Grundausbildung versprochen, nach Peenemünde versetzt werden. Wir sollten unseren ersten Einsatz auf Minensuch- sowie Räumbooten der ehemaligen Kriegsmarine leisten. Nicht mit einem Schiff, sondern per Lkw brachte man uns nach Peenemünde. Es war spätabends, als wir dort ankamen. Auf dem dortigen Appellplatz begrüßte uns der Dienststellenleiter mit den Worten: »Guten Abend, Wachkompanie!« Ich glaubte, meinen Ohren nicht zu trauen. Wachkompanie? Schon wieder Wache schieben? Ich wollte an Bord gehen, zur See fahren. Mit Wache hatte ich nichts am Hut. Aber im Militär gilt es, Befehle zu befolgen.

      Nach etwa vier Wochen Wachdienst, wir hatten gerade Politikunterricht, betrat ein Oberleutnant zur See den Schulungsraum. Nach einem kurzen Gespräch mit dem Lehrer wandte er sich an uns. Er stellte sich als leitender Sportoffizier der Dienststelle vor und bat uns, aufzuschreiben, ob wir im zivilen Leben Sport getrieben hätten. Nach Dienstschluss schrieb ich auf, dass ich bereits in Mittweida mit dem Boxen begonnen hatte und in Merseburg in der Betriebssportgemeinschaft (BSG) der Buna-Werke geboxt hatte.

      Einige Tage später wurde ich zum Sportoffizier gerufen. Ich hatte ein gutes Bauchgefühl. Schwarz, dachte ich mir, hast du schon wieder großes Glück? In seinem Büro empfing mich der Oberleutnant zur See. Er war ein Frauentyp mit sportlicher Figur, mittelgroß und hatte braunes, welliges Haar. Er steckte in einer Uniform, die für ihn maßgeschneidert zu sein schien. Der Oberleutnant war ungefähr vierzig Jahre alt, verheiratet und stammte aus dem Raum Dresden. »Matrose Schwarz«, sagte er, »nach Durchsicht der aufgezeichneten sportlichen Aktivitäten habe ich mich entschlossen, Sie als meinen Stellvertreter einzusetzen. Sind Sie damit einverstanden?« Was für eine Frage! Mit erhöhtem Puls sagte ich auf der Stelle zu.

      Sodann zählte er mir ausführlich meine zukünftigen Aufgaben auf: Ab sofort war ich alleinverantwortlich für den Dienstsport der im Hafen liegenden fahrenden Einheiten und auch der an Land befindlichen Männer. Durchführungsort und Dienstsitz war eine große, neu errichtete Sporthalle mit vielseitigen Sportgeräten. Als ich die Halle besichtigte, stellte ich zu meiner Überraschung fest, dass auch alle Hilfsmittel für Boxtrainings vorhanden waren. Es gab einen ledernen Sandsack, einen Punchingball, Boxhandschuhe, Ballhandschuhe sowie Springseile.

      In meiner Freizeit konnte ich nun trainieren wie einst zu Hause. Ich war froh über diese Wendung und erfüllte alle Aufgaben zur vollen Zufriedenheit.

      Wenn wir Landgang bekamen, suchten wir Tanz­lokale auf, die es in Peenemünde nicht gab. Das war nicht einfach, denn ab Karlshagen mussten wir mit dem Zug nach Zinnowitz fahren. Ab Karlshagen war in Richtung Peenemünde militärisches Sperrgebiet. Direkt neben einer der Gaststätten befand sich in einer Bretterbude der Straßenkontrollpunkt zum Peenemünder Hafen und zum Flugplatz, der von sowjetischer Seite unterhalten wurde. Wer Wachestehen musste, saß praktisch Tür an Tür mit diesem Kon­trollpunkt. Auch ich habe diesen Dienst mit weiteren Matrosen oftmals verrichtet. Bei diesen Begegnungen musste ich immer an Stjopa denken. Eigenartigerweise wussten die so­wjetischen Wachsoldaten immer eher als wir, wenn in Peenemünde zum Beispiel der Chef der Volkspolizei-See, Vizeadmiral Waldemar Verner, einflog. Mitteilung eines Soldaten: »Sülfried, morgen kommen dein Votzen­admiral.« Das Gelächter war natürlich riesengroß.

      Ende August 1953 wurden Boxmeisterschaften ausgeschrieben. Mit Erlaubnis meines Chefs habe ich daraufhin sehr intensiv die Boxgeräte bearbeitet und Dauerläufe von Peenemünde nach Karlshagen absolviert. Ich kam im Weltergewicht (sechsundsechzig Kilogramm) bis in den Endkampf und erhielt trotz einer Punktniederlage die Berechtigung, Mitglied der Boxstaffel der Sportvereinigung »Vorwärts Kühlungsborn« zu werden. Wochen später war für mich in Peenemünde Dienstschluss. Kühlungsborn, der Ort der Grundausbildung, hatte mich wieder.

      Rudi, mein Freund aus Merseburg, und Horst, der Ostseeschwimmer, gehörten hier auch zu meiner Mannschaft, denn alle drei wollten wir weiter boxen. Unser Trainer hieß Hermann Lange. Er kam aus Magdeburg-Sudenburg. Wir bezogen nun ein Dreibettzimmer in dem Klinkerbau auf dem Dienstkomplex. Als Boxsportler bekamen wir eine Sonderverpflegung und trainierten jeden Tag.

      Neben unserem Trainer war Oberleutnant zur See Hacker für unsere weitere militärische Ausbildung zuständig. Von nun an fanden die Wettkämpfe regelmäßig statt. Wir hatten Gäste aus Aschersleben, Pößneck, Rudolstadt, gegen die wir antraten. Auch eine Mannschaft aus der Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) Leipzig trat gegen uns an. Austragungsorte waren der Konzertgarten in Kühlungsborn-Ost und das Erholungsheim des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB) »Jochen Weigert«.

      Im Frühjahr 1955 bekamen wir einen neuen Trainer: Siegfried K. Inzwischen waren wir nach Parow umgezogen. Siegfried K. war Absolvent der DHfK und wurde Angehöriger der Volkspolizei-See. Als solcher war er nicht Zivilangestellter wie Hermann Lange, sondern wurde als Offizier eingestellt. »Neue Besen kehren gut.« Unter diesem Motto führte er neue Trainingsmethoden ein. Zu diesen sowie zu seiner Person fand ich keinen Draht. Ich versuchte es eine Zeitlang. Dann gab ich es auf und beendete meine Boxerlaufbahn im Mai 1955.

      Wenige Tage später packte ich meinen Seesack und erhielt Order, mich in Wolgast in einem großen Versorgungslager in der Kaderabteilung zu melden. Denn laut meinem Dienstvertrag war ich bis zum 3. November 1955 Angehöriger der Volkspolizei-See.

      Meine Versetzung nach Wolgast war durch eine Namensgleichheit zustande gekommen. Der leitende Kaderoffizier begrüßte mich freudig mit den Worten: »Willkommen, Textilingenieur Schwarz!«

      »Tut mir leid, ich bin kein Textilingenieur, sondern Boxer und Maat der Volkspolizei-See«, musste ich eingestehen.

      Irgendwo zwischen der Hauptabteilung in Berlin und Wolgast hatte eine Namensverwechslung stattgefunden. Doch nun war ich einmal vor Ort und sollte auch zum Einsatz kommen. Zunächst wurde ich zu Büroarbeiten in der Kaderabteilung für Zivilangestellte herangezogen.

      Wenige Wochen später kam der erneute Versetzungsbefehl. Dieses Mal sollte ich in Saßnitz-Dwasieden Zugführer für künftige Offiziere in der Grundausbildung werden. Meine eigene Grundausbildung hatte ich vor mehr als zwei Jahren absolviert. Den aktuellen Stand der Ausbildung kannte ich nicht. Ich lehnte ab.

      Schon einen Tag später wurde ich vom Kaderoffizier zum »Offizier für die Küche« berufen. Meine Aufgabe bestand darin, von allen in der Küche zubereiteten Speisen Essensproben zu aservieren. Das hieß, von allen zubereiteten Speisen der Küche unserer Dienststelle Proben zu sichern, um nach eventuell auftretenden Erkrankungen

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