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Kollegen von der Spurensicherung misstrauen würde, aber Pfeffer hielt durchaus etwas von Intuition, und manchmal gab ein Tatort mehr preis, als wissenschaftlich zu benennen war.

      Die Stelle zwischen Hecke und Hauswand, an der die Leiche gelegen hatte, war mit frischem Rindenmulch bedeckt, der kräftig nach Natur roch. Pfeffer ging in die Hocke und betrachtete eingehend den leichten Abdruck, den der Körper im weichen Untergrund hinterlassen hatte. Dann umrundete er gebückt die Fundstelle. Warum hatte Guido Zumboldt den Weg verlassen und war hinter die niedrige Hecke gestiegen? Denn dass der Fundort auch der Tatort war, ließ sich recht leicht daran erkennen, dass es keinerlei Schleifspuren, abgeknickte oder zertrampelte Zweige an der Hecke gab. Der Täter musste auf der anderen Seite der Hecke gestanden und dann sein Opfer von hinten erschlagen haben.

      Pfeffer spürte, dass er beobachtet wurde. Er blickte auf. Der Gärtner stand am anderen Ende der Grünfläche mit einem Rechen in der Hand und blickte herüber. Als er bemerkte, dass Pfeffer ihn bemerkt hatte, schaute er schnell weg und begann zu rechen. Max Pfeffer richtete sich auf, dabei fiel ihm etwas im Mulch auf. Zwei kleine Papierschnippelchen. Entweder lagen sie nicht im Bereich, den die Spurensicherung unter die Lupe genommen hatte, oder sie waren tatsächlich niemandem aufgefallen. Pfeffer hob sie auf und betrachtete sie nachdenklich. Irgendwie kam ihm das Papier bekannt vor, doch er konnte sich nicht erinnern. Mit ihren geraden Kanten sahen sie aus wie aus einem Aktenvernichter. Pfeffer steckte sie in seine Brieftasche und ging zum Gärtner hinüber, der rechte und dabei so tat, als würde er Pfeffer nicht beachten.

      »Eine Frage noch, Herr Stockmair«, sagte Pfeffer.

      »Sicher.« Lenz Stockmair stützte sich auf seinen Rechen und sah Pfeffer nicht in die Augen, sondern hielt den Blick auf dessen Brust fixiert.

      »Was haben Sie gemacht, unmittelbar nachdem Sie den Toten gefunden haben?«

      »Da habe ich die Polizei gerufen, was sonst?«

      »Nein.«

      »Nein?« Stockmairs Blick flatterte unsicher hinauf zu Pfeffers Augen und rutschte sofort wieder zurück zum Brustbein. »Doch. Habe ich.«

      »Nein. Wie uns die Überwachungskameras verraten haben, waren Sie offenbar erst noch im Haus und haben dann bei Ihrer Rückkehr die Polizei gerufen.«

      Stockmair schluckte und nickte langsam. »Ja. Ja. Das stimmt. Ich … ich musste mich übergeben. Tschuldigung. Ich bin schnell rein auf die Toilette, und danach habe ich die Polizei gerufen. Bekomme ich jetzt deswegen Ärger?«

      Pfeffer glaubte erst, der Gärtner würde ihn auf den Arm nehmen, doch er sah, dass es ihn ernsthaft beschäftigte. »Nein, sicher nicht. Ach, doch noch eine Frage. Haben Sie jemanden gesehen?«

      »Na ja, Schorsch, der Chefhausmeister ist bei mir in der Umkleide gewesen. Der ist dann aber gleich vor zum Portier, um die Aufgaben für den Tag zu besprechen. Das macht der immer so. Und dann, als ich zur Tür raus bin, hat da der Bursche aus dem siebten mit seiner Freundin rumgeknutscht. Timo Dollmann. Die sind fast die Treppe runtergefallen, als ich die Tür aufgemacht habe. Die sind dann reingegangen. Mehr weiß ich nicht.«

      »Danke, das reicht erst einmal. Und ein Tipp so unter uns: Gehen Sie nach Hause. Ruhen Sie sich einen Tag lang aus. Dafür wird Ihr Chef sicher Verständnis haben.«

      »Mein Chef schon …« Lenz Stockmair zuckte mit den Schultern. »Er hat schon gesagt, dass ich gehen soll. Ich mach das hier nur noch fertig. Dabei ist jetzt die Zeit, wo wir Gärtner so viel zu tun haben.«

      06 »Timo! Wo steckst du schon wieder!«, brüllte Olaf Dollmann durch den Flur. Kurz danach stürmte er in das Zimmer seines Sohnes. Zu schnell für Timo, der mit seiner nächtlichen Eroberung gerade den Doggystyle ausprobierte.

      »Was ist denn hier los!«, explodierte Dollmann.

      Das Mädchen schubste Timo von sich und raffte schnell die Bettdecke vor die Brust.

      »Mann, Alter, reg dich ab«, schnauzte Timo zurück. »Noch nie was von Anklopfen gehört? Genau deshalb platzt man bei seinem geschlechtsreifen Sohn nicht einfach so ins Zimmer! Selbst wenn er allein ist, könnte es nämlich ziemlich peinlich werden.«

      »Komm mir nicht so, kleiner Klugscheißer.« Olaf Dollmann versuchte sich zu beruhigen, was für ihn angesichts der erschlaffenden Erektion seines Sohnes, die der provokant nicht bedeckte, kaum zu managen war. Er brüllte für gewöhnlich nur in seinem Architekturbüro herum. Zu Hause bemühte er sich, seine cholerischen Anfälle in den Griff zu bekommen. Er hatte es Carla versprochen. Er sah aus dem Fenster. Wenn Föhn wäre, könnte man die Alpen sehen. Dass die beiden Dollmänner Vater und Sohn waren, sah man auf den ersten Blick. Der eine war die jüngere beziehungsweise ältere Version des anderen. Beide groß und hager, aber drahtig. Nur trug Timo sein Haar in langen verfilzten Dreadlocks, und sein Vater hatte die grauen Haare zu einem kleinen Pferdeschwanz gebunden.

      »Du hast Hausarrest«, sagte Olaf Dollmann dann beherrscht. »Das müssen wir nicht schon wieder durchkauen, oder?«

      »Ja, und?«, antwortete sein Sohn trotzig. »Hab ich deshalb auch Sexverbot?«

      »Wie kommt das Mädchen hier herein, wenn du Hausarrest hast?«

      »Vorne. Durch die Tür. Hauseingang!« Timo redete mit seinem Vater wie mit einem Schwachsinnigen.

      »Hausarrest beinhaltet selbstverständlich auch Besuchsverbot! Und warum habe ich davon nichts mitbekommen?«

      »Weil du im Büro warst oder schon geschlafen hast, oder was weiß ich.« Timo zuckte mit den Schultern. »Im Gegensatz zu dir kontrolliere ich niemandes Leben! Nina ist gestern Abend zu mir gekommen, und wir haben hier die Nacht verbracht, nichts weiter. Ich habe gegen keine deiner Auflagen verstoßen. Von einem Besuchsverbot hast du vorher nichts gesagt.«

      Sein Vater sah genervt und demonstrativ auf die Uhr. »Du bist nicht zum Frühstück erschienen, so wie wir es ausgemacht hatten!«

      »Mein Gott, dann komm ich eben gleich zum Frühstück, wenns für dich so wichtig ist! Wir haben hier noch was zu erledigen, und dann komm ich zu Mami und Papi an den Frühstückstisch und spiele mit euch glückliche Familie. Okay?«

      »Spar dir deinen Sarkasmus«, zischte sein Vater mit drohend erhobenem Finger und rauschte davon.

      »Boah, heftig«, sagte das Mädchen. »Wieso Hausarrest? Wie uncool ist das denn? Wie alt bist du denn bitte schön?«

      »Fast siebzehn, wieso?«

      »Boah!« Das Mädchen sprang empört aus dem Bett. »Hör mal, ich bin zwanzig! Ich popp doch nicht mit einem Kind!«

      »Hast du heute doch schon zweimal. Komm, hier wartet ein tolles Spielzeug auf Nummer drei.« Timo deutete auf seine Körpermitte.

      Aber Nina zog sich hastig an, darum schlüpfte er auch in irgendwelche Klamotten, die herumlagen, brachte sie zur Tür und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange, bevor er die Tür zuzog. Er war immer noch auf Droge, drum war es ihm egal. War eh nur ein Aufriss für eine Nacht, morgen würde er nicht mal mehr ihren Namen wissen.

      Am Frühstückstisch saßen sein Vater und dessen zweite Frau Carla, die ebenso seine Tochter hätte sein können. Olaf Dollmann schmierte sich dick Leberwurst auf eine Brötchenhälfte.

      »So, da bin ich.« Timo machte eine clowneske Verbeugung vor seinem Publikum, bevor er sich setzte. »Soll ich euch jetzt dabei zuschauen, wie ihr euch pürierte Tierleichen aufs Brot schmiert?«

      »Verschon mich mit deinem Vegetarierscheiß«, brummte sein Vater, während er in sein Brötchen biss.

      »Veganer, wie oft soll ich es denn noch sagen«, sagte Timo entnervt.

      »Olaf, lass ihn doch«, sagte Carla und lächelte bemüht. »Das ist eine Phase, das machen jetzt alle. Hier, das sind vegane Brötchen.«

      »Das ist keine Phase«, knurrte Timo. »Und das machen leider noch viel zu wenige. Du brauchst dich übrigens auch gar nicht bei mir einzuschleimen.«

      »Was ist eigentlich

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