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Hedwig und Alois Zumboldt«, stellte Fiona Zumboldt sie einander ganz nebenbei vor. »Sie wohnen direkt über uns. Überaus praktisch«, fügte sie sarkastisch hinzu.

      »Soso«, sagte Hedwig Zumboldt demonstrativ desinteressiert und streifte den Kriminalrat kurz mit einem Blick. Dann sah sie irritiert noch ein zweites Mal hin. Pfeffer glaubte fast, ihre Gedanken lesen zu können. Zuerst, das war ihm klar, hatte sie ihn für Personal gehalten, den Chauffeur vielleicht. Mann im besten Alter, grauhaarig zwar bereits, aber sehr athletisch gebaut, breite Schultern, markantes Kinn. Und dann diese Augen. Schokoladiges Kuschelbraun, fiel Hedwig Zumboldt spontan ein. Dann registrierte sie, dass er für Personal zu teuer und zu geschmackssicher angezogen war. Womöglich ein Chauffeur mit speziellen Diensten für die Schwiegertochter? Wenn ja, dann verstand sie ihre Schwiegertochter bestens.

      »Und was macht der Herr Pfeffer?«, fragte sie und schenkte ihm plötzlich ihre ganze Aufmerksamkeit. Pfeffer war sich sogar sicher, dass sie einen kleinen Flirtversuch in ihre blauen Augen legte. Irgendetwas an dieser Frau erinnerte Pfeffer an jemanden, an den er absolut nicht erinnert werden wollte.

      »Der Herr Pfeffer ist bei der Kriminalpolizei«, sagte Pfeffer. Ihm entging nicht, dass Alois Zumboldt kurz zusammenzuckte und die Augenbrauen kraus zog.

      »Und was verschafft uns die Ehre?«, fragte Hedwig Zumboldt. Sie ließ sich dabei ein wenig zu offensichtlich und zu tief in Pfeffers kuschelbraune Augen fallen.

      »Es betrifft Ihren Sohn und Ihren Gatten«, antwortete Pfeffer. Doch bevor er weiterreden konnte, stürmten zwei Kinder den Flur entlang.

      »Ach, da sind ja meine Schätzchen«, kreischte Hedwig Zumboldt und umarmte die beiden semmelblonden Kinder, die die Umarmung nicht erwiderten, sondern mit hängenden Armen über sich ergehen ließen. Der Junge mochte acht oder neun sein, seine kleine Schwester fünf oder sechs.

      »Hast du uns was mitgebracht, Oma?«, fragte der Junge, als er wieder festen Boden unter den Füßen hatte.

      »Natürlich, meine Schätzchen.« Sie nestelte zwei klein gefaltete Zwanzigeuroscheine aus ihrem Dekolleté und reichte sie den Kindern. Die tauschten einen schnellen abschätzigen Blick und schnappten sich das Geld.

      »Du verwöhnst sie zu sehr«, sagte Fiona Zumboldt streng.

      »Einer muss es ja tun«, antwortete ihre Schwiegermutter.

      »Wie sagt man, Kinder?« Fiona Zumboldt sah ihre Kleinen streng an.

      »Danke, liebe Oma«, sagten die beiden Kinder wie aus einem Mund, dressiert und gelangweilt.

      »Deborah!«, rief ihre Mutter ungeduldig mit starkem, deutschem Akzent den Flur hinunter. »Deborah, where are you?«

      Ein junges Mädchen mit hektischen roten Flecken auf den Wangen kam angerannt. »Yes, Ma’am.« Dass sie Britin war, konnte man selbst bei den wenigen Worten hören.

       »Would you please take care of the children?«

      »Of course, Ma’am. Come on my sweeties …« Das Kindermädchen namens Deborah führte die Kleinen weg. Pfeffer hörte noch, wie der Bub seiner Schwester »Twenty fucking Euro« zuflüsterte. »Yeah, so fucking miserly«, tuschelte die Kleine zurück. Die Nanny sah sich erschrocken um, doch da keiner der Zumboldts das offenbar gehört hatte und es keinen Anschiss gab, schob sie die Kinder schnell den Flur hinunter. »In this case, stingy would be the better word«, hauchte die Nanny den Kleinen zu. Dass das niemand mitbekam, lag daran, dass Alois Zumboldt lospolterte und alle Aufmerksamkeit auf sich zog: »Können wir jetzt endlich mal hören, warum dieser Pfeffer von der Kriminalpolizei hier ist? Also, Pfeffer, was gibt es?«

      Pfeffer sagte, was es gab, ohne zu viele Details zu verraten. »Mehr kann ich Ihnen momentan noch nicht sagen, denn wir müssen das Obduktionsergebnis abwarten.«

      Die Reaktion der Familie erstaunte ihn nicht, nach allem, was er bisher mitbekommen hatte. Die drei wechselten lauernde Blicke, als ob sie darauf warteten, wer als erstes eine Reaktion zeigte. Schließlich sagte die Witwe: »Das ist unschön.«

      »So kann man es auch formulieren«, sagte Max Pfeffer.

      Sie öffnete die oberste Schublade der Kommode, entnahm ihr eine Schachtel Zigaretten und zündete sich eine an.

      »Mein Bub. Mein armer Bub.« Hedwig Zumboldt blinzelte hektisch, bis sie tatsächlich feuchte Augen bekam. »Ich hab immer befürchtet, dass es mal nicht gut mit ihm endet. Aber so?« Sie keuchte und schniefte, wühlte in ihrer Tasche nach einem Taschentuch und betupfte sich die Augen. Pfeffer glaubte ihr nicht.

      »Hedy, was redest denn du.« Alois Zumboldt legte seinen Arm um seine Frau, schien aber über die Todesnachricht nicht weiter erschüttert. »Dass unser Bub mal nicht gut endet. So ein Schmarrn. Wieso sagst du denn so was?«

      »Das würde mich auch interessieren«, sagte Max Pfeffer.

      »Ach, das war nur so dahingesagt.« Die Frau schnäuzte sich lautstark und klopfte sich mit der Faust gegen die Brust. »Ich hab mir halt immer Sorgen um meinen Bub gemacht. Wie man das als Mutter halt so macht. Er war ja manchmal ein bissl wild und unangepasst. Da macht man sich als Mutter öfter mal Sorgen, nicht wahr, Herr Pfeffer? Haben Sie auch Kinder?«

      Pfeffer nickte. Und ihr Blick rutsche sofort zu seinen Händen. Kein Ring.

      »Eins? Zwei? Buben oder Mädchen?«

      »Zwei Buben.«

      »Sehen Sie, da kennen Sie das sicher auch!«, rief Hedwig Zumboldt. »Man macht sich um die Buben einfach immer mehr Sorgen!«

      »Als um was?«, fragte Fiona zynisch und hektisch rauchend. »Als um Mädchen? Du hast keine Tochter, Hedy, nur einen Sohn. Hattest!«

      »Musst du jetzt rauchen?«, zischte ihre Schwiegermutter. »Kannst du nicht mal an die Kinder denken?«

      »Ich glaube, es ist besser, wenn ihr jetzt geht.« Fiona Zumboldt drückte die Zigarette in einem Porzellanaschenbecher aus. »Ich möchte ein wenig allein sein und das alles erst einmal verdauen.«

      »Wenn wir irgendwas für dich tun können …«, sagte Hedwig Zumboldt.

      »Sicher nicht.«

      »Verständlich, dass Sie nun allein sein möchten«, sagte Pfeffer. »Sie haben ja einiges zu regeln. Ich muss Sie allerdings alle bitten, sich in den nächsten Stunden zur Verfügung zu halten. Meine Kollegen und ich werden Ihnen einige Fragen stellen müssen, wenn wir die Laborergebnisse haben.«

      »Sicher.« Alois Zumboldt nickte.

      »Eine Frage jedoch, bevor ich Sie allein lasse. Wo waren Sie heute früh so zwischen fünf und sieben Uhr?«

      Fiona Zumboldt lachte gepresst. »Wo wohl? Im Bett! Und nein, dafür habe ich keinen Zeugen. Mein Mann und ich haben getrennte Schlafzimmer. Abgesehen davon, war er ja um diese Zeit nicht zu Hause!«

      »Wir haben auch geschlafen«, sagte ihr Schwiegervater.

      »Allerdings«, ergänzte seine Frau. »Und wenn Sie es genau wissen wollen, auch wir haben getrennte Schlafzimmer.«

      Max Pfeffer trat hinaus in die milde Aprilsonne und atmete tief durch. Auf der Straße rauschte eine Tram vorbei, dann noch eine. Der Boden vibrierte leicht. Pfeffer telefonierte kurz mit Hauptkommissarin Hemberger, um diverse Anweisungen zu geben. Sie und Kollege Yusufoglu sollten sich in Zumboldts Büro umsehen.

      Pfeffer, ganz Koffeinjunkie, brauchte sofort ganz viel Koffein, stark und schwarz. Er ließ den Tower hinter sich, lief die Müllerstraße ein kurzes Stück entlang und kehrte im Café Forum an der Ecke zur Corneliusstraße ein. Er kannte den Laden von früher, als er noch nicht so schick eingerichtet war und die Preise moderater waren. Man orientierte sich eben an der neuen Klientel im Viertel. Viele Tische waren mit meist weiblichen Frühstückern besetzt, Kinderwägen überall in den Gängen. Pfeffer erkannte auch einen beliebten Schauspieler. An der Bar schüttete Pfeffer schnell hintereinander einen doppelten Espresso und dann noch einen Macchiato hinunter und fühlte sich endlich besser. Er legte das Geld auf den

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