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mir im Augenblick nicht vorstellen. Auf jeden Fall solltest du vorsichtig sein. Das ist kein Scherz! Die Verwendung eines schallgedämpften Gewehrs deutet auf einen Profi hin. Legal sind Schalldämpfer nur mit Ausnahmegenehmigungen zu bekommen, und die werden praktisch nicht erteilt.«

      Steffi begann leise zu weinen. »Nimmt das denn kein Ende.«

      Kerner nahm sie tröstend in die Arme. »Sie meint, dass wieder die Mafia dahinter stecken könnte.«

      Brunner wiegte seinen Kopf. »Das kann ich mir eigentlich nicht vorstellen. Diese ganze Geschichte mit der Krähe ist eher untypisch. Ein Mafiakiller würde seinen Job machen und dann verschwinden. Aber ich werde auf jeden Fall morgen beim Landeskriminalamt nachfragen und mich nach eventuellen neuen Aktivitäten der Mafia im Main-Spessart-Bereich erkundigen. Sollte es da Hinweise geben, werde ich dafür sorgen, dass ihr Personenschutz bekommt.« Er legte Steffi seine Hand beruhigend auf den Arm, dann verabschiedete er sich. »Lasst hier bitte alles so liegen, wie es ist. Wir werden morgen wiederkommen und bei Tageslicht alles genau nach Spuren absuchen. Vielleicht finden wir das Projektil. Nachdem es den großen Blumentopf mit der vielen Erde durchschlagen hat, kann es nicht mehr weit geflogen sein. Vielleicht finden wir dort im Wald auch die Stelle, von der aus der Täter geschossen hat. Simon, seid auf jeden Fall vorsichtig!«

      Kerner brachte die Beamten und Brunner zur Tür.

      »Ich mache mir Sorgen um Steffi«, sagte er leise. »Du kannst sicher nachvollziehen, dass dieser Anschlag eine massive psychische Belastung für sie darstellt. Sie nimmt sich zwar zusammen, aber ich befürchte, dass bei ihr wieder die ganzen alten Ängste aufbrechen, die sie in der letzten Zeit weitgehend abgebaut hatte.«

      »Kannst du sie nicht für einige Zeit in Urlaub schicken, bis wir den Fall aufgeklärt haben?«

      Kerner hob die Schultern. »Ich werde mal mit ihr sprechen. Sehr zuversichtlich bin ich da aber nicht. Du kennst sie doch.«

      »Versuch es«, gab Brunner eindringlich zurück, dann hob er grüßend die Hand und ging.

      Kerner sah den abfahrenden Dienstfahrzeugen eine Weile nachdenklich hinterher, bis die Rücklichter hinter der nächsten Kurve verschwanden, dann schloss er die Tür und ging zurück ins Haus. Dort ließ er sofort wieder die Jalousie zur Veranda herunter.

      »Du denkst, wir werden beobachtet?«, fragte Steffi mit leiser Stimme. Ihre Blicke verfolgten jede seiner Bewegungen. Kerner merkte, dass sie sich alle Mühe gab, ihre Angst nicht zu zeigen; das leichte Zittern in ihrer Stimme war aber nicht zu überhören.

      »Schatz, das ist eine reine Vorsichtsmaßnahme, mehr nicht.«

      Als sie endlich zu Bett gingen, war es zwei Uhr. Kerner nahm Steffi in die Arme und versuchte, ihr ein Gefühl der Geborgenheit zu vermitteln. Nach einiger Zeit wurde ihr Atem gleichmäßiger, und sie war eingeschlafen. Es war allerdings kein erholsamer Schlaf. Immer wieder gab sie stöhnende Laute von sich und zuckte am ganzen Körper.

      Kerner machte die ganze Nacht kein Auge zu. Durch die geschlossenen Jalousien war es im Zimmer stockdunkel. Vor seinem geistigen Auge lief jedoch ein Film ab, der in dieser Nacht kein Ende nehmen wollte. Es war der Film, der ihm damals vom Mafiapaten zugestellt worden war und der zeigte, wie man der entführten Steffi mit Gewalt Heroin gespritzt hatte, um ihn zu erpressen.

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      Es war später Freitagnachmittag. Der Tag der Aussegnung Dr. Wilhelm Kürschners. Seit seiner Ermordung war einige Zeit vergangen, da der Tote zu Untersuchungszwecken im Institut für Rechtsmedizin gelegen hatte. Vorgestern hatte ihn die Staatsanwaltschaft nun zur Bestattung freigegeben.

      Simon Kerner parkte seinen Defender auf dem Parkplatz des Würzburger Waldfriedhofs. Mit ihm im Fahrzeug saß Roswitha Memmel, Richterin am Amtsgericht Gemünden am Main und seine ständige Vertreterin im Amt des Direktors dieses Gerichts.

      Kerner sah sich kurz um. Der Parkplatz war fast voll. Zwischen den Fahrzeugen konnte er viele bekannte Gesichter erkennen. Die Justiz war mit vielen hochkarätigen Persönlichkeiten vertreten.

      Immer wieder nach der Seite grüßend und viele Hände schüttelnd, näherten sich Kerner und seine Kollegin der Aussegnungshalle. Kurz vor dem Eingang entdeckte er Eberhard Brunner. Kerner entschuldige sich bei seiner Begleiterin, die schon mal die Halle betrat, und näherte sich dem Kommissar.

      »Du bist auch hier?«

      »Bei Mordopfern gehe ich gerne mal mit zur Beisetzung. Vielleicht kann man doch die eine oder andere Beobachtung machen, die einem weiterhilft. Geh ruhig rein, ich werde mich im Hintergrund halten.«

      Kerner nickte. »Sehen wir uns noch nach der Zeremonie? Ich habe allerdings meine Vertreterin dabei und muss Rücksicht auf sie nehmen.«

      »Simon, vielen Dank, aber ich habe keine Zeit. Es gibt einen zweiten Mord, der uns ziemlich auf Trab hält. Wir telefonieren.«

      Sie schüttelten sich die Hände, dann ging Kerner in die Aussegnungshalle. Bei einem kurzen Rundblick stellte er fest, dass für die Mitglieder der Justiz drei Stuhlreihen hinter der ersten Reihe reserviert waren, in der die Angehörigen Platz genommen hatten. Frau Memmel winkte ihm dezent zu, sie hatte einen Platz für ihn freigehalten.

      Die Aussegnungsfeier nahm geraume Zeit in Anspruch, denn es wurden diverse Reden gehalten. Alle Redner gingen mehr oder weniger ausführlich auf den brutalen Tod des Verstorbenen ein. Nachdem der Priester die letzten Gebete gesprochen hatte, versank der Sarg des Verstorbenen zu den Klängen von Mozarts Requiem im Boden der Aussegnungshalle. Der letzte Weg Dr. Kürschners würde ins Krematorium führen.

      Langsam verließen die Trauergäste den sakralen Raum und traten ins Freie. Die ernste Stimmung welche die würdige Zeremonie erzeugt hatte, löste sich im strahlenden Sonnenschein, der die Menschen außerhalb der Halle erwartete. Viele Juristen, die sich schon längere Zeit nicht mehr gesehen hatten, standen in Grüppchen zusammen und unterhielten sich. Überall war der gewalttätige Tod des Verstorbenen Gegenstand des Gesprächs. Andere wiederum, die weniger Zeit hatten, eilten zu ihren Fahrzeugen und fuhren davon. Auch Brunner lenkte sein Fahrzeug vom Parkplatz, wie Kerner beiläufig beobachten konnte.

      In diesem Augenblick wurde Kerner von der Würzburger Landgerichtspräsidentin und dem Leitenden Oberstaatsanwalt Armin Rothemund, seinem ehemaligen Mentor, angesprochen.

      »Wie ich gesehen habe, ist Kollegin Memmel auch hier«, stellte die Landgerichtspräsidentin fest. Sie blickte sich dabei suchend um.

      »Eben hat sie sich noch mit einem Kollegen aus Bamberg unterhalten«, erklärte Kerner, während er die Menschen in der Nähe musterte.

      Da entstand an der Seite der Aussegnungshalle, die von Kerner nicht eingesehen werden konnte, plötzlich Unruhe. Erregte Stimmen ertönten. Kerner und seine beiden Gesprächspartner blickten sich erstaunt an, dann eilten sie in stiller Übereinstimmung zum Ort des Geschehens.

      Um den Zugang zu den Toiletten hatte sich eine Menschentraube gebildet, die ständig größer wurde. Kerner drängte sich nach vorne.

      Durch die geöffnete Tür konnte man innerhalb der Toilette eine menschliche Gestalt erkennen, die regungslos auf den Fliesen des Raumes lag.

      Kerner trat einen Schritt näher und beugte sich über den mit einem schwarzen Anzug bekleideten Mann. Erschrocken richtete er sich wieder auf. Trotz der Verletzungen erkannte er den Mann. Es handelte sich um den jungen Rechtsanwalt Konrad Redelberger. Sein Jackett war offen, und man konnte in der Brust zwei Einschusslöcher erkennen. Seine Augen waren zwei blutige Seen.

      »Ich habe schon den Notarzt verständigt«, erklärte ein Trauergast von draußen, der ein Mobiltelefon in der Hand hielt.

      »Vielen Dank«, erwiderte Kerner, »aber da dürfte nichts mehr zu machen sein. Der Mann ist tot.«

      Durch die Gruppen der Umstehenden ging ein Raunen.

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