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nicht verloren.“43

      Gott, der unveränderliche und vollkommene, wäre nicht Gott, wenn er seinen Ratschluss, der von Ewigkeit her besteht,44 aufgrund unserer Bitten ändern würde. Gott sieht nach Eckhart von Ewigkeit her, was der einzelne Mensch frei wählen wird; und im Hinblick auf diesen freien Willensentschluss und die freigewollten Handlungen des Menschen – besonders mit Rücksicht auf dessen Gebet – fasst Gott dann seine unabänderlichen Ratschlüsse.45 Es geht hier um den spekulativen Versuch, die metaphysische Möglichkeit der Gebetserhörung zu erweisen. Das Gebet steht bei Eckhart im Rahmen der Vorsehung. Wirksam erbitten kann der Mensch nur das, was in Gottes ewigem Ratschluss bereits als Gebetserhörung vorgesehen ist. Das Gebet bedeutet somit weder ein veränderndes Eingreifen noch ein rein passives Sich-Fügen in den göttlichen Plan, sondern es ist eine „miterfüllende Kraft“ in der Entfaltung und Ausführung der göttlichen Pläne.46 Hier denkt Eckhart ganz im Sinne des Thomas von Aquin. Auch Thomas wehrt von dem Gedanken der Unveränderlichkeit Gottes her jede Überlegung ab, die dem Bittgebet irgendwelche kausale Wirkmöglichkeiten auf Gott zuzuschreiben sucht.47 „Gott kann und braucht nicht an etwas erinnert oder über etwas in Kenntnis gesetzt zu werden.“48 Und doch wird gleichzeitig an der Wirksamkeit der Bitte festgehalten.49 Der Vorwurf, dass dann der Weltverlauf letztlich determiniert sei, greift zu kurz, denn Gottes Vorsehung ist nicht im Sinne eines zeitlichen Vorhersehens zu verstehen, sondern als ein gegenwärtiges Sehen, das daher in keiner Weise determiniert.50 Providentia darf nicht im Sinne von Praevidentia oder Praescientia, nicht als ein Vorauswissen gleichsam der Zukunft, aufgefasst werden, sondern als das Wissen einer niemals erlöschenden Gegenwart. Spätestens seit Boethius (480-524) ist dieser Einwand aus dem Wege geräumt.51 Mit diesem Ansatz wird die Unveränderlichkeit Gottes einerseits und die menschliche Freiheit einschließlich eines sinnvollen Bittgebetes andererseits als einander nicht widersprechend dargestellt.52

      3. Erkenntnistheoretische Rahmenbedingungen sinnvollen Betens

      Gebet ist nur da sinnvoll, wo Gott als Du gedacht wird, wo er ein personales Antlitz trägt. Emil Brunner hat das Gebet in diesem Sinne einmal als „Prüfstein des Glaubens“ und die Theologie des Gebetes als „Prüfstein aller Theologie“ bezeichnet.53 Denn „ob wir unter Gott einen Ich-Du-Gott verstehen oder ein namenloses Absolutes, entscheidet über die Christlichkeit einer Theologie“.54 Griechische Philosophie kennt dagegen den personalen Gott, der sich dem Menschen zuwendet, nicht. Der Gott Platons und Aristoteles’ ist kein personaler Gott; Personalität scheint ein Proprium des jüdisch-christlichen Gottes zu sein. Vielleicht sind Anklänge an Gottes Personalität bei Plotin festzustellen,55 aber sie sind hier nicht sonderlich ausgeprägt, und der Gedanke einer Zuwendung Gottes zur Welt ist Plotin zeitlebens fremd geblieben.

      Nun hat aber Karl Jaspers zu Recht darauf hingewiesen, dass das Göttliche den Gegensatz von Subjekt und Objekt „umgreift“ und es darum auch als das Umgreifende, genauer: als „das Allumgreifende“ zu bezeichnen sei.56 Damit will er zum Ausdruck bringen, dass dieses kein Seiendes ist, das wir in der Welt vorfinden, sondern als Grund der Welt noch jenseits des Subjekt-Objekt-Gegensatzes anzusiedeln ist. Unter den Bedingungen der Existenz kommt der Mensch aber erkenntnismäßig niemals aus der Subjekt-Objekt-Spaltung heraus: Ich als Subjekt denke jemanden/etwas als Objekt.57 Wie aber kann man etwas denken oder über etwas sprechen, das im ontologischen, d.h. seinsmäßigen Sinne, an sich selbst nie Objekt ist?

      Auch der Religionsphilosoph und protestantische Theologe Paul Tillich (1886-1965) kommt in einer Ontologie-Vorlesung aus dem Jahre 1951 auf dieses Problem zu sprechen, wenn es dort heißt: „Man macht ihn [sc. Gott] logisch zum Objekt. Wenn man ihn aber logisch zum Objekt macht, kann man nicht verhindern, dass man ihn auch ontologisch zum Objekt macht, [...] d.h. er wird ein Seiendes, dem ich als Subjekt gegenüberstehe, das mir als Objekt gegenübersteht. In dem Augenblick, wo das geschieht, liegt etwas vor, was zugleich wieder zurückgenommen werden muss.“58 Denn, so schreibt Tillich weiter, „Gott kann nie Objekt werden, weil er seinem Wesen nach das ist, was jenseits von Subjekt und Objekt liegt. Machen wir ihn doch zu einem Objekt, tun wir etwas, was seinem Wesen widerspricht, und müssen es im Augenblick, in dem wir das getan haben, wieder zurücknehmen.“59 Tillich sucht das mit einem Verweis auf die Liebe zu plausibilisieren, wo es sich ähnlich verhält: „Die Liebe kann nicht aufrechterhalten werden, die Liebe ist innerlich zerbrochen in dem Augenblick, wo der andere zum Objekt für mich wird. Ein Objekt kann ich behandeln, managen, kann ich so und so dirigieren, den Geliebten kann ich nicht so und so dirigieren, er ist etwas, mit dem ich Gemeinschaft haben kann oder von dem ich in Hass getrennt sein kann. Aber das ist eine völlig andere Haltung.“60 Mache ich den anderen dagegen zum (bloßen) Objekt, dann kommt darin zum Ausdruck, dass ich ihn eben gerade nicht liebe.

      Zurück zum eigentlichen Thema: Zwar spreche ich beim Beten nicht über, sondern mit Gott, aber das Problem bleibt das gleiche. Das heißt, beim Beten tun wir eigentlich etwas, was vom Menschen her unmöglich ist: „Wir sprechen mit jemandem, der nicht irgendein anderer ist, sondern der uns näher ist, als wir uns selbst sind. Wir wenden uns an jemanden, der niemals Objekt unserer Hinwendung werden kann, weil er immer Subjekt ist, immer der Handelnde, immer der Schaffende. Wir sagen ihm etwas, obwohl er nicht nur schon weiß, was wir ihm sagen, sondern auch all die unbewußten Antriebe kennt, aus denen unsere bewußten Worte stammen.“61 So ist das Gebet eigentlich vom Menschen aus unmöglich. Aus diesem Grunde kommt Tillich zu dem paradoxen Satz: „Es ist Gott selbst, der durch uns betet, wenn wir zu ihm beten.“62 Das Gebet hat somit paradoxen Charakter, weil im Gebet zu jemandem gesprochen wird, mit dem man nicht sprechen kann, weil es kein Jemand ist. Im Gebet wird an Jemanden eine Bitte gerichtet, von dem man nichts erbitten kann, weil er gibt oder auch nicht gibt, ehe man ihn bittet. Im Gebet sagt man zu Jemandem „Du“, der dem Ich immer schon näher ist als dieses sich selbst.63

      Beim ernsthaften Gebet darf Gott eben nicht „wie ein beliebiger Gesprächspartner“ behandelt werden, sondern das ernsthafte Gebet ist „ein Sprechen zu Gott in dem Sinne, daß Gott zwar logisches Objekt ist für den, der betet. Doch kann Gott niemals zum Objekt werden, es sei denn, daß er gleichzeitig Subjekt ist.“64 Theologisch kann man das dadurch ausdrücken, dass man sagt, dass der göttliche Geist, der den Betenden ergreift, Gott selbst ist. Von hieraus ist auch der folgende Satz Tillichs zu verstehen: „Gott spricht durch uns zu sich selbst.“65 Das bedeutet, dass Beten eigentlich eine „unmögliche Möglichkeit“ ist,66 da hier die Subjekt-Objekt-Struktur überwunden ist. Nach Tillich drückt der Hl. Paulus dieses Paradox in klassischer Weise aus, „wenn er von der menschlichen Unfähigkeit zum richtigen Beten spricht und vom göttlichen Geist sagt, daß er die Betenden vor Gott vertritt ‚mit unaussprechlichem Seufzen‘ (Röm. 8,26)“.67

      Dass wir Gott Personalität zusprechen dürfen, wenn er auch nicht in dem Sinne Person ist, wie wir Personen sind, findet seinen letzten Grund darin, dass es eine Analogie zwischen Schöpfung und Schöpfer gibt. So wie das Kunstwerk immer schon einen Rückschluss auf den Künstler zulässt, so trifft das auch auf das Schöpferhandeln Gottes zu: Gott ist zwar nicht der Welt ähnlich, aber die Welt ist Gott ähnlich, wie es die mittelalterliche Philosophie und Theologie68 im Anschluss an Plotin vorgetragen hat, der diesen Grundgedanken erstmalig entwickelt hat; denn das Bewirkte kann nicht gänzlich verschieden sein vom Bewirkenden. Auf unser Problem angewandt, heißt dies: Wenn Gott Grund unseres Personseins ist, das sich wesentlich im Begriff der Freiheit dokumentiert, so kann er nicht weniger, sondern immer nur mehr sein als Person. Gott kann also nicht a-personal, sondern immer nur über-personal sein,69 und aus diesem Grunde dürfen wir ihn auch ansprechen als Person, als Du.

      Von daher ist es verständlich, dass nicht nur vom Unveränderlichkeitsaxiom her immer wieder kritische Einwände gegen das Gebet, besonders gegen das Bittgebet, erhoben wurden, sondern auch ausgehend von einer Ablehnung der Personalität Gottes. Am Beispiel von Karl Jaspers könnte das näher verdeutlicht werden.70

      Auf die Frage, warum überhaupt das Symbol des Personalen in Bezug auf Gott gebraucht werden muss, antwortet Tillich: „Das ‚Über-Persönliche‘

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