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dieser rigiden Muster im Denken, Glauben, Fühlen und Leben »vergifteten« seine innere Haltung, bis Toms Körper sie einfach nicht mehr »verdauen« konnte. Tom erzählte mir, seine Heilung habe begonnen, als er eines realisiert hatte: Seine unbewussten Einstellungen bildeten die Grundlage seines Zustandes – die Grundlage der Person, zu der er geworden war. Viele meiner damaligen Gesprächspartner sind irgendwann zu einem ähnlichen Schluss gelangt wie Tom.

      Um ihre innere Haltung sukzessive zu verändern, begannen sie damit, ihre Gedanken ständig zu überwachen. Insbesondere bemühten sie sich, ihre automatischen Denkprozesse genau zu beobachten, vor allem die schädlichen. Wie sie zu ihrer Überraschung feststellten, waren die meisten ihrer hartnäckig aufrechterhaltenen negativen inneren Behauptungen gar nicht wahr! Anders ausgedrückt: Nur weil wir einen Gedanken haben, bedeutet das noch lange nicht, dass wir ihm auch glauben müssen.

      Tatsächlich sind die meisten unserer Gedanken von uns selbst erfunden. Dass wir ihnen irgendwann Glauben schenken, geschieht aus Gewohnheit. Sheila, der Patientin mit den Verdauungsstörungen, fiel beispielsweise auf, wie oft sie dachte, sie sei ein Opfer und könne nichts an ihrem Leben ändern. Sie erkannte, dass diese Gedanken Gefühle der Hilflosigkeit auslösten. Als sie sie infrage stellte, musste sie zugeben, dass ihre hart arbeitende Mutter eigentlich nichts getan hatte, um Sheila davon abzuhalten, ihre Träume zu verwirklichen.

      Manche meiner Gesprächspartner verglichen ihre sich wiederholenden Gedanken mit Computerprogrammen, die den ganzen Tag im Hintergrund ihres Lebens abliefen. Doch da sie selbst diese Programme am Laufen hielten, konnten sie sie auch verändern oder gar löschen.

      Das war eine wesentliche Erkenntnis. Alle Menschen, mit denen ich im Rahmen meiner Untersuchung sprach, hatten irgendwann mit dem Gefühl gekämpft, ihre Gedanken seien unkontrollierbar. Sie mussten sie überwinden und sich dafür entscheiden, selbst frei über ihre Gedanken zu bestimmen. Jeder hatte irgendwann den Entschluss gefasst, gewohnte negative Denkprozesse zu durchbrechen, bevor sie zu schmerzhaften chemischen Körperreaktionen führen konnten. Diese Menschen hatten sich ganz klar entschieden, die Kontrolle über ihre Gedanken zu gewinnen und Denkmuster auszumerzen, die ihnen abträglich waren.

      Bewusste Gedanken werden zu unbewusstem Denken, wenn man sie nur oft genug wiederholt. Das bekannteste Beispiel dafür ist das Autofahren. Während der Fahrstunden müssen wir noch an alles denken, aber sobald wir Übung haben, können wir eine lange Strecke von A nach B zurücklegen und erinnern uns hinterher an keinen Teil des Weges, weil unser Unterbewusstsein die ganze Zeit über am Steuer saß. Jeder hat es schon erlebt, dass er routinemäßig, ohne jede bewusste Aufmerksamkeit, fuhr und sein bewusstes Denken sich plötzlich einschaltete, weil beispielsweise der Motor ein ungewohntes Geräusch von sich gab. Denken wir also ständig dasselbe, geschieht das zunächst zwar noch bewusst, doch mit der Zeit werden die Gedanken unbewusst und automatisiert. Für diesen Prozess existiert eine vernünftige neurowissenschaftliche Erklärung. Wenn Sie dieses Buch zu Ende gelesen haben, werden Sie auch die wissenschaftliche Sichtweise verstanden haben.

      Diese unbewussten Denkmuster werden zu unseren unbewussten Seinsmustern. Sie haben eine direkte Wirkung auf unser Leben – genauso wie bewusste Gedanken. Alle unsere Gedanken erzeugen biochemische Reaktionen, die ein bestimmtes Verhalten auslösen; insofern erzeugen auch unsere wiederholten, unbewussten Gedanken automatisierte Verhaltensmuster, die wir als nahezu zwingend empfinden. Diese Verhaltensmuster sind Gewohnheiten, die neurologisch im Gehirn »fest verdrahtet« werden.

      Es kostet Aufmerksamkeit und Mühe, den Teufelskreis eines unbewusst ablaufenden Denkmusters zu verlassen. Zuerst müssen wir unsere Routine durchbrechen und uns unser Leben ansehen. Durch Kontemplation und Selbstreflexion werden wir uns unserer unbewussten Drehbücher bewusst. Dann müssen wir lernen, diese Gedanken wahrzunehmen, ohne dementsprechend zu reagieren, um die automatischen chemischen Prozesse zu unterbinden, die ein bestimmtes Verhalten nach sich ziehen. Jeder Mensch trägt die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung, zur Beobachtung der eigenen Gedanken in sich. Wir müssen lernen, uns von diesen Programmen zu distanzieren, dann können wir sie auch beherrschen. So erlangen wir schließlich die Kontrolle über unsere Gedanken. Damit unterbrechen wir neurologische Verknüpfungen, die sich verfestigt haben.

      Da die Neurowissenschaft uns zeigt, dass Gedanken im Gehirn zu chemischen Reaktionen führen, erscheint es nur logisch, dass eine Veränderung unserer inneren Einstellung auch eine Wirkung auf unseren Körper haben muss. Unsere Gedanken wirken nicht nur auf die Art, wie wir leben; unsere Gedanken wirken bis in die Materie unseres Körpers hinein – ja, sie werden Materie.

      Ihre Überzeugung, Gedanken seien real wirksam und das, was Menschen denken, habe einen direkten Einfluss auf ihr Leben und ihre Gesundheit, brachte diese Menschen zu der Erkenntnis, dass ihr eigenes Denken sie in Schwierigkeiten gebracht hatte. Sie begannen, ihr Leben zu analysieren, und in dem gleichen Maß, wie sie ihr Denken veränderten, gelang es ihnen auch, ihre Gesundheit zurückzugewinnen. So kann eine neue Einstellung ebenfalls zu einer neuen Gewohnheit werden.

      Koinzidenz Nr. 3: Wir können uns selbst neu erfinden

      Diesen aufgrund ihrer physischen und mentalen Erkrankungen hoch motivierten Menschen war etwas klar geworden: Sie mussten konsequent am Denken neuer Gedanken festhalten. Um ein anderer Mensch zu werden, musste jeder sich in ein neues Leben hineindenken. Alle, die ihre Gesundheit wiedergewonnen haben, hatten irgendwann bewusst die Entscheidung getroffen, sich selbst neu zu erfinden. Jeder brach aus seiner täglichen Routine aus, verbrachte Zeit allein, reflektierte und dachte darüber nach, was für eine Art Mensch er denn werden wollte. Alle stellten sie Fragen und zogen ihre bisherigen Annahmen über sich selbst ganz grundsätzlich in Zweifel.

      »Was wäre, wenn …«-Fragen spielen bei diesem Prozess eine zentrale Rolle. Was wäre, wenn ich damit aufhörte, ein unglückliches, selbstbezogenes, leidendes Opfer zu sein, und wie stelle ich das an? Was wäre, wenn ich aufhörte, mir Sorgen zu machen, mich schuldig zu fühlen oder Groll zu hegen? Was wäre, wenn ich anfinge, mir selbst und anderen gegenüber aufrichtig zu sein?

      Diese »Was wäre, wenn …«-Fragen münden in andere Fragen: Welche Menschen in meinem Bekanntenkreis sind meistens glücklich und wie verhalten sie sich? Welche historischen Gestalten bewundere ich? Wie könnte ich ihnen ähnlich werden? Wie müsste ich reden, handeln und denken, um mich der Welt anders zu präsentieren? Was möchte ich an mir verändern?

      Das Sammeln von Informationen war ein weiterer wichtiger Schritt. Um neue Vorstellungen von sich selbst entwickeln zu können, mussten meine Gesprächspartner das, was sie über sich selbst wussten, entsprechend ummodeln. Jeder leitete erste Ideen aus seinen eigenen Lebenserfahrungen ab. Darüber hinaus durchforsteten sie aber auch Bücher und Filme nach Menschen, die sie beeindruckten. Aus den positiven Aspekten dieser Persönlichkeiten und den ihnen erstrebenswert erscheinenden Qualitäten bildeten sie das Rohmaterial für das Bild ihres eigenen neuen Selbstausdrucks im Leben.

      Ihre Erkundungen einer besseren Art des Seins brachte sie auch zu neuen Denkweisen. Sie unterbrachen den Strom der sich wiederholenden Gedanken, die sonst den größten Teil ihres Wachbewusstseins besetzt gehalten hatten. In dem gleichen Maß, wie sie die vertrauten, bequemen Denkgewohnheiten losließen, konnten sie neue Konzepte davon kreieren, wer sie werden wollten, und an die Stelle ihrer alten Vorstellungen von sich selbst neue Ideale setzen. Sie nahmen sich die Zeit, täglich mental zu üben, wie dieser neue Mensch sein würde. Wie im ersten Kapitel erwähnt, stimuliert das mentale Üben das Gehirn, neue neuronale Verbindungen herzustellen, und verändert die Art, wie Gehirn und Geist arbeiten.

      1995 wurde im Journal of Neurophysiology ein Artikel veröffentlicht: Er behandelte die Wirkung, die rein mentales Üben auf die neuronalen Netzwerke des Gehirns hat.6

      Neuronale Netzwerke sind individuelle Gruppen von Nervenzellen (oder Neuronen), die in einem funktionierenden Gehirn mit einer gewissen Unabhängigkeit zusammenarbeiten. Neuronale Netzwerke sind das neueste Modell, anhand dessen die Neurowissenschaftler darlegen, wie unser Lernen und unsere Erinnerung funktionieren. Sie können auch erklären, wie das Gehirn sich mit jeder neuen Erfahrung verändert, wie verschiedene Arten von Erinnerungen sich ausbilden, wie Fähigkeiten sich entwickeln, wie es zu bewusstem und unbewusstem Handeln

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