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Blick fest auf Notbremse und Steuerung gerichtet. Sie halten nur still, weil sie warten.“

      An späterer Stelle schreibt Bergmann:

      „Irgendetwas müsste diesen Wartenden das Gefühl geben, dass es einen Plan gibt, dass konkrete Schritte möglich sind, dass es eine gangbare Leiter gibt, die Sprosse für Sprosse hinaufführt zu der Kultur, die sie sich wünschen. Wenn ein Zeichen davon am Horizont erschiene, dann würden sie ihre Apathie ausziehen wie Regenmäntel. Dann würden sie die Ärmel hochkrempeln und würden anfangen, an einer mehr Leben gebenden und das Leben stärkenden Welt zu arbeiten.“

      Die Neue Arbeit setzt darauf, dass sich diejenigen, die zur anderen Kultur gehören, sich von der Idee der Neuen Arbeit inspirieren lassen. Die neue Arbeit und die andere Kultur könnten die Lücke füllen, die mit dem Tod der sozialistischen Idee entstanden ist.

      Was hindert uns daran, den Zug zu stoppen?

      Welche Kräfte sind es, die den Zug in Richtung Abgrund lenken? Warum scheint die gegenwärtige Organisation des menschlichen Zusammenlebens auf der Erde so ohne Perspektive?

      Bevor Frithjof Bergmann die Neue Arbeit als Ausweg aus der Misere entfaltet, führt er zur deutlicheren Abgrenzung noch einmal eine Analyse des Systems der Lohnarbeit durch.

      Zunächst einmal sind es vier Faktoren, die den gegenwärtigen Zustand verursacht haben:

      Erstens Arbeit ist alles

      Arbeit ist zu etwas geworden, was Frithjof Bergmann einen „Omni-Wert“ nennt.

      Arbeit hat für den modernen Menschen dieselbe Bedeutung wie einst die Büffel für die Indianer. Die Büffel wurden gegessen, die Häute zu Behausungen und Kleidungsstücken bearbeitet, die Knochen zu Werkzeugen. Der Büffel lieferte den Indianern alles, was sie brauchten. So geht es dem modernen Menschen mit der Arbeit. Außer dass er sie nicht jagen kann, sondern eher schicksalsmäßig zugeteilt bekommt. Arbeit beherrscht das ganze Leben.

      Ohne Arbeit ist der Mensch nichts.

      Arbeit sichert die menschliche Existenz. Arbeit ist gleichbedeutend mit Geld verdienen, ohne das man nicht leben kann. Aber nicht nur das. Sie sichert auch den sozialen Status und die Selbstachtung des Menschen. Ein Mensch ohne Arbeit ist nicht viel wert. Er fühlt sich nutzlos und überflüssig. Arbeit ist auch „alles“ in dem Sinne, dass sie viele andere Dinge verdrängt. Sie beansprucht Zeit, die für Familie und Freunde, zum Lesen, zum Musikhören und zum Nachdenken fehlt.

      Zweitens Abschaffung der Arbeit durch Automatisierung

      Der Prozess, der die Arbeit in der westlichen Zivilisation zum Omni-Wert gemacht hat, wird nun von der Automatisierung vollkommen unterlaufen. Automatisierung setzt Arbeitskräfte frei und macht damit die menschliche Arbeit zunehmend überflüssig. Einige Jahre gab es die Illusion, dass Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich diejenigen ersetzen könnten, die in der Industrie der Automatisierung zum Opfer gefallen sind. Aber diese Annahme hat sich schnell als Irrglaube herausgestellt. Es wird zunehmend selbstverständlich, dass ein Automat Fahrkarten verkauft und dass Bankgeschäfte per Internet erledigt werden. Das Resultat dieser Entwicklung ist eine paradoxe Situation: Es wird viel Energie und Intelligenz darauf verwandt, Arbeit abzuschaffen, jenes Gut, um das die gesamte menschliche Existenz eigentlich kreist.

      Drittens Globalisierung

      Industrialisierung und Automatisierung haben einen weltweiten Prozess in Gang gesetzt, der immer mehr Menschen nach Arbeit suchen lässt. Noch vor wenigen Jahrzehnten hat die Mehrzahl der Menschen auf dem gesamten Globus als Bauern in Dörfern gelebt und sie haben sich von dem Land ernährt, das sie als Bauern bestellt haben. Seitdem Agrarkonzerne das Land aufkaufen und Lebensmittel zu extrem niedrigen Preisen erzeugen können, haben immer mehr Bauern die Dörfer verlassen, weil der Acker sie nicht mehr ernährt. In Afrika, Asien und Südamerika sind riesige Wanderungsbewegungen im Gang. In letzter Zeit wird man sich im Westen der Problematik immer bewusster, die die sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen in China mit sich bringen.

      Millionen und Abermillionen Menschen ziehen in die Städte, in denen sie bestimmt keine Arbeit finden werden. Sie werden nur den Gürtel der Slums um die Metropolen vergrößern. Dieser Prozess vollzieht sich weltweit. Mit der bäuerlichen Arbeit verschwindet auch eine Lebensform. Bisher gibt es keinen adäquaten Ersatz. Im Jahr 2007 werden erstmalig mehr Menschen in Städten als auf dem Land leben.

      Viertens Wer entscheidet darüber, wie viel Arbeit es gibt?

      Wer eigentlich hat diese Situation herbeigeführt, dass immer weniger Menschen sich durch Arbeit ernähren können? Will man diese Frage beantworten, kommt eine Macht ins Spiel, die weltweit von Politikern und von der Bevölkerung „die Wirtschaft“ genannt wird. Dieses mächtige gottgleiche Wesen macht uns alle zu Bittstellern. Diese Macht kann Arbeitsplätze verschwinden lassen oder erschaffen. Politiker bringen dieser Macht immer wieder Geschenke und Opfergaben in Form von Steuerersparnissen und Subventionen, damit so die geheimnisvollen Kräfte walten, die Arbeitsplätze schaffen können.

      Summa summarum

      Diese vier Faktoren halten uns in einem Würgegriff, sie haben unseren Verstand und unsere politische Vorstellungskraft lahmgelegt. Es ist erschütternd banal: Arbeitsplätze sind unser Ein und Alles, der „Omni-Wert“ eben. Durch Automatisierung und Globalisierung werden permanent Arbeitsplätze abgeschafft, Arbeit wird ein immer knapperes Gut. Der Hunger nach Arbeit lässt uns die Wirtschaft als Heilsbringer verehren und uns ihr gegenüber immer noch ergebener, noch unterwürfiger werden. Frithjof Bergmann nennt das die Kopplung von Business und Arbeitsplätzen. Wir glauben, dass es keine andere Möglichkeit gibt. Der Zug ist nach wie vor in voller Fahrt. Es gibt viele Probleme, für die niemand eine Lösung kennt.

      ➤ Arbeitsplätze um jeden Preis

      Von allen Seiten ertönt der Ruf, mehr Arbeitsplätze zu schaffen, und diese Forderung ist absolut und nicht verhandelbar. Pazifisten rufen die weißen Tauben zurück, wenn in ihrer Kleinstadt eine Munitionsfabrik aufmacht. Arbeitsplätze gehen über alles.

      Was geschieht? Weitere Opfergaben werden der Wirtschaft dargebracht, denn ihre Gewinne müssen sich vergrößern, damit sie mehr Arbeitsplätze schaffen kann. Also nehmen die Politiker mit unsere Duldung Geld aus dem sozialen und kulturellen Bereich und spielen es der Wirtschaft in Form von Steuersenkungen zu. Die Wirtschaft wird immer mächtiger, und soziale und kulturelle Bewegungen ziehen sich in immer kleiner werdende Nischen zurück.

      ➤ Die Opfergaben gehen ins Leere

      Dabei ist die Wirtschaft äußerst uneffizient in ihrer Fähigkeit, Arbeitsplätze zu schaffen. Unsere Opfergaben gehen ins Leere. Mit maximalem Aufwand wird ein minimales Ergebnis erzielt. Der Wirkungsgrad der Arbeitsplatzerzeugungsmaschine ist lächerlich klein. Jeder wirtschaftlich denkende Betrieb hätte sie längst ausgemustert.

      Die Wirtschaft erobert immer mehr Bereiche, die einst unter kommunaler oder staatlicher Verwaltung standen, wie Krankenhäuser, Wasser- und Elektrizitätswerke, den sozialen Wohnungsbau, die Bahn und die Post.

      Um den Kessel unter Dampf zu halten, werden in übertragenem Sinne die alten Familiengemälde, wertvolle Möbel, Bücher und das Klavier verheizt.

      ➤ Das Verhältnis von Wirtschaft und Ökologie

      Irgendwann kollidieren die ökologischen Interessen mit denen der Wirtschaft. Egal ob es um die Qualität des Wassers, der Luft oder die Bewahrung der Schönheit eines Tales geht, meist kommt es schnell zum Entweder-oder zwischen Naturschützern und der Wirtschaft: Entweder lasst ihr Grünen von euren Ansprüchen oder wir gehen mit unseren Arbeitsplätzen woandershin. Dieses erpresserische Argument funktioniert in den allermeisten Fällen.

      ➤ In der Dritten Welt

      Auch hier tut die Kopplung von Business und Arbeitsplätzen ihr Werk. Millionen von Menschen sind ohne Arbeit und leben in Slums, und die Regierungen betteln vor den Toren der Wirtschaft, sie möge zu ihnen kommen und sich dort ansiedeln.

      Unter

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