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in jedem Einzelnen, fehlt bei diesem Bild etwas, um wirklich rund zu sein, nämlich nichts weniger als die zweite Hälfte: Neue Arbeit ist bewusst und mit aller Kraft auch ein politisches Konzept. Nach einer langen Vorbereitungszeit, mit der wir durchaus gerechnet hatten, wird sie jetzt schrittweise auch auf dieser Ebene realistisch und praxisnah. Das zu zeigen ist eine der wichtigsten Beiträge dieses Buches. Diese zweite Hälfte ist bisher zu kurz gekommen. Viele haben in der Neuen Arbeit hauptsächlich etwas zu ihrer eigenen Erbauung finden wollen und in dem 2004 erschienenen Buch Neue Arbeit – Neue Kultur nur eine Anleitung dafür gesehen, wie man einen Job finden könnte, der einem mehr entspricht.

      Das Unterfangen Neue Arbeit, das vor dreißig Jahren initiiert wurde, war von allem Anfang an beides – höchst persönlich und individuell, aber gleichzeitig ebenso politisch und sozial. Man könnte sagen, dass gerade in dem Zusammenkommen dieser zwei Hälften ein Hauptcharakteristikum der Neuen Arbeit liegt, eine Qualität, in dem sie sich von vielem anderen unterscheidet.

      In diesem Vorwort möchte ich das Politische besonders unterstreichen. Und zwar auch deshalb, weil Stella Friedland dieser Seite gerechter wird als andere und sie es verstanden hat, diesen Aspekt aus dem Schatten zu holen und angemessen ins Licht zu rücken. In ausgiebigen Gesprächen über viele Wochen hinweg haben Stella Friedland und ich immer wieder neu nach dem Ausschau gehalten, was den Kern der Neuen Arbeit ausmacht. Und dankenswerter Weise hat Stella Friedland es dann auf sich genommen, aus alldem ein kleines dichtes Buch zu formen. Es ist ihr aus ihrer eigenen Biographie und dem davon bestimmten Denken heraus gelungen, dem Leser mit Kunst und Charme und manchmal auch mit sanftem Drängen ein viel helleres Verständnis von dem größeren, dem umfassenderen politisch-sozialen Anliegen der Neuen Arbeit zu vermitteln.

      Das Absterben des Sozialismus war der Ur-Impuls, der bei der Geburt der Neuen Arbeit Pate stand. Der Kern des sich weiterentwickelnden Komplexes von Vorschlägen und Ideen ist der Versuch, einen Weg zu zeigen – von der Seite des Verfalls hinüber auf die andere Seite eines durchdachten Aufstiegs. Das Aufzeigen dieses Weges hat Ähnlichkeit mit dem Überqueren eines Bachs: Hier ist der erste und da der zweite und dort der dritte Stein, auf den man treten kann.

      Bei vielen Lesungen und Vorträgen und Diskussionen blieb das Verständnis für die politische Hälfte der Neuen Arbeit blass und fahl. Eine der schönsten Seiten des hier von uns vorgelegten Buches ist, dass es diesen Mangel korrigiert. Wenn Sie, lieber Leser, zu der großen Mehrheit derer gehören, die klar und deutlich sehen, dass die Welt nach unten geht, Sie als Antwort darauf aber nur ermüdet mit dem Kopf wackeln können, weil Sie weder ein Aufhalten und schon gar nicht eine Umkehr, eine Wende nach oben, für überhaupt noch denkbar halten, dann, bitte, halten Sie Ihren Kopf mit beiden Händen fest – und lesen Sie dieses Buch!

      Frithjof Bergmann

      7. Mai 2007

      Einleitung

      Industrialisierung, Automatisierung und Computerisierung haben Millionen Menschen die Arbeit genommen. Der Produktionsprozess kommt ohne sie aus. Der Mensch ist überflüssig geworden. Zur Jahrtausendwende waren weltweit über eine Milliarde Menschen ohne Arbeit – ohne Lohnarbeit wohlgemerkt. Denn das, was wir heute unter Arbeit verstehen, eine Beschäftigung, die bezahlt wird und die Lebensgrundlage bildet, gibt es in der Menschheitsgeschichte erst seit einem eher kleinen Zeitabschnitt. Und dieser Zeitabschnitt ist vorbei. Lohnarbeit für alle wird es niemals mehr geben.

      Ist das nun eine große Tragik in der Menschheitsgeschichte?

      Ist es ein großes Unglück, dass der Mensch für den industriellen Produktionsprozess nicht mehr gebraucht wird? Ist es tatsächlich notwendig und erstrebenswert, jeden Tag dieselbe stupide Tätigkeit auszuführen?

      Vielleicht stellt uns die Tatsache, dass unmöglich alle Menschen ihren Lebensunterhalt mit bezahlter Arbeit verdienen können, nur vor die Herausforderung, Arbeit wieder anders zu definieren. Anders über Arbeit nachzudenken.

      Eine „Neue Arbeit“ zu erfinden.

      Die Antwort auf diese Frage findet sich auf 420 Buchseiten unter dem Titel Neue Arbeit – Neue Kultur. Der „Erfinder“ der Neuen Arbeit, der amerikanische Philosoph Frithjof Bergmann, macht es seinen Lesern, die die Dinge gern klar vor sich sehen, dabei nicht leicht: „Wenn man mich persönlich auffordert, das, was ich unter Arbeit verstehe, in ein oder zwei Sätzen zu formulieren, so lehne ich das stets strikt und entschieden ab.“

      Und an anderer Stelle betont er: „Die Neue Arbeit ist komplex, überraschend und schwer zu begreifen.“ Lassen Sie sich davon nicht abschrecken. Zwar ist das Konzept der Arbeit eine komplex verschachtelte Zusammenstellung einzelner Bestandteile. Doch sie ist für jeden Menschen leicht zu verstehen.

      Also, los geht’s!

      Die „alte Arbeit“ sieht wie gesagt so aus: man arbeitet und wird von jemandem dafür bezahlt, dem diese Arbeit irgendwie nützlich ist. Der erhaltene Lohn dient dem Lebensunterhalt und dem Erhalt der Fähigkeit, diese Arbeit zu verrichten. Nur sehr wenige Menschen mögen ihre Arbeit wirklich. Frithjof Bergmann spricht von einer „milden Krankheit“, die man erduldet und auf deren baldiges Ende man täglich, monatlich, jährlich hofft. Es gibt noch immer jede Menge Arbeit, die den Geist unterfordert, Kräfte verschleißt, Nerven und Gesundheit zerstört.

      Und diese „milde Krankheit“, für die es Geld gibt, ist dabei, auszusterben. Eigentlich kein großes Drama, würden nicht viele Menschen den Zustand, ganz ohne Arbeit zu sein, als noch schlimmer empfinden als die milde Krankheit.

      Neue Arbeit kann jeder. Sie beginnt mit der Selbstversorgung. Arbeit, die man für sich selber tut. Entweder um Geld zu sparen, um weniger von der milden Krankheit erdulden zu müssen oder auch um ganz und gar ohne Lohnarbeit klarzukommen. Und wenn man es dann geschafft hat, seinen Lebensunterhalt zu sichern, dann kommt das Gegenteil der milden Krankheit: die wirklich, wirklich gewollte Arbeit. Eine Arbeit oder ein Tun, das man liebt, das man aus tiefstem Herzen und mit größter Leidenschaft tun möchte, das ungeahnte körperliche und seelische Energien freisetzen kann. Jene Tätigkeit, bei der man, statt auf der Uhr nach dem Feierabend zu schielen, Raum und Zeit vergisst. Eine Arbeit, die jeden zum Künstler machen kann und in einen Schaffensrausch versetzen. Eine Arbeit, die den eigenen Fähigkeiten entspricht, die Herausforderung und Berufung zugleich ist. Ein Privileg, das bisher nur sehr, sehr wenigen Menschen zuteil geworden ist und schon immer der größte Traum aller Sozialromantiker war.

      Selbstversorgung, als Voraussetzung dieser Art von Arbeit, meint dabei nicht das ländliche Dasein mit Kuh und Schaf auf der Weide, selbstgestricktem Pullover und selbst eingekochter Marmelade.

      Die Selbstversorgung im 21. Jahrhundert nutzt alle technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts. Frithjof Bergmann nennt das High Tech Self Providing, „High-Tech-Eigen-Produktion“, abgekürzt HTEP. Er ist ständig auf der Suche nach den neuesten technologischen Entwicklungen, die der Selbstversorgung dienlich sein können. Durch kluges Vernetzen und geschickte Anwendung sollen diese Technologien garantieren, dass einerseits niemand Hühner auf dem Balkon halten und andererseits niemand auf die Annehmlichkeiten des modernen Lebens verzichten muss, ohne dabei dem Konsumwahn zu verfallen.

      Was so einfach klingt, könnte eine enorme gesellschaftsverändernde Kraft entfalten. Wenn mehr Menschen die vorhandene Erwerbsarbeit unter sich aufteilen würden, gäbe es weniger Arbeitslose. Das setzt natürlich den Willen und die allgemeine Bereitschaft zur Um- und Neuverteilung der Arbeit voraus.

      Wenn man sich entschließen könnte, sein Leben und seine materiellen Ansprüche zu überdenken und neu zu ordnen, auf Überflüssiges zu verzichten und das, was man für ein gutes Leben braucht, gemeinsam mit anderen selbst herzustellen, könnten wir vielleicht dem Konsumterror und der Überflussgesellschaft, den falschen Bedürfnissen und der ökologischen Katastrophe entkommen.

      Ja, und wenn dann noch alle Menschen die Möglichkeit hätten, etwas zu tun, wozu sie sich berufen fühlen, etwas, das sie wirklich gut können,

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