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Werkzeugkasten war ein kleiner Ölbehälter angebracht. Hinter dem Schraubstock war an einem erhöhten Rand ein Gestell für die technischen Zeichnungen. Bei der Erklärung hörte ich das erste mal das Wort „Technische Zeichnung“. Hinter dem Werkbankfuß unter dem Schraubstock hing ein Handfeger. Im unterem Schub im Werkzeugkasten hatte jeder noch eine Gewindebürste. Damit wurden die Werkstücke abgebürstet. Er war untersagt, Späne oder andere Anhaftungen von den Werkstücken zu pusten.

      Der Lehrausbilder vom Dienst mahnte: „Fertigwerden!“ und pfiff kurz darauf mit seiner Trillerpfeife. Wir mussten antreten. Die rechten Flügelmänner standen nach dem „Käffterle“ unserer Lehrausbilder. Wir blickten in Richtung Bahnhof Heinrichs.

      Das ging dann so: „Stillgestanden! – Richt Euch! – Augen gerade aus! – Zur Meldung die Augen links!“ – und er postierte sich vorm Lehrmeister Dietz und meldete, dass wir angetreten waren. Wir Neulinge aus dem Lehrlingsheim marschierten durch Heinrichs und die Sonne schien auf die Rücken unserer Vordermänner. Dann mussten wir die lange Treppe hochsteigen. Bei diesem Rückmarsch waren nun auch die dabei, die direkt zum Betrieb angereist waren. So wurden dann noch drei weitere Lehrlinge in die Stube eins einquartiert. Sie stammten alle drei aus Frankenhain in der Rhön. Das brachte nun mehr Leben in unsere Bude. Sie kannten sich und brauchten nicht zu testen, wie der eine oder der andere wohl reagieren würde. So schwafelten sie munter darauf los und wir standen außen vor. Dazu benutzten sie ihren Dialekt, der dem Suhler ähnlich war. Außerdem kannten wir die Probleme in ihrem Dorf nicht.

      Einer von ihnen, Rudi Dietzel, wurde von Robert Kleingünter eingewiesen. Er meckerter, weil er zum Schlafen nun hochsteigen müsse. Auch wenn er sich so mal hinlegen wolle, müsse er immer hochklettern. Die anderen zwei mussten das noch freie Doppelbett beziehen. Unter ihnen war noch ein Dietzel, mit Vornamen Heinz. Der dritte im Bunde hieß Ernst Abbe. Die drei Frankenhainer waren „Anlernlehrlinge“ und hatten nur zwei Jahre Lehrzeit. Solche Berufe waren Dreher, Fräser und Hobler, Schweißer und Härter wohl auch.

      Der nächste Tag begann im Heim wie der erste Tag. Robert tutete vier mal und es ging raus aus den Betten. Beim Marschieren konnte ich mich wieder ärgern, weil die Lieder zu tief angestimmt wurden. Ich hatte noch keinen Stimmbruch.

      Heute ging es gleich zu den im Keller liegenden Umkleide- und Waschräumen, wo wir unsere Tasche im zugeordneten Spind ablegen konnten. Wir gingen nur mit der Brotbüchse nach oben. Die musste ja in das Fach im Rollschrank, der kurz vor sieben Uhr verschlossen wurde. Im Keller kam man so ohne weiteres auch nicht an sein Spind. Dazu musste erst der Schlüsselkasten durch den Lehrausbilder vom Dienst geöffnet werden, der dann gleich wieder verschlossen wurde, wenn der letzte Schlüssel wieder im Kasten war. Für jede Gruppe gab es einen Schlüsselkasten. Die waren in der Nähe der betreffenden Spindreihen angebracht. Wer zu spät kam, hatte ein Spießrutenlaufen zu überstehen.

      In der Werkstatt, genau Lehrwerkstatt I, abgekürzt LW I, warteten wir an unseren Plätzen der Dinge die da kommen sollten. Fünf vor sieben hupte es. Es war also der Piepston zu vernehmen, der von Lautsprechern ausgestrahlt wurde. Über diese Lautsprecher konnten auch Durchsagen erfolgen oder Rundfunksendungen übertragen werden. Es erfolgte wieder ein Trillerpfiff mit der Aufforderung, anzutreten. Das hatte im Marsch-Marsch-Tempo zu erfolgen. In einer knappen Minute standen wir. Nach der Meldung an den Meister gab der seine Anweisungen. So war das dann jeden Morgen. Noch vorm Signal zum Arbeitsbeginn wurde weggetreten und man stand um sieben vor seinem Schraubstock. Nun konnten wir uns weiter an unseren U-Stählen auslassen. Wir erlernten Ausdauer und dazu zu schweigen. Die Schruppfeilen, die wir benutzen sollten, waren am Blatt um die 400 Millimeter in der Länge. Scharf war keine von ihnen, aber darum ging es auch nicht am Anfang. Das Führen der Feile war wichtig.

      Nebenbei wurden Wege erledigt. So kam ich an diesem Tag das erste Mal in das Büro. Es lag eine Treppe tiefer. Der Weg dort hin führte über den Speisesaal zur Werkberufsschule. In dem dortigen Gang die erste Tür links war das Büro. Gleich hinter der Tür befand sich eine Barriere, die nicht gestattete, weiter in diesen Raum zu treten. Der Raum war so groß wie ein Klassenraum der darüber liegenden Berufsschule. Als Büro galt nur ein kleiner Teil dieses Raumes. Der Rest war auf den dazugehörigen Schreibtischen mit Zeichengeräten voll gestellt. Dort arbeiteten die ersten Technischen Zeichner, die ich erblicken durfte. Ich wusste es nicht genau. Ich ahnte es nur.

      Unsere Gruppe feilte bis Mittag. Nach dem Mittag gingen wir in die Schule. Wir erfuhren, in welchen Fächern wir unterrichtet werden. Darunter war auch Technisches Zeichnen. Ich hatte ab diesem Tag im ersten Lehrjahr jeden Dienstag Berufsschule. Der Marsch ins Heim begann an diesem Tag später, also erst nach der regulären Arbeitszeit für Lehrlinge unter 16 Jahren.

      Die folgenden Tage wurden neben der Feilerei dazu benutzt, weitere Aufnahmebedingungen zu erledigen. So der Gang zu Betriebsarzt und zum Fotografen, von dem das Passbild für den Betriebsausweis aufgenommen wurde.

      Ebenfalls wurden uns verschiedene Verhaltensregeln beigebracht. Wenn einer zur Toilette musste, die im Keller war, hatte er sich beim Lehrausbilder abzumelden. Dazu musste man sich in der Haltung „Stillgestanden“ in der Nähe des Lehrausbilders postieren und warten, bis er zum Ausdruck brachte, das er einem Anliegen Gehör schenken würde. Vor dem Sprechen hatte der Bittende einen ordentlichen „Deutschen Gruß“ zu leisten. Nach dem Gruß war zu sprechen. Der Lehrausbilder überprüfte dann, ob nicht andere der Gruppe schon unterwegs waren und gestattete dann oder nicht.

      Wenn man nun unterwegs war, hatte man Vorgesetzte ordentlich zu grüßen. Im Treppenhaus mit Kopfwenden und außerhalb mit „Deutschem Gruß“. Beides ohne zu sprechen. Traf man unterwegs zwei Vorgesetzte an, die im Gespräch waren und dazu den gesamten Weg nutzten, hatte man Haltung anzunehmen und zu warten. Wenn die Vorgesetzten aufmerksam würden, sei zu fragen, ob man vorbeigehen dürfe. Man hatte so zu fragen: „Lehrling sowieso bittet vorbeigehen zu dürfen.“ Erst wenn das gestattet wurde, durfte man weitergehen. So ähnlich war es auch, wenn man zur Toilette wollte. In diesem Fall musste man dann sagen: „Lehrling sowieso bittet austreten gehen zu dürfen.“

      Im Lehrlingsheim wie im Betrieb wurde militärische Disziplin gefordert. Beim Heimleiter Erhard Haider empfand man das nicht so. Er pflegte mehr einen „kumpelhaften“ Umgang mit uns, war hilfsbereit aber bestimmt. Er machte keine Ausnahmen. Ich glaube, wir alle hatten volles Vertrauen zu ihm. Man konnte sich mit jedem Problem an ihn wenden. Nach meinem heutigen Wissen würde ich ihm hohes pädagogisches Geschick nachreden.

      Mit meinem Geschick sah es da nicht so gut aus. Das betrifft nicht die fachliche Ausbildung im Betrieb, sondern das Leben außerhalb desselben. Im Frühjahr eines jeden Jahres fanden im deutschen Reich die Sportwettkämpfe der Jugend statt. Zum Sportabzeichen wurden in der Regel die Disziplinen 100-Meterlauf, Weitsprung und Schlagballweitwurf gefordert. Wer 150 Punkte erreichte, bekam das Sportabzeichen. Ich weiß nicht mehr, wo wir das im Heim gemacht haben. Jedenfalls war ich unter den besten Zehn von den 80 Lehrlingen im Heim, die man als Hitlerjugendgefolgschaft zählte. Diese zehn Besten mussten zum Ausscheid in der nächst höheren Klasse. Ich glaube, die nannte sich „Gebiet“. Dieser Wettkampf fand auf dem Suhler Sportplatz statt, wo ich nicht nur das erste mal eine Aschenbahn sah, sondern sie auch noch benutzen durfte.

      Der dazu vorgesehene Tag war kalt und regnerisch. Vom Warmmachen oder Warmlaufen hatte ich keine Ahnung und verhielt mich vor dem 100-Meterlauf recht ruhig, um Kräfte zu sparen. Das war die erste Disziplin, die ich absolvieren sollte. Ich ging an den Start und bibberte vor Aufregung und Kälte. Neben mir hockten recht kräftige Kerle, die mindestens ein Jahr älter waren als ich. Die sah ich dann auch von hinten und ich strengte mich an, sie aufzuholen. Doch als ich glaubte heranzukommen, spürte ich in meinem linken Oberschenkel einen stechenden Schmerz und musste noch vor dem Ziel aufgeben. Ich humpelte danach zum Weitsprung. Dort hockte ich mich zur Seite und wartete, bis ich aufgerufen wurde. Ich lief an und der stechende Schmerz kam bald wieder. Ich verwechselte dazu noch mein Sprungbein und sprang links ab. Ich sackte aber nur noch in den Sand der Sprunggrube und da war erst einmal Schluss.

      Erhard Haider war aber gleich da und man trug mich zu einem Auto, in dem er mit mir zum Docktor Schirmer in Suhl gefahren wurde. Der wollte einen Muskelriss festgestellt haben. Nun war für mich das Stehen

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