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über die Straße vom Betrieb zum Bahnhof, wo man einen recht steilen Anstieg ausmachen konnte. Wir bogen aber nun von der Straße ab und marschierten durch das Tor.

      Hinter dem Tor hieß es dann: „Vorne kurz treten! – Reihe rechts!“. Wir marschierten die mir schon bekannte Treppe hinauf. Oben ging es durch eine Tür nach rechts in einen riesigen Saal. Wir wurden auf unsere Plätze eingewiesen. Hinter uns saßen schon auf voll besetzten Stühle Hitlerjungen, die nicht alle die Winteruniform trugen, sondern das Braunhemd und kurze Hosen.

      In gedämpfter Unterhaltung warteten wir. Der Saal füllte sich mehr und mehr. Die Stühle für uns Neulinge standen längs in Richtung der Bühne auf der rechten Seite des Saales. Teilweise waren hinter uns noch Faltwände aufgezogen. Auf der Bühne war ein riesengroßes Hitlerbild. Vor der Bühne stand ein Rednerpult. Auf der Bühne links und rechts je eine Fahnengruppe und dann noch junge Männer in blauen Arbeitsanzügen, von denen einige einen neuen Vorschlaghammer bei sich führten. Die Hammerträger nahmen verschiedene Positionen ein. Einmal trugen sie den Hammer auf der Schulter oder er stand mit dem Stiel nach oben vor den leicht gespreizten Beinen.

      Die Gustloff-Werke hatte sich für eine Einstellungs- und Freisprechungsfeier gerüstet. Wir wurden also in den Betrieb feierlich aufgenommen und die, die ihre Facharbeiterprüfung bestanden hatten, wurden feierlich frei gesprochen, also vom Ausbildungsvertrag gelöst. Sie wurden Gesellen, zunächst aber Jungfacharbeiter genannt. Dazu gab es nun mehrere kernige Nazireden, Gedichte und gesungen wurde auch, zum Schluss das Deutschlandlied und „Die Fahne hoch!“ Die Stimmung im Raum war sehr feierlich. Schon die ausgewählte Musik brachte das hervor. Ein Streichquartett spielte „Deutschland heiliges Wort“ und je nach Ablauf einige andere Stücke. Die Jungfacharbeiter, die uns Neuen direkt gegenüber saßen, wurden der Reihe nach aufgerufen und erhielten in Gruppen ihren Facharbeiterbrief. Einer von ihnen hielt eine Dankesrede. Ich war sehr beeindruckt.

       Lehreinführung 1940, Horst Riemenschneider in der 2. Reihe rechts

      Später standen wir in einer großen Werkstatt, wo man uns in Gruppen zu je 20 Lehrlingen einteilte. Ich kam in die Gruppe eins zum Lehrausbilder Huckert oder so ähnlich. Seinen Namen konnte ich mir schon damals nicht merken. Ihm war noch ein Geselle untergeordnet. Beide waren so um die 40 Jahre. Der Meister hieß Dietz und organisierte alles. Er hatte sein „Käfterle“, wie wir sagten, gleich gegenüber der Eingangstür. Hinter ihm war die Werkzeugausgabe, ein etwa gleich großer Bereich. Beide Bereiche lagen hinter einer etwa 1,20 Meter hohen Holzbarriere, auf die starke, durchsichtige Glasscheiben gesetzt waren, über die man nicht hinüberreichen konnte. Das ganze machte einen modernen Eindruck. Wenn man durch die stählerne Doppeltür in die Werkstatt eintrat, war links eine Wand und man musste sich vor dem Meistersitz nach rechts wenden in einen breiten Gang, an dessen Ende sich vor einem Fenster für die Lehrausbilder der Gruppe eins ein ähnliches „Käfterle“ befand, wie das des Meisters. Es war aber um eine Stufe höher gesetzt. Zwischen dem Gang, in dem wir 120 Lehrlinge „in Linie“ antreten konnten, und den Werkbankreihen befanden sich vier starke Säulen, an denen verschiedene Maschinen standen. Das waren Schleifböcke und Bohrmaschinen. Auf der in dieser Blickrichtung liegenden linken Seite waren nur Werkbänke. Auf der rechten Seite, die durch den Treppenaufgang kürzer war, stand gleich um die Ecke ein Glühofen. Dieser wurde mit Gas betrieben. Auch ein Ambos stand dort und in der Ecke ein Bunsenbrenner. Zwischen Ambos und Bunsenbrenner befand sich ein Wasserbottich. Dann kamen weiter Werkbänke und ein freier Platz. Hinter dem freien Platz stand an der Wand, gleich neben dem „Käffterle“ der Lehrausbilder, eine Drehmaschine. Damals sagte man noch Drehbank dazu.

      Meine Gruppe arbeitete an den Werkbänken hinten links. Ich erhielt meinen Platz in der zweiten Reihe. Er lag an einem Gang. Bei der Verteilung der Plätze ging es danach, wie der betreffende Schraubstock zur Körpergröße passte. Der Schraubstock sollte so hoch sein, dass bei den auf die Schraubstockbacken aufgestützten Ellenbogen die zur Faust geballte Hand des Armes noch bequem unter das Kinn passte. Für jene, für die kein Schraubstock gefunden wurde, richtete man die Höhe ein. Dazu wurden entweder ein oder mehrere passende Klötze unter den Schraubstock gebaut oder entfernt. Kleinere Kerle, die trotz der Entfernung der Unterlagen noch nicht hinreichten, bekamen unter die Füße einen dreieckigen Untersatz aus Holz, der für die geforderte Fußstellung ausreichte. Solche Fälle gab es mehrere, denn wir waren ja meistens erst vierzehn Jahre alt und noch im Wachsen.

      Es bekam jeder einen Platz an einem Schraubstock, egal, welchen Beruf man erlernen wollte. So auch zwei Mädchen, die eine kaufmännische Ausbildung anstrebten. Ich konnte mir auch noch immer nichts unter dem Beruf des „Technischen Zeichners“ vorstellen. Das verriet ich aber niemandem. Ich musste, wie die anderen, erst einmal das Feilen lernen.

      Nachdem die Plätze eingeteilt waren, ging es in den Keller zu den Umkleide- und Waschräumen. Jeder bekam einen Spind zugewiesen, in dem man seine Tasche ablegen konnte. Die für uns bestellten Arbeitsanzüge waren noch nicht eingetroffen. Wieder oben angekommen, erhielt jeder in einem Rollschrank neben der letzten Werkbank ein Fach, in dem er die Brotbüchse aufbewahren konnte. Danach wurde der Schrank abgeschlossen. Unsere Brotbüchsen waren aber meistens schon leer. Wir wurden weiter eingewiesen, dass vor dem Frühstück und vor dem Mittagessen ein Waschraum aufgesucht wird, wo die Hände zu waschen sind. In dem Waschraum, der eine Treppe tiefer lag, waren viele Waschbecken, ich schätze so um die dreißig. Neben dem Ausgang des Waschraumes, waren etwa 20 Handtücher aufgehängt, mit denen wir uns die Hände abtrocknen konnten. An den Waschbecken befanden sich Behälter mit Waschpaste. Vor dem oben liegenden Speiseraum stand der „Lehrausbilder vom Dienst“ und kontrollierte, ob die Hände sauber waren.

      Als erstes erklärte uns der Lehrausbilder die Grundbegriffe des Feilens und zeigte, wie es gemacht wird. Für jeden lag ein U-Stahlstück bereit. Das wurde mit den Schenkelenden nach oben quer in den Schraubstock gespannt. Die Feile sollte gleichmäßig über die beiden Schenkelenden mit dem entsprechenden Druck geführt werden. Ein allgemeines Fietschen begann und wurde fast unerträglich, bis die Lehrausbilder uns erklärten, dass die U-Stahlstücke tiefer gespannt werden müssten. Laufend wurden unsere Übungen von den Ausbildern überprüft und korrigiert. Bald war es Mittag geworden und unser Weg führte über den Waschraum zum Speisesaal.

      Schon im Anschreiben für die Anreise war uns mitgeteilt worden, wie viel Geld für welche Zwecke wir mitbringen sollten. Das waren Gelder für die Arbeitsanzüge, die Schulbücher und letztlich auch für Essenmarken zum Mittagessen. Das Essen kostete 60 Reichspfennige, für uns Lehrlinge die Hälfte.

      Frühstück und Mittagessen wurde in zwei Schichten eingenommen. Das erste Lehrjahr war immer in der zweiten Schicht. Im Speisesaal hatte jede Gruppe ihre festgelegten Plätze. Die Gruppen saßen in mehreren Längsreihen. Am Ausgang zur Betriebsberufsschule stand eine Tischreihe quer vor den Stirnseiten der anderen Tischreihen, an welcher der Betriebsleiter der Berufsausbildung, der noch nicht vorhandene und erwartete Abteilungsleiter, Meister Dietz und der Berufsschulleiter Dr. Wacker sowie einige Lehrer ihre Frühstücks- und Mittagspausen verbrachten. Unsere Plätze waren am seitlichen Gang an einer Faltwand. Die Lehrausbilder saßen bei ihren Gruppen an den Plätzen, die der Querreihe mit den höheren Herren am nächsten waren. Die Essenausgabe war gleich links, wenn man von der Lehrwerkstatt in den Speiseraum trat.

      Die Mittagspause dauerte eine halbe Stunde und die Frühstückspause 15 Minuten. Fünf Minuten vor dem Ende jeder Pause ertönte ein Pipszeichen, wonach man sich umgehend an seinen Arbeitsplatz zu begeben hatte. Zum Händewaschen vor jeder Pause durften wir dafür etwa fünf Minuten früher gehen. Die Werkstattuhr hing an der Wand am Meistersitz. Diese Wand trennte die Lehrwerkstatt von dem großen Festsaal. Nach dem Mittagessen fietschten wir noch eine gute Stunde weiter. Auf einmal ertönte ein Pfiff mit einer Trillerpfeife. Der Lehrausbilder vom Dienst rief: „Werkstücke ausspannen, Werkzeuge einpacken und Werkbänke abkehren!“

      Wir hatten jeder einen großen und vollen Werkzeugkasten unter der Werkbank, in den zwanzig Feilen der verschiedensten Längen und Profile auf dem Kastenboden einsortiert waren. In einem angeschraubten Winkeleisen war für jede Feile eine Aussparung, in welche die entsprechende Feile zwischen Heft und Angel hinein passte. Darüber waren zwei Schübe. Im oberen Schub

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