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etwa vier bis fünf Millimeter starken Metallstab mit einer Körnerspitze. Der Stab musste genau gerade sein. Die Körnerspitze des Stabes wurde in den laufseitigen Körner des zu bohrenden Schlagbolzenloches gesteckt. Von der anderen Seite kam die Bohrmaschine mit dem Bohrer in den Körner der Schlagstückseite. Bohrmaschine und Stab mussten in einer Flucht liegen. Nur so konnte die Bohrung an der richtigen Stelle durchkommen.

      Die Facharbeiterprüfung sollte aus drei Teilen bestehen: eine schriftliche, eine mündliche und danach eine praktische Prüfung. Das Wahlprüfstück dabei falle weg, es gäbe nur ein Einheitsprüfstück.

      Wir wartet, dass es irgendwann losgehe. Eines Tages kam Meister Gerbig in die Werkstatt und forderte, ich möge zum Obermeister Ledermann gehen und sagen, dass am kommenden Sonnabend schriftliche Facharbeiter Prüfung angesetzt sei. Ich musste nun durch fast den gesamten Betrieb laufen, um zu besagtem Obermeister zu kommen. Dort überbrachte ich meine Nachricht. Ledermann aber behauptete, dass das nicht stimme. Ich möge Meister Gerbig informieren, dass die Prüfung abgesetzt sei. Ich ging zurück und informierte Meister Gerbig entsprechend. Der schickte mich zurück zum Obermeister mit der Aussage, dass die Prüfung doch stattfinden würde. Ledermann lehnte wieder ab, das zu akzeptieren. Nun griff er endlich zum Telefon, rief Meister Gerbig an und überzeugte diesen, dass die Prüfung nicht stattfände. Dann schickte er mich zurück. Da bin ich nun zwei mal im Betrieb hin- und hergelaufen und die Kerle hatten ein Telefon!

      Für mich war die Prüfung abgesagt und ich ging am besagten Sonnabend wie üblich an meinen Arbeitsplatz. Meine Werkzeuge hatte ich schon auf die Werkbank gepackt. Als es hupte, drehte ich mit gewohntem Schwung meinen Schraubstock auf.

      Da kam Meister Gerbig zur Tür hereingestürmt. Sein gelblicher Kittel wehte nach hinten, da er ihn noch nicht zugeknöpft hatte.

      „Riemenschneider,“ rief er, „es ist doch Prüfung!“

      Ich war wie gelähmt und wusste nicht, was ich zuerst machen sollte. Ich hatte weder Bleistift noch Radiergummi, weder Federhalter noch Lineal – nichts hatte ich. Nur die Brotbüchse in der Tasche. Rolf Triebel hatte nur einen Bleistift in der Härte drei. Damit eine Prüfung im Fach Technisches Zeichnen zu machen, war fast unmöglich. Einen Radiergummi konnte er mir noch borgen.

      Nun musste ich mich erst einmal umziehen. Dazu brauchte ich den Lehrausbilder vom Dienst. Den fand ich zwar bald, doch der ließ wieder Macht spüren. Statt nun schnell mit mir in den Umkleideraum zu gehen, ließ er sich so richtig Zeit. Wenn ich so schlafmützig wäre und die Prüfung verpenne, sollte ich nur sehen, wie ich dahin käme. Man kann sich denken, was in mir vor ging. Ich stürmte zum Haupttor hinaus zum Bahnhof Heinrichs. Kurz vorm Bahnhof wurde mir die Luft knapp. Zum Lösen einer Fahrkarte kam ich nicht mehr. Ich zeigte meine Monatskarte von Dietzhausen nach Heinrichs und stürmte durch die Sperre.

      Der Zug stand schon auf dem Bahnhof. In Suhl stürmte ich ebenfalls wieder mit der falschen Fahrkarte durch die Sperre und hastete zur Rimbachschule hoch. Als ich den letzten Absatz der Treppe nahm, klingelte es und Barthel ging zur Klasse, die gleich rechts um die Ecke war. Mit letzter Kraft gelangte ich vor die Tür, die von Barthel schon halb geschlossen war. „Was wollen sie noch?“, herrschte er mich an. Ich versuchte eine Entschuldigung. Er wollte nicht darauf eingehen. Ich zwängte mich durch den Türspalt und sagte: „Wollen sie mir meine Zukunft verderben? Ich muss ja sowieso bald zur Wehrmacht.“

      Als ich in der Klasse war, bat ich Barthel, fragen zu dürfen, wer mir einen Federhalter mit Feder und einen Bleistift mit der Härte zwei leihen könnte. „Jetzt ist Prüfung!“ Ich solle mich setzen. Während ich zu meinem Platz ging, der leider schon in der dritten Reihe war, reichte mir einer einen Federhalter mit Feder. – Das Zeichnen wurde fast zur Katastrophe. Die starken, als sichtbare Linien zu zeichnenden Striche musste ich freihändig und mit mehreren Strichen, um die Strichstärke zu erreichen, ausführen. Wer etwas von Technischen Zeichnungen versteht, wird meine Misere verstehen.

      Ich brachte diese Prüfung mit einem unguten Gefühl zu Ende. Das war wahrscheinlich die Retourkutsche für meine kleine Rebellion. Beweisen kann ich das nicht, aber annehmen darf ich das. Bis zur mündlichen Prüfung war es noch einige Wochen. Dann war es so weit. Wir mussten einzeln vor eine große Prüfungskommission. Da stand man nun als kleiner Wicht vor einer Reihe ernst dreinblickender Männer, die zum Teil Rauschebärte trugen. Schon die Bärte gaben einen wuchtigen Eindruck. Von den Prüfern, die an halbrund aufgestellten Tischen saßen, wurden abwechselnd Fragen gestellt, von denen ich mir sicher war, sie alle richtig beantwortet zu haben und verließ dann erleichtert den Raum. Ich war der Meinung, das diese Prüfung leicht war. Jetzt musste nun noch die praktische absolviert werden.

      Es war bald soweit. Meister Gerbig übergab mir ein Schreiben. Darin stand, dass die Prüfung an einem Einheitsprüfstück stattfinden würde und was ich dazu mitzubringen habe. Nun hatte ich die geforderten Werkzeuge erst einmal zu besorgen. Da waren verschiedene Bohrer, Reibahlen, ein Zirkel und mehre Feilen mit den unterschiedlichsten Profilen. Gewundert habe ich mich über einen Austreiber, der nur 1,75 Millimeter breit sein sollte. Da ahnte ich aber schon, in welche Richtung es gehen könnte. Dörner und Schraubendreher waren auch dabei sowie die üblichen Mess- und Prüfzeuge.

      Wir hatten inzwischen die Erfahrungen gemacht, dass man verschiedene Ecken nicht mit den üblichen Feilen zustande bringt. Man schliff dazu ganze Kanten oder Teile von den Feilen ab. Mit den entstehenden scharfen Kanten konnte man exakt Ecken bearbeiten. Nun wollten wir nicht gleich unsere regulären Feilen mit einem Schliff versehen. Am betrieblichen Schrotthaufen entdeckten wir alte Feilen. Waren sie zum Kantenanschleifen noch gut genug, wurden sie dazu genommen. Im anderen Fall holten wir uns von Meister Gerbig eine Werkzeugausgabekarte, auf der die entsprechende Feile eingetragen wurde. So hatten wir statt zwanzig an die vierzig Feilen oder auch mehr. So packte ich angeschliffene Feilen zusätzlich ein und fühlte mich bestens ausgerüstet.

      Die Prüfung fand in der Lehrwerkstatt der Firma Sauer & Sohn in Suhl statt. Es war ein Montag. Aufsicht führte Meister Sturm. Auf den Zeichnungen und in den Materialkästchen konnte man erkennen, dass es sich um ein Abzugsblech für eine Doppelflinte handelte. Das war für mich kein Problem.

      Von den Gustloff-Werken war ich der einzige Prüfling. Ich kam gut voran. Bis zum Sonnabend sollten wir fertig sein. Ein im Gesenk geschmiedetes Abzugsblech musste auf Maß gebracht werden. Dann musste ein Loch für den „Kleinen Bock“ und zwei Reihen Löcher für die Abzüge, sowie ein Loch für die Halteschraube der Abzugsfeder gebohrt werden.

      Wenn ich mir heute vorstelle, dass ich zwei lange Schlitze mit einer Breite von 1,8 Millimetern hergestellt habe, kann ich es kaum noch fassen. Weil ich aber kurz nach der Lehre aus dem Beruf heraus musste, habe ich diese Fertigkeit dazu bald verloren. Eine große Rolle spielten dabei das erforderliche Werkzeug und gute, genau arbeitende Maschinen. Nun zeigte es sich, dass ich besser als alle anderen bei dieser Prüfung nach Zeichnung arbeiten konnte. Ich wurde oft von meiner Arbeit abgehalten, um zu erklären, was zu machen sei. Fragten sie Sturm, entgegnete der: „Mach ich die Prüfung oder du?“

      Die Praktische Prüfung habe ich mit einer Zwei bestanden. Trotz der schlechten Ausrüstung mit Schreibzeug erreichte ich bei der theoretischen Prüfung noch eine Drei.

      Zwischen einzelnen Dörfern gab es Hader und Streit, zwischen anderen Frieden und Beistand. Wie das entstanden ist, weiß ich nicht. So musste ich als Dietzhäuser aufpassen, wenn ich durch Wichtshausen kam. Zu Schmeheim bestand von den Dietzhäusern aus ein ähnliches Verhältnis. Die taten niemand etwas. Sie mussten aber, wenn es einmal Kino gab, nach Dietzhausen. War ich mit anderen zusammen in Wichtshausen, stellte ich fest, dass die Dietzhäuser mit der Stänkerei anfingen.

      Ich selbst hatte auch mit einem Wichtshäuser ein Problem. Das bestand schon im ersten Lehrjahr, als ich noch nicht in Dietzhausen wohnte. Den habe ich aber handgreiflich beruhigt. Als wir wieder zur Lehrwerkstatt zurückversetzt wurden, musste ich im Umkleideraum immer an seinem Spind vorbei, was er in der kurzen Zeit oft nutzte, mir von hinten die Beine zu stellen. Er arbeitete in der Lehrwerkstatt II, wo er Maschinenbauer lernte. So trafen wir wieder zusammen

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