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weiter.

      Als ich den elften Flintenschuss abgab, kam Meister Gerbig. „Oach,“ sagte der, „derf iich ach moal geschiß?“ Hartmann gab Meister Gerbig keine Antwort. Zu mir sagte Hartmann, dass ich aufhören könne. Ich war sehr froh darüber. Gerbig fragte noch einmal, ob er schießen dürfe. Hartmann machte nur eine zustimmende Handbewegung. Ich wollte die Läufe der von mir benutzten Doppelflinte reinigen, doch Gerbig nahm sie mir aus der Hand und ging zur Schießscharte. Ich sehe ihn heute noch, wie er sich mit zurücklehnendem Körper hinstellte und zielte. Er stand etwas vor der linken Schießscharte und ehe man sich versah, knallte es zweimal und Gerbig lag mit seinen schwarzen Stiefeln, die kurz in die Höhe ragten, und mit seinem gelblichen Kittel vor uns.

      Während Hartmann aus vollem Halse lachte, er brüllte mehr, ich aber nicht lachen durfte, rappelte Gerbig sich auf, nahm seinem Hefter und ging schnell unter Hartmanns dröhnendem Lachen aus dem Raum. Nun konnte ich auch lachen, aber Hartmann konnte sich nicht beruhigen. „So ein blöder SA-Mann, so ein blöder SA-Mann. Hab ich’s doch gesagt. So ein blöder SA-Mann.“

      Ich stellte möglichst ungesehen meine Gewehre in der Abteilung „Jagd“ ab und verdrückte mich in die Richtung des Umkleideraumes. Es musste ja bald zum Feierabend hupen. Es wäre mir peinlich gewesen, dem Meister Gerbig gegenüber zu treten. Am folgenden Tag hatte ich Berufsschule und bis dahin wird sich die Sache etwas beruhigt haben, dachte ich.

      Am Sonnabend hatten wir vier Gewehre zum Einschießen. Als wir am Schießstand ankamen, waren alle Fischkästen verschwunden. Nach dem Einschießen wurde natürlich noch eine Pfeife geraucht. Dabei fragte mich Hartmann, ob ich ihm an einem der folgenden Wochenenden beim Fischen helfen würde. Ich stimmte zu. Gefischt würde in Dietzhausen.

      In der „Feuerstube“ war der daneben gegangene Schuss mehr als deutlich zu sehen. Über der linken Schießscharte, nahe der Raumdecke, war ein etwa 15 bis 20 Zentimeter großes Loch in der Holzwand. Hartmann erklärte mir, dass Gerbig das Gewehr nicht festgehalten hatte, sodass der erste Schuss ihm das Gewehr nach vorn weggezogen hat. Erst würde ein Schuss das Gewehr nach vorn ziehen und bei verlassen des Laufes durch die Ladung zurückgestoßen. Gerbig hätte den Kolbenhals nicht saugend und schraubend umfasst, und so wurde es ihm aus der Hand gerissen und kam an den hinteren Abzug.

      „Es ist eben ein blöder SA-Mann“, bekräftigte Hartmann noch einmal. Nun waren ja SA-Männer bei mir angesehene Leute, doch das sagte ich Hartmann lieber nicht. Ich wusste ja nicht, was da vor 1933 vorgefallen war, denn Hartmann hatte einmal so eine Andeutungen gemacht.

      Ich hätte gern noch eine Woche an diese Zeit angehängt. Nun standen mir noch vierzehn Tage in der Schmiede und vierzehn Tage in der Werkzeughärterei bevor. Zunächst war ich wieder bei Herrn Hoffmann und da gefiel es mir auch. Während ich nun interessante Doppelflinten zusammenbaute, hatte sich bei den anderen Lehrlingen nichts verändert.

      Es dauerte nicht lange und ich erhielt die Einladung von Hartmann, dass ich am Sonnabend nach dem Mittag in Dietzhausen im Tal hinter dem Arbeitsdienstlager sein soll. Gleich nach der Ankunft meines Zuges in Dietzhausen ging ich los. Ich sah aber erst einmal niemand in der Nähe des Arbeitsdienstlagers. Dort wohnten zu der Zeit 300 Frauen, die man in der Ukraine eingefangen und nach Deutschland verschleppt hatte. Darüber machten wir uns damals wenig oder überhaupt keine Gedanken.

      Ich ging im Tal auf der Straße entlang, die gut ausgebaut war. Da ich sehr schnell ging, holte ich Hartmann mit seiner Frau bald ein. Harald Tyrri, ein Kollege war auch dabei. Frau Hartmann und er zogen einen Handwagen, auf dem zwei Fässer standen. Wir gingen bis zu dem Teich, der am Ende des Baches lag, der sich das Tal entlang schlängelte. Unterhalb der Teiches wurden die Fässer mit Wasser gefüllt, weshalb der Handwagen vorher auf die Wiese neben dem Bach gezogen wurde. Ich dachte, dass da nun bestimmte Geräte und Vorrichtungen benötigt würden, doch nein, gefischt wurde mit den Händen. Nur ein Spaten war nötig. Damit baute Hartmann in bestimmten Abschnitten Dämme. Das Wasser, das aus dem Teich kam, wurde auf die Wiese geleitet. Dort verteilte es sich und floss dann neben dem Bach taleinwärts.

      Dadurch wurde das Wasser unterhalb eines Dammes im Bachbett geringer und man konnte die Forellen besser unter den ausgespülten Uferstellen erwischen. Hatte man eine gefangen, wurde sie aus dem Bach geworfen zu der Seite, auf der Frau Hartmann mit dem Handwagen stand. Sie sammelte die herausgeworfenen Forellen auf und brachte sie in die Fässer auf dem Handwagen. Der Wagen musste sehr vorsichtig bewegt werden, weshalb einer von uns aus dem Bach sprang und Frau Hartmann unterstützte.

      Tyrri und ich hatten Turnhosen an, da konnte der Hintern schon einmal nass werden, wenn eine Kuhle im Bach war. Hartmann trug Gummistiefel bis zur Hüfte. Das Wetter war schön, Tyrri und ich konnten es in dem kalten Wasser gerade so aushalten. Manchmal sprangen wir beide aus dem Bach, um Frau Hartmann zu helfen, den die Wiese war wärmer als der Bach. Nach etwa zwei Stunden gab es etwas zu Essen. Jeder bekam ein Stückchen Brot und eine dicke Scheibe Schinkenspeck. Das war nun etwas neues für mich. Noch nie hatte ich bis dahin so ein Stück Schinkenspeck in der Hand und durfte es essen. Schinken war in unserer Familie etwas Unerreichbares.

      So gegen 18.00 Uhr wurde abgebrochen und Hartmanns zogen mit ihren Fässern in Richtung Suhl. Das waren rund acht Kilometer. Tyrri half ihnen bis Mäbendorf. Dort wohnte er, auch in Logis wie ich. Die Fässer wurden vorher mit frischem Wasser aufgefüllt. Am nächsten Tag gegen acht Uhr sollten wir wieder im Grund sein. Sonntag ging es also weiter. Am Nachmittag zogen Hartmanns wieder los. Ich bekam vorher drei Forellen, die ich mir dann von Frau Bart braten ließ. Noch nie hatte ich Forellen gegessen. Zum Abend wanderte ich noch nach Schmeheim zu meinem Freund Rolf Triebel.

      Nun wusste ich, wie man Forellen fischt. Man kann sich dabei in den Bach stellen, oder sich am Ufer auf den Bauch legen und so unter die ausgespülten Uferstreifen fassen, wo sich die Forellen aufhalten. Dabei machte man erst die Arme breit und führte die Hände dann zusammen. Wenn man eine Forelle bemerkte, musste man schnell zupacken und das Tier herauswerfen. Manche Forellen hatten das wohl mehrmals schon überstanden und waren sehr flink wieder aus den Händen entwischt. Das waren auch die größten. Kleinere Forellen ließen wir wieder in den Bach. Hartmann hatte uns gezeigt, wie groß sie mindestens sein mussten.

      Das war das ein schönes und erlebnisreiches Wochenende.

      Es muss noch im Mai 1942 gewesen sein, als Wilhelm Höfert vom Arbeitsdienst zurück kam. Zu den Sportleistungswettkämpfen waren wir beide auf dem Dietzhäuser Sportplatz. Willi als Zuschauer und ich als Wettkämpfer. Er konnte nicht am Lauf teilnehmen, nicht am Weitsprung und auch nicht werfen. Er war zu bedauern. Ein hübscher Kerl und Gelenke wie ein Greis. Bei diesen Wettkämpfen in Dietzhausen hatte man mich zum ersten Mal richtig zur Kenntnis genommen.

      Nun gingen wir beide wieder öfter ins Dorf. Unsere Freizeit verlief ohne Besonderheiten und war recht langweilig. Wir standen herum und konnten uns Unsinn ausdenken. Wir durften uns abends nach 21.00 Uhr nicht mehr auf der Straße und schon gar nicht in einer Gaststätte aufhalten. Das sahen wir aber nicht ein und passten auf, ob der Gendarm auftauchte. Ertappte er uns, konnte man schon mal eine Reichsmark loswerden. Im Wiederholungsfall wurden es dann schon drei. Wir standen aber nicht bloß herum. Wir sangen auch Lieder. Da war das Küchenlied vom Wildieb das beliebteste. Aber das Lied vom Räuber, wo ein Mädchen, die so schön war wie Milch und Blut, an einem Wasserfall steht, sangen wir auch. Natürlich war es uns recht, wenn Mädchen sich zu uns gesellten. Wilhelm Höfert hatte es da auf eine abgesehen, mit der ich auch gern angebändelt hätte. Ich traute mich nicht und Höfert blitzte ab. Später erfuhr ich von einem anderen Mädchen, dass keine von ihnen sich mit Höfert eingelassen hätte, weil er katholisch sei.

      Ich weiß nicht mehr genau, wann Höfert den Betrieb und Dietzhausen verlassen hat. Er lernte, als er vom Arbeitsdienst zurück war, Technischer Zeichner. Diese Tätigkeit konnte er noch ausüben. Als Maschinenbauer konnte er nicht mehr weitermachen.

      Von den Jugendlichen im Dorf war ich vor allem mit Walter Debertshäuser zusammen, der zu meinem Freund wurde. Sein Spitzname war „Hutzel“. Ich hatte den Spitznamen „Schuster“, was man von meinem Familiennamen abgeleitet hatte.

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