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bessere Bilder zu zeichnen und letztendlich auf die Jagdgewehre zu gravieren. Rolf ging in Suhl auf eine Kunstschule. Ab und zu zeigte er mir, welche Hausaufgaben er bekommen hatte. Das waren gleichmäßig über ein DIN A4-Blatt gezeichnete Kringel oder Kreise und noch andere Dinge. Ich habe gestaunt, wie er das konnte. Wenn er zeichnete, ließ ich ihn allein, um nicht zu stören. Wenn er fertig war, übten wir Judo und Jiu Jitsu. Um die Fallübungen zu absolvieren, gingen wir in die Scheune von Triebels, und nutzten das Stroh als Unterlage. Die meisten der geforderten Leibesübungen machten wir allein. Ich am liebsten vor dem Schlafengehen und dann zwischen den zwei Betten.

      Außer den mit Rolf Triebel verbrachten schönen Stunden, war ich mehr Einzelgänger. Ich hatte zunächst noch keine Verbindung zur Jugend in Dietzhausen. Zur Winterzeit lud mich Rolf Triebel ein, mit den anderen Schmeheimer Jungen an den Wochenenden abends zu den Mädchen in die „Lichtstuben“ zu gehen, wenn diese das zuließen. Das ist uns auch ab und zu gelungen. Wenn wir dort uns aber nicht so verhielten, wie die Mädchen das wollten, mussten wir das Feld räumen. Das ist uns einige Mal passiert. So richtete sich meine Aufmerksamkeit mehr auf Schmeheim. Es gab aber auch viele Stunden, da standen wir nur auf der Straße herum und machten manchmal auch Unsinn, wie zum Beispiel, mit Schneebällen die Straßenlaternen zu treffen. Da ließ ich aber lieber die Schmeheimer werfen.

      Rolf und ich haben in der Freizeit, solange man noch sehen konnte, Jiu Jitsu geübt. Wir richteten uns nach einem Buch, was „Die unsichtbare Waffe“ hieß. Erst hatte nur ich es. Damit Rolf auch eine Unterlage hatte, kaufte er ebenfalls eins. Wir kamen nach meiner Ansicht damit gut zurecht, und legten uns gegenseitig mit den einzelnen Griffen und Würfen aufs Kreuz. Bei der guten Strohpolsterung in Triebels Scheune ging das.

      Der Krieg gegen die Sowjetunion – wir sagten Russland– ließ Rolf und mich aufjubeln. Jetzt ist die Zeit auch für uns bald gekommen, wo wir die tapferen deutschen Soldaten selbst sein können. Es gab noch kein Stalingrad. Nur vor Moskau hat es gestoppt. Nun ja, die deutschen Soldaten hatten nichts Warmes anzuziehen und der russische Winter war ja auch hart.

      Am 1. Oktober 1941 hatte es geschneit und ich machte im Dunkeln einen Skilaufversuch. Es ging schlecht, denn der Schnee klebte. Bald war der Schnee wieder verschwunden. Während der Schnee bei uns verschwand, kam er in Russland um so mehr. Es kam schließlich so weit, dass man die Bevölkerung bat, ihre Skier für die Soldaten in Russland abzugeben. Was sollte ich machen. Ich war ja ein guter Hitlerjunge und Herr Bart ein Parteigenosse. Ich schrieb an Onkel Fritz, der noch an der Schweizer Grenze im Einsatz war. Er schrieb zurück, dass ich die Skier abgeben sollte. Es war ja lächerlich, wie ich mit diesen Brettern dann auf dem Gemeindeamt ankam. Die Kanten waren abgerundet und die Bindung zum Wegwerfen.

      Damit wir uns die Arbeitsgänge an den Gewehren besser einprägen sollten, wurden für jeden zwei Rohlinge zur Verfügung gestellt. Das ging los mit: Patronenzieher einpassen, Kasten aufpassen, Vorderschaft anpassen und dann Kasten aufklappen. Wir brauchten für die zwei ersten Gewehre etwa acht Wochen. Bei den nächsten ging es auch noch nicht schneller. Zur Facharbeiterprüfung sollten wir ein Gewehr in einer Woche schaffen. Für jedes Gewehr bekamen wir den Lauf und einen kleinen Pappkarton, indem sich die restlichen Teile ohne den Schaft und dessen Beschläge befanden. Unter Lauf verstand man die bereits zusammengelöteten Läufe. Bei Doppelflinten waren das eben zwei, beim Drilling drei und beim seltenen Vierling vier.

      Die Werkstatt war ein schmaler Raum, in dem links und rechts Platz für die Schraubstöcke war. In der Mitte befanden sich Gestelle, in denen die Läufe und die Pappkartons abgestellt werden konnten. Dort wurde zum Feierabend alles deponiert, auch wenn die Gewehre fertig waren. Wir sagten „Gewehre“, doch war das nur der Lauf mit dem Kasten. Der Kasten war ein gefrästes Teil, was in seiner Form grob einen Winkel darstellte. Dieses Teil war so gefertigt, dass es sich nach dem An- und Aufpassen an den Lauf anschmiegte. Wenn der Vorderschaft angebracht war, konnte man den Kasten vom Lauf abkippen. Daher nennt man diese Gewehre auch Kipplaufgewehre.

      Das Kippen wurde durch das Einsetzen eines Scharnierstiftes möglich, der an der Vorderseite des Hakens eingriff. An der Vorderseite des Kastens wurde nach dem Anpassen der Sitz für den Scharnierstift aufgerieben und der Stift eingetrieben. Er musste fest und genau mittig im Kasten sitzen, sonst hätte der Stift die Spannhebel behindert. Der Haken ist ein unter den Läufen liegendes Flachstück, was an die Auflageflächen für die Läufe angearbeitet ist. In der Mitte besitzt der Haken einen bogenförmigen Durchbruch, sodass zwei Halteflächen für den Verschlusskeil genutzt werden können. Für den Vorderschaft gab es ein Gegenlager, genannt Haft, was etwa 90 Millimeter vor dem Haken unter den Läufen angelötet war. Der Vorderschaft musste dann leicht in die Spannung zwischen Kasten und Haft mit einem Schraubendreherheft eingetrieben werden. War der Scharnierstift eingezogen und der Vorderschaft passte, konnte man den Kasten abkippen. Jetzt musste der Kasten gasdicht angepasst werden. Dazu wurde der Kasten leicht angekippt und mit einem leichten Schlag auf die Kastenschiene wurde die Kastenfläche auf die Laufenden aufgeschlagen. Beim Anlegen der Kastenfläche schaute man durch den möglichen Ritz der Kastenfläche. Da durfte nichts zu sehen sein und auf der Kastenfläche musste sich das gleichmäßig abzeichnen. Das dauerte schon eine geraume Zeit.

      Die Zeit, eine komplette Doppelflinte zu „systemieren“, war auf den beiliegenden Karten in den Pappkästchen zu finden. Sie betrug 510 Minuten. Eine für uns damals unvorstellbare Zeit. Man konnte sie nur erreichen, wenn die einzelnen Tätigkeiten in Gruppen getrennt wurden und es für jede Gruppe eingearbeitete Leute gab.

      In der Werkstatt waren für uns ausreichend Schraubstöcke vorhanden. Das waren aber keine Parallelschraubstöcke wie in der Lehrwerkstatt I, sondern Zangen- oder Flaschenschraubstöcke. In dieser Werkstatt gab es nur einen Parallelschraubstock. Er diente vor allem dazu, einen Kasten leicht zusammenzudrücken, wenn die einzupassenden Teile zu viel Spiel hatten. Dazu waren zusätzlich zwei Schutzbacken vorhanden, die mit Vulkanfiber belegt waren, damit keine anderen Beschädigungen erfolgen konnten.

      Neben dem Parallelschraubstock war an der Wand ein Bunsenbrenner installiert, der mit Stadtgas betrieben wurde. Die Flamme brannte ständig, sodass man zum Gebrauch nur etwas mehr aufdrehen brauchte. Wir benutzten den Brenner zum Härten und zum Schmieden. Dörner und Schraubenzieher mussten ab und zu nachgearbeitet werden. Das Schmieden dieser kleinen Teile erfolgte gleich auf dem Amboss des Parallelschraubstocks. Von den Gewehrteilen härteten wir den Hahn, die Stange, den Greener Ring, den Spannhebel und den Verschlusskeil.

      Das Härten dieser Teile war eine Übung für später, wenn man einmal irgendwo in einer Büchsenmacherwerkstatt arbeiten würde. In der Serienherstellung machte das der „Reparierer“. Der überprüfte und erledigte dann die Feinheiten. Auch bei unseren Gewehren. Er hatte vor allem das Abzugsgewicht anzupassen. Die Abzüge liegen bei Doppel- oder Mehrlaufgewehren hintereinander. Da hat der vordere Abzug einen etwas leichteren Druck als der hintere. Gemessen wurde das mit einer Federwaage.

      Es gab für uns viele Möglichkeiten, von und in dieser Werkstatt, Unsinn und Schabernack zu betreiben. Das Reißnadelverschießen war zwar nicht mehr möglich, dafür hatten wir erkannt, dass man die vorgebohrten Läufe als Blasrohr verwenden konnte. Es gab eine Stelle, von der man sich Lehm beschaffen konnte, aus dem man passende Kugeln rollte. Diese Kugeln verschossen wir. Erst haben wir uns gegenseitig beschossen, wenn der Meister Sturm nicht in der Werkstatt war. Der musste ja auch ab und zu zur Toilette gehen. Beim Meister Baumgarten, den wir lieber hatten als Sturm, war das nicht so schlimm. Er drückte bei Unsinn schon mal ein Auge zu. Wurde es ihm zu bunt oder eine andere Frechheit tauchte auf, dann sagte er zu dem betreffenden, der als schuldig ausgemacht war: „Ich spring dich gleich mit de bärbesche Orsch ins Gesiicht!“ Wenn er das sagte, war es bald soweit, das er dem Betreffenden ein Ohr lang zog.

      Das gegenseitige Beschießen mit Lehmkugeln reichte einigen noch nicht. Am Nachmittag, zehn Minuten vor vier, war Vesper. Auf der anderen Seite unserer Werkstatt war eine Werksstraße und gegenüber lag die Elektroabteilung. Neben dem Eingang zu dieser Abteilung gab es eine kleine Verkaufsstelle, in der man Zigaretten, Bier und Limonade kaufen konnte. Von uns zweijährigen Lehrlingen musste jeden Tag nach 15 Uhr einer zum Einkaufen gehen. Dazu nahm man vorher die entsprechenden Bestellungen auf. Sollte man Zigaretten mitbringen, musste man Zigarettenmarken mitnehmen. Wir hatten noch

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