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bescheideneren Voraussetzungen auskommen und zu vorsichtigeren Ideen von Verantwortlichkeit führen.2 Da es hier nicht um das Zeichnen einer Begriffslandschaft gehen soll, bleiben sie zurückgestellt. Ebenso im Hintergrund bleibt das ausladende akademische Für und Wider, das sich bislang an jede Form von Freiheit anschloss, deren Konzept mit dem Anspruch auftrat, etwas Entscheidendes am Menschsein zu treffen.

      Erwähnt werden muss hingegen die Behauptung einer durchgängigen Vorherbestimmtheit menschlichen Lebens und aller Ereignisse dieser Welt. In der Sache ist sekundär, ob hierbei die bestimmenden Faktoren vorgestellt werden als Gesetze des Weltlaufs in Verbindung mit bestimmten Anfangsbedingungen (auch solchen des individuellen Gehirns), oder als göttliche Setzungen, als unbeugsames Schicksal oder noch anderes. In der Neuzeit verbindet sich der Gedanke universeller Vorherbestimmung oft mit Wörtern wie »determiniert« und »Determinismus«. Die Idee allgemeiner Vorherbestimmung steht vielen jener Freiheitskonzepte schroff entgegen. Ähnlich wie bei der Willensfreiheit handelt es sich auch hier um eine besonders starke These, eine Extremposition, die durch Erfahrungswissenschaft nicht zu beweisen ist und in diesem Sinn ebenfalls »metaphysisch« genannt werden kann. Nach deterministischer Auffassung gehen alle menschlichen Entscheidungen und Handlungen aus vorausliegenden und/oder gleichzeitigen Bedingungen notwendig hervor. Sie gelten demnach als vollständig bestimmt oder »determiniert« durch diese Bedingungen. Menschliches Handeln ist danach letztlich bestimmt durch personfremde Elemente. Radikale Vertreter dieser Denkweise lehnen die Verwendung des Prädikats »frei« im Hinblick auf die Entstehung menschlichen Handelns durchweg ab. Diese radikalen Denker, traditionell »harte Deterministen« genannt, halten es auch für ungerechtfertigt, irgendwem für sein Handeln Vorwürfe zu machen, geschweige denn Strafen dafür zu verhängen.3 Denn ihres Erachtens fehlt wegen der Abwesenheit des »freien Willens« eine entscheidende Voraussetzung für persönliche Verantwortlichkeit.

      Zwischen den beiden genannten Extrempositionen, irgendwo im mittleren Bereich des erwähnten Spektrums von Freiheits- bzw. Unfreiheitskonzepten, ist die »Freiheit des Handelns« angesiedelt. Das ist die Freiheit zu tun, was wir wollen. Haben wir einmal ein bestimmtes Wollen ausgebildet, und hindert uns nichts am Ausführen der gewollten Handlung, dann können wir diese Handlung auch tun. Die Freiheit des Handelns ist mit einer möglichen Vorausbestimmung unseres Wollens durch eventuell wirksame, determinierende Faktoren vereinbar. Denn ganz gleich, wie unser Wollen zustande kommen mag: Wenn wir wollen und nichts der Ausführung unüberwindlich entgegensteht, können wir auch tun, was wir wollen. In der Frage der Verantwortlichkeit für eigene Taten führt die Freiheit des Handelns zwar auf eine schwächere Form als die Freiheit des Willens. Typische Vertreter dieser Denkweise sehen gleichwohl in der Regel unsere existierende Praxis von Verantwortlichkeit und Bestrafung im Grundsatz als berechtigt an. Weil diese Vertreter Freiheit des Handelns plus Verantwortlichkeit plus Strafpraxis auf der einen Seite, Determinismus bzw. Vorherbestimmung auf der anderen Seite grundsätzlich für vereinbar oder kompatibel halten, wird ihre Position weithin als »Kompatibilismus« bezeichnet. Dafür gibt es wieder eine Mehrzahl von Varianten, die wir nicht einzeln betrachten müssen.

      Im Kompatibilismus wird die Freiheit des Handelns unter Normalbedingungen ebenfalls als feste Eigenschaft des Menschen angenommen. Dass wir »unter Normalbedingungen« Handlungsfreiheit besitzen, soll heißen: Wenn uns nichts an einem gewollten Tun erkennbar hindert oder uns erkennbar unüberwindlich zwingt, können wir handeln, wie wir wollen. Personeigene Freiheit, wie ich sie hier ins Auge fasse, ist hingegen nicht schon mit der Handlungsfähigkeit gegeben. Sie betrifft vielmehr darüber hinaus das Verhältnis zwischen der Vorstellung einer Person darüber, wie das eigene Tun nach eigenem Für-richtig-Halten sein soll, und faktischem Handeln in konkreten Lebenslagen. Von den Kämpfen um personale Intaktheit im Sinn des Zusammenstimmens beider Bereiche, von Siegen und Niederlagen auf diesem Feld, von Mitteln, die in solchen Kämpfen zum Einsatz kommen können, wissen die Theorien fester Freiheiten nichts. Wer »menschliche Freiheit« für ein unzerstörbares, duch pures Menschsein uns immer schon gegebenes Merkmal hält4, denkt über solche Kämpfe in der Regel nicht nach. Insbesondere die uns zur Verfügung stehenden Mittel zur Bewahrung oder Erweiterung personeigener Freiheit, auch zum Heilen erlittener Verletzungen, scheinen gegenwärtig ein weitgehend vernachlässigtes philosophisches Feld zu sein.

      Eine Merkwürdigkeit soll noch erwähnt werden: Während viele Autoren meinten und nicht mehr ganz so viele noch meinen, die Willensfreiheit komme den Menschen als fester, unverlierbarer Besitz zu, stimmen doch alle darin überein, dass etwa die politische Freiheit, die uns ebenfalls sehr wichtig ist, keineswegs als unverlierbarer Besitz betrachtet werden kann. Für die politische Freiheit scheinen alle einzusehen, dass ihr Erwerb Gegenstand leidenschaftlicher Kämpfe sein kann und oft gewesen ist, und dass diese Freiheit, wenn einmal etabliert, durch Wachsamkeit und tätige Anstrengung bewahrt werden muss. Es dürfte auch allgemein eingeräumt werden, dass politische Freiheit verlorengehen kann. Auch dürfte anerkannt sein, dass es eine Vielfalt von Weisen der inneren Aushöhlung politischer Freiheit gibt. Bei solcher Aushöhlung werden die bloßen Formen politisch freier Praxis nur noch als Rituale ausgeübt, während Freiheit in der Substanz schon aufgehört hat zu existieren. Dass vieles hiervon kraft elementarer Bedingungen menschlichen Lebens und Handelns auch für die unfeste, personeigene Freiheit gilt, die uns als selbstbewussten Individuen aufgegeben ist, erscheint deutlich. Die manifesten strukturellen Unterschiede, die zwischen politischer Freiheit und personeigener Freiheit auch bestehen, tangieren den Gedanken dieser Verwandtschaft nur am Rande. Historisch und bis heute war allerdings die verführerische Vorstellung einer durch pures Menschsein schon verbürgten, angeblich unverlierbaren, festen »menschlichen Freiheit« stärker. In der Geschichte westlichen Denkens seit der Spätantike wurde sie oft metaphysisch gedeutet und dann als quasi unantastbare Freiheit des Willens in herausgehobener theoretischer Rolle verwendet – zum Schaden der Glaubwürdigkeit großer Philosophien und daran anknüpfender Rechtssysteme.

      Es ist nach dem bislang Gesagten deutlich, dass personeigene Freiheit keine eingeborene, unverlierbare Eigenschaft des Menschen darstellt. Dass sie vielmehr in jedem Lebenslauf erworben und irgendwann auch wieder verloren wird, und dass ihre Ausdehnung oder Stärke sich in der Zeit verändern können. Erworben wird sie zunächst im Gang der Erziehung durch ein Zusammenwirken erziehender Maßnahmen und selbstbildender Bemühungen des Individuums. Beim Erwachsenen ist sie dann in entscheidendem Umfang der einzelnen Person anheimgestellt. Ihre Anstrengungen mit dem Ziel, eigenes Handeln in Einklang zu halten mit ihren übergreifenden Vorstellungen davon, wie dieses Handeln sein soll, entscheiden über Ausdehnung, Wachstum, Schrumpfen ihres personeigenen Freiheitsraums. Irgendwann auf dem Weg zum Tod hin, wenn die Kräfte so schwach geworden sind, dass die Person alle Kontrolle über sich verliert, geht auch diese Freiheit verloren – bei manchen Menschen früher, bei anderen erst mit dem letzten Atemzug.

      Zur eingebürgerten Vorstellung vom Entstehen eigenen Handelns gehört, dass dieses Handeln in Verbindung mit einem Wollen erfolgt, kraft dessen es – manchmal sofort, manchmal mit zeitlichem Abstand – in Gang kommt. Äußerlich geschieht das durch Körperbewegungen einschließlich Bewegungen der Sprechorgane, innerlich (wenn man von innerem Handeln reden will) durch Lenken der Aufmerksamkeit. Unter dem Gesichtspunkt personeigener Freiheit erscheint dieses Verhältnis von Wollen und Tun zunächst unproblematisch: Wenn wir eine bestimmte Handlung wollen und nichts uns am Ausführen hindert, ablenkt usw., tun wir sie auch. In diesem Sinn baut die Ausübung personeigener Freiheit auf der Freiheit des Handelns auf, die uns unter Normalbedingungen gewöhnlich zukommt.

      Ein Problem beim Verstehen personeigener Freiheit ist hingegen das konkrete Verhältnis zwischen der Person und ihrem Willen bzw. ihrem konkreten Wollen. Handeln wir einmal nicht so, wie wir es im Vorfeld beabsichtigt und für richtig befunden haben, dann hat sich im relevanten Zeitfenster unser handlungsauslösendes Wollen anders gebildet, als jene frühere Absicht es vorgab. Hier ist unsere personeigene Freiheit punktuell eingebrochen, denn wir haben in der konkreten Situation nicht so gewollt und gehandelt wie wir es zuvor entworfen haben. Das sehr wichtige Problem, das hier liegt, kann formuliert werden als die Frage: Wie nehmen wir

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