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Die Forsyte-Saga. John Galsworthy
Читать онлайн.Название Die Forsyte-Saga
Год выпуска 0
isbn 4064066499952
Автор произведения John Galsworthy
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Bekanntlich haben alle Forsytes ihre Schale, wie das äußerst nützliche kleine Tierchen, aus dem Türkisches Konfekt bereitet wird. Mit andern Worten, man sieht sie nie oder würde sie, wenn man sie sieht, ohne ihr Gehäuse nicht erkennen, das sich aus ihren äußern Lebensumständen, ihrem Vermögen, ihren Bekannten und ihren Frauen zusammensetzt, von denen sie auf ihrem Wege durch eine Welt begleitet werden, die aus Tausenden von andern Forsytes mit ihrem Gehäuse besteht. Ohne ein solches Gehäuse ist ein Forsyte undenkbar – er wäre wie ein Roman ohne spannenden Konflikt, was als Abweichung von der Regel betrachtet wird.
In den Augen der Forsytes besaß Bosinney kein solches Gehäuse, er war einer jener bedauernswerten Menschen, die von Umständen, Vermögen, Bekannten und Frauen umgeben durchs Leben gehen, die nicht zu ihnen gehören.
Seine Wohnung in Sloane Street, im obersten Stockwerk, wo außen auf einem Schild sein Name: ›Philip Baynes Bosinney, Architekt‹ stand, war nicht die eines Forsyte. Er hatte kein Empfangszimmer neben seinem Bureau, sondern es war eine große Nische abgetrennt, um die Bedürfnisse des Lebens – ein Ruhebett, einen Lehnstuhl, seine Pfeifen, Likörschränkchen, einige Romane und die Hausschuhe – zu verbergen. Der Arbeitsraum des Zimmers hatte die übliche Ausstattung; einen offenen Schrank mit Fächern, einen runden Eichentisch, einen Klapp-Waschtisch, ein paar harte Stühle und ein sehr großes Stehpult, das mit Zeichnungen und Entwürfen bedeckt war. June war unter dem Schutz seiner Tante zweimal zum Tee hiergewesen.
Hinten sollte er irgendwo ein Schlafzimmer haben.
Sein Einkommen bestand, soviel die Familie Sicheres darüber erfahren konnte, aus je zwanzig Pfund im Jahr, die ihm zwei Anstellungen als Sachverständiger einbrachten, aus einem gelegentlichen Extrahonorar und ferner – was wertvoller war – aus einer jährlichen Leibrente von hundertfünfzig Pfund, die ihm im Testament seines Vaters ausgesetzt war.
Was dabei in bezug auf diesen Vater ruchbar geworden, klang nicht gerade beruhigend. Er war anscheinend Landarzt in Lincolnshire gewesen, eine auffallende Erscheinung, mit Byronschen Neigungen – in seiner Gegend eine allbekannte Persönlichkeit. Bosinneys angeheirateter Onkel Baynes, in Firma Baynes und Bildeboy, in seiner Art ein Forsyte, wenn auch nicht dem Namen nach, wußte nur wenig von seinem Schwager zu berichten.
»Ein sonderbarer Mensch!« erzählte er wohl, »von seinen drei ältesten Söhnen sagte er immer, sie sind ›gute Jungen, aber so dumm‹, dabei bewährten sich alle ausgezeichnet als Beamte in den Indischen Kolonien! Philip war der einzige, den er liebte. Ich hörte ihn die sonderbarsten Reden führen; einmal sagte er zu mir: ›Lieber Freund, laß deine arme Frau nie wissen, was du vorhast!‹ Aber ich, ich folgte seinem Rat natürlich nicht! Ein exzentrischer Mensch! Er pflegte zu Phil zu sagen: ›Einerlei, ob du als Gentleman lebst oder nicht, mein Junge, jedenfalls aber sieh zu, daß du als solcher stirbst!‹ und sich selbst ließ er im Gesellschaftsanzug mit seidener Krawatte und einer Diamantnadel einbalsamieren. O, er war wirklich ein Original, das kann ich Ihnen sagen!«
Von Bosinney selbst sprach Baynes mit Wärme und einem gewissen Mitleid: »Er hat etwas von der Byron-Natur seines Vaters. Bedenken Sie, welche Aussichten er aufgab, als er mein Bureau verließ; ging da mit einem Ranzen einfach auf sechs Monate weg, und wozu? – um die Architektur des Auslands zu studieren – des Auslandes! Ich bitte Sie! Was hatte er davon? Nun sitzt er da – ein so tüchtiger junger Kerl – und verdient nicht hundert Pfund im Jahr. Diese Verlobung jetzt ist wirklich das beste, was ihm passieren konnte – das wird ihn zur Vernunft bringen; er gehört zu denen, die am Tage schlafen und nachts aufsitzen, nur weil sie keine Methode haben; aber sonst ist kein Makel an ihm – nicht der leiseste Makel. Der alte Forsyte ist ein reicher Mann!«
Mr. Baynes war sehr liebenswürdig gegen June, die in dieser Zeit sein Haus in Lowndes Square häufig besuchte.
»Dieses Haus von Mr. Soames – übrigens ein ausgezeichneter Geschäftsmann – ist gerade das richtige für Philip,« pflegte er zu ihr zu sagen. »Sie dürfen nicht erwarten jetzt viel von ihm zu sehen, mein liebes Fräulein. Ein guter Grund – ein guter Grund! Der junge Mann muß seinen Weg machen. Als ich in seinem Alter war, arbeitete ich Tag und Nacht. Meine liebe Frau pflegte zu sagen: ›Bobby, arbeite nicht so viel, denke an deine Gesundheit‹; aber ich schonte mich nie!«
June hatte sich darüber beklagt, daß ihr Bräutigam, gar keine Zeit fände, nach Stanhope Gate zu kommen..
Als er zum ersten Mal wieder kam, waren sie kaum eine Viertelstunde zusammen gewesen, als durch einen jener Zufälle, die charakteristisch für sie waren, Mrs. Small erschien. Bosinney stand auf und verbarg sich, wie vorher verabredet war, in dem kleinen Arbeitszimmer, um ihr Fortgehen abzuwarten.
»Liebes Kind,« sagte Tante Juley, »wie mager er ist! Ich habe das öfter bei Verlobten beobachtet; aber du darfst es nicht so fortgehen lassen. Gib ihm doch Barlows Fleischextrakt; es hat deinem Onkel Swithin außerordentlich gut getan!«
Junes kleine Gestalt stand aufrecht vor dem Kamin, ihr zartes Gesichtchen zuckte verdrießlich, denn sie betrachtete den ungelegenen Besuch der Tante als persönliche Beleidigung.
Sie erwiderte verächtlich:
»Es kommt daher, daß er etwas tut; wer etwas tut, das der Mühe wert ist, wird niemals dick!«
Tante Juley war gekränkt. Sie selbst war immer mager gewesen, aber das einzige Vergnügen dabei lag für sie in der Sehnsucht stärker zu werden.
»Ich finde,« sagte sie grämlich, »du dürftest ihn nicht ›Bukanier‹ nennen lassen; jetzt, wo er das Haus für Soames bauen soll, könnten die Leute es sonderbar finden. Ich hoffe, er wird sich Mühe geben, es ist so wichtig für ihn; Soames hat einen so guten Geschmack!«
»Geschmack!« rief June aufbrausend, »ich gebe nicht so viel für seinen Geschmack oder den irgend eines andern aus der Familie!«
Mrs. Small blickte sie überrascht an.
»Dein Onkel Swithin,« sagte sie, »hatte immer einen sehr guten Geschmack! Und Soames' kleines Haus ist reizend; das ist doch wohl auch deine Ansicht!«
»Pah!« sagte June, »das ist alles Irenens Verdienst!«
Tante Juley versuchte nun etwas Angenehmes zu sagen:
»Und wird es der lieben Irene gefallen, auf dem Lande zu leben?«
June starrte sie gespannt, mit einem Blick an, als käme ihr plötzlich eine Erkenntnis; er wurde aber von einem noch gespannteren Starren abgelöst, das diese Erkenntnis wieder zum Wanken zu bringen schien. Sie erwiderte überlegen:
»Natürlich wird es ihr gefallen; warum auch nicht?«
Mrs. Small wurde verlegen.
»Ich weiß nicht,« sagte sie; »ich dachte, sie würde sich nicht gern von ihren Freunden trennen. Dein Onkel James sagt, sie sei zu gleichgültig gegen alles. Wir – das heißt Timothy meint, sie sollte mehr ausgehen. Dir wird sie gewiß sehr fehlen!«
June verschränkte die Hände hinten im Nacken.
»Ich wollte,« rief sie, »Onkel Timothy redete nicht über Dinge, die ihn nichts angehen!«
Tante Juley erhob sich zur vollen Höhe ihrer langen Gestalt.
»Er spricht niemals über Dinge, die ihn nichts angehen,« sagte sie.
June bereute gleich ihre Worte; sie lief zu ihrer Tante hin und küßte sie.
»Verzeih mir, Tantchen, es tut mir leid, aber ich wünschte, sie ließen Irene in Frieden.«
Und Juley, der nichts einfiel, das sie über die Sache noch hatte sagen können, schwieg und rüstete sich zum Aufbruch, indem sie ihren schwarzseidenen Umhang über der Brust zuhakte und ihren grünen Pompadour nahm:
»Und wie geht es deinem Großvater?« fragte sie im Flur, »er ist jetzt wohl sehr einsam, wo deine ganze Zeit von Mr. Bosinney in Anspruch genommen ist?« Sie bückte sich, küßte ihre Nichte inbrünstig und ging mit kleinen trippelnden