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es dir wohl nicht sagen dürfen!« Und mit einem ungeduldigen Blick auf die Freundin hatte sie ausgerufen: »Du siehst aus, als liege dir nichts daran. Siehst du denn nicht, daß es gerade das ist, was ich immer gewünscht habe – genau die Gelegenheit, die er braucht. Jetzt wirst du sehen, was er kann;« und dann gab sie die ganze Geschichte zum besten.

      Seit ihrer eigenen Verlobung schien sie kein großes Interesse an der Lage der Freundin zu nehmen; die Stunden, die sie bei Irene zubrachte, waren ihren eigenen vertraulichen Mitteilungen gewidmet. Und zuweilen war es ihr trotz ihres liebevollen Mitgefühls unmöglich, einen Anflug verächtlichen Mitleids mit der Frau zu unterdrücken, die einen solchen Fehler im Leben begangen hatte – solch einen unbesonnenen, lächerlichen Fehler.

      »Er soll auch die Inneneinrichtung machen – er hat völlig freie Hand. Es ist prächtig –« Sie lachte fröhlich auf, ihre kleine Gestalt bebte vor Vergnügen; sie hob die Hand und schlug nach einem Musselinvorhang. »Weißt du, ich bat sogar Onkel James –« Aber in einer plötzlichen Unlust von dem Vorfall zu sprechen, hielt sie inne und ging, da sie ihre Freundin so einsilbig fand, dann plötzlich fort. Auf der Straße blickte sie noch einmal zurück, Irene stand noch in der Haustür. Ihren Abschiedsgruß erwidernd, winkte sie mit der Hand, wandte sich langsam um und schloß die Tür ...

      Soames ging ins Wohnzimmer und spähte durchs Fenster nach ihr.

      Draußen im Schatten des japanischen Sonnenschirmes saß sie ganz still, die Spitze auf ihren weißen Schultern bewegte sich, wenn der Busen sich leise hob und senkte.

      Aber die schweigsame Gestalt, die so regungslos dort im Dunkeln saß, schien eine Wärme, eine heimliche Glut zu durchzittern, als wäre ihr ganzes Wesen aufgewühlt und ein Wandel in ihrem tiefsten Innern eingetreten.

      Er stahl sich unbemerkt ins Speisezimmer zurück.

      Sechstes Kapitel

      James auf eigene Hand

       Inhaltsverzeichnis

      Es währte nicht lange, bis Soames' Entschluß zu bauen in der Familie herumgekommen war und eine Unruhe verursachte, wie jede Entscheidung, die mit Vermögensangelegenheiten in Beziehung stand, sie unter den Forsytes hervorgerufen hätte.

      Es war nicht seine Schuld, denn er war entschlossen, niemand etwas davon wissen zu lassen. June hatte es in der Überfülle ihres Herzens Mrs. Small erzählt und ihr erlaubt, es nur Tante Ann zu sagen – sie dachte, es würde die gute alte Seele erfreuen! denn Tante Ann mußte seit vielen Tagen das Zimmer hüten.

      Mrs. Small erzählte es sogleich Tante Ann, die in ihren Kissen liegend, lächelnd mit ihrer deutlichen, alten zittrigen Stimme sagte:

      »Wie schön für die liebe June; aber ich hoffe, sie werden sorgsam sein – es ist doch ziemlich gewagt!«

      Als sie wieder allein war, überflog ein Schatten gleich einer Wolke, die einen Regentag ankündigt, ihr Gesicht.

      Wie sie die vielen Tage dort so lag, war sie unaufhörlich bemüht, ihre ganze Willenskraft immer aufs neue anzuspannen; auch ihrem Gesicht war es anzumerken, und um die Mundwinkel zuckte es beständig.

      Ihr Mädchen, – ›ein gutes Mädchen – aber langsam!‹ – das seit fast zwanzig Jahren in ihren Diensten stand, vollzog jeden Morgen mit peinlichster Genauigkeit die Schlußzeremonie ihrer gewohnten Toilette. Aus der Tiefe einer sauberen weißen Putzschachtel nahm sie die flachgedrückten grauen Locken, das Abzeichen persönlicher Würde, legte sie vorsichtig in die Hände ihrer Herrin und kehrte ihr den Rücken zu.

      Und jeden Tag mußten die Tanten Juley und Hester kommen und berichten wie es Timothy ging; was für Nachrichten von Nicholas gekommen; ob es June geglückt, den alten Jolyon zu einer Kürzung der Verlobungszeit zu bestimmen, da Mr. Bosinney doch nun das Haus für Soames baute; ob des jungen Rogers Frau wirklich – erwartete; wie Archie die Operation überstanden und was Swithin mit dem leeren Hause angefangen hatte, dessen Mieter sein ganzes Geld verloren und sich so schlecht benommen hatte. Vor allen Dingen aber über Soames. Verlangte Irene noch – noch immer getrennte Zimmer? Und jeden Morgen sagte sie zu ihrem Mädchen: »Ich komme heute Mittag hinunter, so gegen zwei Uhr. Du wirst mich stützen müssen nach all diesen Tagen im Bett.«

      Nachdem Mrs. Small Tante Ann alles erzählt hatte, sprach sie in strengstem Vertrauen zu Nicholas' Frau von dem Haus, und diese wieder ließ es sich von Winifred Dartie bestätigen, in der Voraussetzung natürlich, daß sie als Soames' Schwester alles wissen müsse. Durch sie war es dann auf direktem Wege James zu Ohren gekommen. Er hatte sich nicht wenig darüber aufgeregt.

      »Mir,« sagte er, »erzählt keiner was.«

      Und anstatt direkt zu Soames zu gehen, vor dessen Einsilbigkeit er sich fürchtete, nahm er seinen Schirm und ging zu Timothy.

      Er fand Mrs. Septimus Small und Hester (man hatte es ihr gesagt, denn sie war so zuverlässig und fand es so ermüdend zu sprechen) bereit, sogar begierig, sich über die Neuigkeit zu unterhalten. Es wäre sehr gütig von dem lieben Soames, fanden sie, Mr. Bosinney zu beschäftigen, aber ziemlich riskant. Wie hatte George ihn doch genannt? »Den Bukanier!« Wie drollig! Aber George war immer so drollig! Immerhin würde alles in der Familie bleiben – sie mußten Mr. Bosinney doch wohl als zur Familie gehörig betrachten, so sonderbar es ihnen auch vorkam.

      James warf hier ein:

      »Niemand weiß etwas von ihm. Ich verstehe nicht, was Soames mit diesem jungen Mann will. Es sollte mich nicht wundern, wenn Irene da die Hand mit im Spiele hätte. Ich werde darüber mit –«

      »Soames,« fiel Tante Juley hier ein, »sagte zu Mr. Bosinney, er wünsche nicht, daß darüber gesprochen werde. Er sähe es gewiß nicht gern, wenn man mit ihm darüber spräche, und wenn Timothy es wüßte, würde er sich sehr ärgern, ich –«

      James hielt die Hand hinters Ohr.

      »Wie?« sagte er. »Ich werde sehr schwerhörig. Ich glaube, ich verstehe nicht recht was gesagt wird. Emily hat einen schlimmen Zeh. Vor Ende des Monats werden wir nicht nach Wales reisen können. Es ist immer was los!« Und da er erfahren hatte, was er wollte, nahm er seinen Hut und ging.

      Es war ein schöner Nachmittag und er ging quer durch den Park zu Soames, wo er zu Tisch bleiben wollte, denn Emilys Fuß fesselte sie ans Bett, und Rachel und Cicely waren zum Besuch auf dem Lande. Er schlug einen Querweg über eine Wiese mit kurzem dürren Gras ein, wo hier und dort zerstreut schwarze Schafe weideten, Pärchen lagerten und sonderbare Gesellen auf dem Bauch lagen wie Leichen auf einem Feld, über das die Wogen einer Schlacht geflutet sind.

      Er ging schnell, mit gesenktem Kopf und blickte weder nach rechts noch links. Der Anblick dieses Parks, der Mittelpunkt seines eigenen Schlachtfeldes, auf dem er sein Leben lang gekämpft hatte, regte ihn weder zum Nachdenken noch zu Betrachtungen an. Diese dort im Sturm und Drang des Kampfes hingestreckten Leiber, diese Liebespaare, die dicht an einandergeschmiegt der Einförmigkeit ihrer Tretmühle eine Stunde eitel Elysium abgerungen, ließen seine Phantasie unberührt; diese Art von Vorstellungen waren ihm fremd geworden; seine Nase war wie die eines Schafes auf die Weide gerichtet, die er abgraste.

      Einer seiner Mieter hatte kürzlich angefangen mit seiner Miete im Rückstand zu bleiben, und es war eine ernste Frage für ihn gewesen, ob er ihn nicht lieber gleich hinaussetzen sollte und so Gefahr laufen, die Wohnung vor Weihnachten nicht wieder zu vermieten. Swithin war gerade übel mitgespielt worden, aber es war ihm recht geschehen – er hatte zu lange gezaudert.

      Darüber sann er nach, als er da gleichmäßigen Schrittes weiterging und seinen Schirm vorsichtig, dicht unter der Krücke am Stock trug, um mit der Zwinge den Boden nicht zu berühren und die Seide in der Mitte nicht abzunutzen. Und wie er gebeugt mit seinen hohen mageren Schultern weiterschritt, wobei die langen Beine sich mit mechanischer Genauigkeit vorwärtsbewegten, glich dieser Gang durch den Park, wo die Sonne mit hellem Licht auf soviel Müßiggang – auf so viele menschliche Zeugen des unbarmherzigen Kampfes um Hab und Gut herabschien, der draußen tobte – dem

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