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zurück.

      Er hatte während der Fahrt erzählt, dass sein Großvater ein Zigeuner gewesen sei und er in der Kapelle eine große Kerze für ihn anzünden wolle.

      Also gehen wir gemeinsam, zügig zur Kapelle.

      Der Bau ist eine Besonderheit und als Wehrkirche bekannt. Zinnen krönen das imposante Gebäude.

      Das Kircheninnere ist mit vielen Marmorsäulen bestückt und wirkt sehr streng auf mich.

      In der Krypta ruhen die Überreste der Heiligen Sarah. Sarah, die schwarze Madonna, auch als Dienerin bekannt, ist die Schutzheilige des fahrenden Volkes.

      Jährlich im Mai lockt die bekannte, große Wallfahrt zahlreiche Gläubige und Touristen an. Dann findet immer ein riesiges Volksfest mit Frauen und Männern aus aller Welt statt. Zu Gitarrenmusik wird abends stundenlang am Lagerfeuer gesungen, gegessen und getanzt.

      Nachdem wir die Kirche gemeinsam besichtigt haben, ich sehe noch, dass Werner die größte, verzierte Kerze erstand, lassen wir ihn zur Andacht in der Kirche allein.

      Später treffen wir uns am Eingang zum Markt und genießen die Atmosphäre bei einem Rundgang. Ich liebe diese lebhaften, bunten, duftenden Märkte.

      An einem Kleiderstand verkaufte ein Afrikaner wunderschöne, farbige Kaftane. Mir gefiel ein erdfarbener besonders gut. Theo und Werner drängten mich hinter den Stand zur Anprobe. Sie meinten, dass ich unbedingt kaufen sollte, der Kaftan sei wie für mich geschaffen.

      Da ich zu wenig Geld mitgenommen hatte, das natürlich nicht erwähnte, kaufte ich nicht.

      Werner erstand einen schwarzen Kaftan für sich, was Theo belustigte.

      Bald hatten wir vom Markt genug und liefen an den Meeresstrand. In der diesigen Luft spürte ich sofort das Salz auf den Lippen, kletterte fröhlich über die großen Steine, die in der Bucht lagen. Dazwischen fanden wir einen Sandplatz zum Liegen.

      Ich lief hinter eine blickdichte Feldsteinmauer, um den Badeanzug anzuziehen. Bei meiner Rückkehr zum Lagerplatz sah ich, dass die Männer bereits Badehosen angezogen hatten. Theo wollte sich nur sonnen, nicht im Meer baden. Ob der starke Wind die Badegäste vertrieben hatte, weiß ich nicht. Es waren kaum Menschen am Strand und im Wasser. Warum? Bald sollte ich es hautnah erfahren.

      Werner und ich sprangen freudig erregt in die ankommenden Wellen. Meine Begeisterung war so groß, dass ich weiter und weiter hinausschwamm, mich wie ein Kind darüber freute, bald den Strand nicht mehr sah.

      Als ich zurück zum Badestrand schwimmen wollte, kam ich kein Stück vorwärts, wurde weiter und weiter in das Meer hinausgezogen. Die Wellen brachen über mir zusammen, es wurde sofort stockdunkel und ich wurde nach unten gezogen. Als ich nach oben kam, den Himmel sah und dann die Wellen über mir erneut zusammenbrachen, schöpfte ich Luft und betete darum, nicht zu ertrinken.

      Endlich, nach vielem Auf- und Abtauchen, sah ich Männer im Schlauchboot. Sie waren angegurtet und zogen mich an das Ufer.

      Wie genau das geschah, ob sie mich angurteten, weiß ich bis heute nicht.

      In der Erinnerung ist mir geblieben, dass ich nicht angefasst werden wollte und die Männer heftig abwehrte.

      Wieder zu Bewusstsein kommend, lag ich bäuchlings auf einem mir unbekannten Badetuch. Das salzige Wasser wurde mir nun buchstäblich aus dem Körper herausgeklopft. Wie war es mir peinlich vor den Malkollegen.

      Werner sagte, er habe gedacht, ich sei eine besonders gute Schwimmerin, und hätte sich deshalb keine Gedanken um mich gemacht.

      Eine deutsche Frau füllte Cola in mich hinein, später gaben mir unbekannte Badegäste Wasser zu trinken. Ich hatte viel Salz in meinem Körper und konnte nicht sprechen. Die Frau sagte, dass an diesem Tag vor dem Baden gewarnt worden sei, die Wellen seien zu aggressiv und hoch.

      Mir wurde schnell klar, warum ich allein im Wasser geschwommen war, setzte mich abseits auf einen großen Stein und weinte vor Glück über die Rettung und auch vor Erschöpfung.

      Irgendwo am Strand soll eine schwarze Fahne geweht haben, sie gilt als Warnung, nicht im Meer zu baden, ich sah sie noch immer nicht.

      Plötzlich stand Werner neben mir, nahm mich in die Arme und sagte ganz leise: »Du kannst mir doch net ersaufe, ich habe hier ein Geschenk für dich.«

      In einem Beutel aus Plastik war der erdfarbene Kaftan, den ich nicht kaufen konnte. Vor Freude und Überraschung fand ich in diesem Moment keine Worte, drückte ihm einen Kuss auf die Wange und lief davon.

      Theo hatte für uns im besten Fischrestaurant von St.-Maries-de-la-Mer einen Tisch bestellt. Dort gibt es die berühmteste Bouillabaisse, was auch Werner wusste. Für mich gab es leider nur Getränke, meine Kehle war rau und versalzen.

      Nach dem Essen fuhren wir weiter durch die Camargue. Wir fanden das weiße Haus unter den Schirmpinien und setzten uns zum Malen gegenüber an den Straßenrand. Theo und ich malten ein Pastell, Werner zeichnete mit Tusche.

      Es duftete nach Moos, Gräsern, Schilf und Erde. Wir hatten wenig Zeit, doch das tut den Arbeiten meistens gut. Theo hat, was nicht seine Art ist, abstrahiert.

      Ich war rundum glücklich, denn jedes Jahr versuche ich wieder in die Camargue zu kommen, um das weiße Haus unter Schirmpinien zu malen.

      Immer wurde das neu entstandene Bild nach meiner Rückkehr in Deutschland verkauft. Wenn auch Kunst nach Brot schreit, so wollte ich doch ein Bild für mich ganz allein haben. Unbedingt immer wieder das neue Bild, mein ›Weißes Haus‹.

      Für die Rückfahrt am späten Abend hat Werner eine andere Route ausgesucht. Durch kilometerlange Alleen von riesigen Platanen fuhren wir sehr langsam in der Abenddämmerung über Arles, Tarascon, Avignon und Carpentras nach Séguret.

      Wir hatten am Meer besprochen, meiner französischen Freundin, sie fühlt sich ständig für mich verantwortlich, nichts über den Zwischenfall am Meer zu erzählen, und hielten uns daran.

      Auf Wunsch von Werner zog ich am nächsten Abend den wunderschönen Kaftan an. Er meinte, dass das Licht zum Fotografieren abends am besten sei, und fotografierte mich wie ein Profi. Am Hugenottentor, am Pinienbrunnen und auf dem Place du Midi. In einigen meiner Kataloge und anderen Büchern sind die Fotos zu sehen.

      Zu Vernissagen, auch in Tunesien, habe ich den Kaftan getragen. Dabei oft an die Fahrt in die Camargue gedacht.

      Mit Werner fuhr ich in den nächsten Tagen mehrmals zum Malen und Zeichnen in die nähere Umgebung von Séguret. Verwundert war ich jedoch, dass er mich erst nach einer Woche seines Aufenthaltes danach fragte.

      Seine Antwort, die ich sehr schätze: »Ich wollte deine Kreise nicht stören, du warst ständig mit den Künstlern aus Bielefeld unterwegs.«

      Es war allerdings der Fall, dass einige Künstlerinnen gern mit ihm zusammen sein wollten, ihm regelrecht hinterherliefen. Er konnte es nicht haben, wollte intensiv arbeiten und nicht nur Ferien machen.

      Da ich auch so arbeitswütig bin und war, passte es zwischen uns sofort.

      Besonders eine Australierin, sie hatte ein Jahr Auszeit als Lehrerin genommen, war hinter dem großen

      Künstler her, sie versuchte es mit allen Mitteln.

      Ich bewohnte wie in den Jahren zuvor das Zimmer auf dem Malboden des Ateliers, wir konnten, ohne andere zu stören, auch in der Nacht arbeiten.

      An einem Morgen, noch sehr früh, klopfte Werner an meine Tür. Er war ärgerlich und fragte, ob ich in der Nacht an seinem Fenster gewesen wäre, es geöffnet hätte.

      Werner bewohnte das kleine Zimmer im Haus am Ortseingang und hatte nächtens die Fensterläden immer geschlossen.

      Als ich verneinte, erzählte er mir, dass er erwachte, als eine Gestalt zum Fenster hereinschaute.

      »Was ist los?«, hat er gerufen und gesehen, dass eine Frau davonlief. Diese Frau hatte einen roten Bademantel an. Seine Frage an mich: »Hast du einen roten Mantel?«

      Ich

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