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Kumpel!“ Oberkommissar Hauke Steffens betritt soeben den Raum. „Ich habe mich gerade mit den Itzehoer Kollegen Steenfatt und Wildemann unterhalten. Die wurden von ihrem Chef Hein Gröhl – Verzeihung, ich meine natürlich Oberkriminalrat Stöver – beauftragt, im Kreis Steinburg herumzufahren und in sämtlichen Dienststellen – wie heißt es noch mal“, er blickt rasch auf einen Zettel, den er aus der Tasche herausfischt, „hab ich mir notiert. Hier steht’s: den genauen gegenwärtigen Personal- und Ausrüstungsbestand aufzunehmen. Die sollen bei uns alles durchwühlen, damit es dann von gehobener Stelle irgendwie neu zusammengewürfelt beziehungsweise entsorgt wird.“

      „Ja, so steht’s auch sinngemäß in diesem Memo des Innenministeriums“, kolportiert seufzend Boie Hansen. „Heißt auf gut Deutsch, Dienststellen auseinanderreißen oder zusammenfügen, einige schließen. Die jüngeren Mitarbeiter werden hier- und dorthin verteilt, offene Planstellen werden nicht mehr besetzt, und wir, die Alten, dürfen in den wohlverdienten Ruhestand. Amen!“

      „Was anderes“, sagt Steffens. „Wo ist eigentlich unsere Nili?“

      Oberstaatsanwalt Hinrich Harmsen begrüßt die Besucherin am Eingang seines Amtszimmers betont höflich und bittet sie einzutreten. „Danke, dass Sie so schnell meiner Einladung folgen konnten, Frau Kriminaloberkommissarin. Nehmen Sie doch bitte dort drüben Platz. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten, einen Kaffee oder ein Wasser?“

      Nili folgt Harmsens Andeutung und setzt sich an den länglichen Besprechungstisch, an dessen Stirnseite sich ebenso der Oberstaatsanwalt an seinem Arbeitsplatz niederlässt. „Sehr freundlich, Herr Oberstaatsanwalt, ich nehme gern einen Milchkaffee und ein Glas Wasser, wenn es keine Umstände macht.“

      Harmsen bestellt die Getränke am Telefon. „Ich habe Sie aus zwei Gründen hergebeten, verehrte Frau Masal“, lässt Harmsen verlauten, nachdem seine Vorzimmerdame die Bestellung hereingebracht hat. „Zunächst wäre da zu besprechen, wie es mit Ihrer persönlichen Karriere weitergehen soll, da ja in Kürze größere Strukturveränderungen des gesamten Landespolizeiapparates bevorstehen.“

      „Ja, Herr Harmsen, natürlich habe ich davon in der Presse gelesen, bisher konnte ich aber noch nichts Genaueres erfahren. Können Sie mir vielleicht etwas mehr darüber mitteilen?“

      „Nun ja, so, wie es im Moment aussieht, werden – wie im ganzen Land Schleswig-Holstein – auch im Kreis Steinburg einige Polizeidienststellen entweder an einem Ort zusammengefügt oder verkleinert. Dabei sollen die oberen Dienstgrade, soweit sie nicht in absehbarer Zeit sowieso aus Altersgründen in den Ruhestand gehen, an einem zentralen Ort zu effektiveren Einheiten gebündelt werden. So wird zum Beispiel die gesamte Kriminalpolizei in Ihrem Landkreis am Standort Itzehoe zusammengefasst werden, anstatt wie bisher vereinzelt von den einzelnen Polizeistationen aus zu operieren.“

      „Mit anderen Worten, unsere Oldenmoorer Polizeistation wird wohl verschwinden, oder?“

      Harmsen wirft einen Blick auf den Monitor seines Computers. „Nicht ganz, nicht ganz.“ Er dreht den Bildschirm herum, sodass auch Nili einen Blick darauf werfen kann. „Diese Dienststelle wird aber verkleinert. KHK Boie Hansen bleibt noch bis zu seiner Pensionierung Ende des nächsten Jahres zusammen mit zwei Polizeimeistern mit einem Streifenwagen sowie einem Beamtenanwärter vor Ort. Kriminaloberkommissar Willi Seifert und Sie sollen gemäß der Planung zur Kripo nach Itzehoe versetzt werden.“

      Nili fühlt eine plötzliche Leere im Leib. Darfst also deinem geliebten Motorrad Adieu sagen, Kollege Willi, sinniert sie nebenbei. Der Gedanke, ihren lieb gewonnenen und wohnungsnahen Arbeitsplatz auf einmal von Oldenmoor nach Itzehoe verlagern zu müssen, bereitet ihr ein unwohles Gefühl. Zudem ist ihr – und nicht nur ihr – der dortige Leiter, Kriminaloberrat Heinrich Stöver, außerordentlich unsympathisch. Nicht umsonst nennen ihn seine Untergebenen wegen seiner stets üblen Laune und der cholerischen Ausbrüche hinterrücks „Hein Gröhl“.

      Harmsen hat sie während der kurzen Denkpause aufmerksam beobachtet. Ihm ist Nilis offensichtliche Missstimmung als Reaktion auf seine Ausführungen nicht entgangen. „Also, Frau Masal, Sie brauchen keine Trübsal zu blasen. Was Sie persönlich betrifft, haben wir Ihnen einen besonderen Vorschlag für Ihre zukünftige Tätigkeit zu machen. Ihre wertvolle Mitarbeit bei der Aufklärung des Falles Westphal und vor allem Ihr besonderes Geschick beim Verhör der beiden Schlüsselverdächtigen, natürlich verbunden mit Ihren vortrefflichen Sprachfähigkeiten, sind bis in die obersten Kreise mit besonderer Anerkennung zur Kenntnis genommen worden. Soweit uns bekannt“, er blickt wieder auf seinen Bildschirm und betätigt die Tastatur, „sprechen Sie, natürlich neben Deutsch, auch fließend Spanisch, Neuhebräisch und Englisch, nicht wahr?“

      Nili nickt.

      „Deswegen wollen wir Ihre diesbezüglichen Begabungen nicht einfach im Dunklen verblühen lassen, sondern effektiver nutzen. Wir schlagen Ihnen deshalb vor, eine offene Planstelle als Hauptkommissarin in unserem Kieler Landeskriminalamt zu übernehmen. Wegen der zunehmenden Globalisierung brauchen wir dringend tüchtige Mitarbeiter, die in allen Richtungen kommunizieren und ermitteln können. Was meinen Sie dazu?“

      Nili blickt ihn überrascht an. „Das kommt wirklich total unverhofft, Herr Oberstaatsanwalt. Ich weiß gar nicht, was ich dazu sagen soll. Ja, selbstverständlich ist es für mich sehr schmeichelhaft, solch ein Angebot zu erhalten und dazu sogar noch eine Beförderung in Aussicht gestellt zu bekommen. Bedeutet es aber wohl auch, dass ich hier nach Kiel umziehen müsste?“

      Harmsen schmunzelt. „Natürlich ist mir schon klar, dass dies eine große Überraschung für Sie ist. Wenn Sie grundsätzlich interessiert sein sollten – und ich hoffe dies sehr –, würde Ihr zuständiger Vorgesetzter, Kriminaldirektor Rüdiger Voss, als Leiter der Abteilung ‚Ermittlung und Auswertung‘ im Landeskriminalamt und auch stellvertretender LKA-Direktor, gern mit Ihnen weitere Einzelheiten besprechen. Wie ich hieraus ersehe, wäre für Sie eine Planstelle im Dezernat 2, SG212 – Organisierte und Rauschgiftkriminalität – vorgesehen. Das beinhaltet gleichzeitig Ihre Beförderung in absehbarer Zeit.“

      Nili kann nur noch nicken, denn sie ist sprachlos.

      „Machen Sie sich jetzt keinen Kopf, fahren Sie erst einmal nach Hause und überlegen Sie sich alles in Ruhe. Es werden sowieso noch einige Monate ins Land gehen, bevor diese Strukturreform greift.“

      Nili will aufstehen und sich verabschieden, jedoch unterbricht sie Harmsen mit einer Geste. „Dürfte ich Sie noch um ein wenig Geduld bitten? Da ist noch etwas Wichtiges, das ich mit Ihnen besprechen wollte, liebe Frau Masal. Einen Augenblick, bitte.“ Harmsen telefoniert kurz, legt dann den Hörer auf und geht zur Tür, um eine junge Dame hereinzulassen. „Darf ich vorstellen? Meine Tochter Kathja, frisch gebackene Juristin. Frau Kriminaloberkommissarin Masal, von der ich dir bereits erzählt habe.“

      Die beiden jungen Frauen geben sich freundlich lächelnd die Hand. Die Ende zwanzigjährige Kathja Harmsen ist eine äußerst sympathisch wirkende, schlanke und brünette Erscheinung mit einem jugendlichen und erfrischenden Ausdruck im Gesicht.

      „Auch etwas zu trinken, Kitt? Und darf es noch etwas für Sie sein, Frau Masal?“

      Nili verneint dankend, Kathja bekommt ein Glas Orangensaft.

      „Also, in medias res!“ Harmsen blickt von der einen zur anderen Dame, die links und rechts an seinem Arbeitstisch sitzen. „Meine Tochter hat vor Kurzem ihr erstes Staatsexamen an der hiesigen Rechtswissenschaftlichen Fakultät sehr erfolgreich abgelegt. Sie möchte gern gleich anschließend ihre Promotion in Angriff nehmen. Ihr Doktorvater, der renommierte Jurist Professor Doktor Traube, schlug ihr als Thema für ihre Dissertation – berichtige mich bitte, Kitt, wenn ich etwas Falsches sage – Folgendes vor: ‚Der Schmugglerweg des Kokains bis in die EU‘. Stimmt’s?“

      „Na ja, Papi, so in etwa“, bestätigt seine Tochter. „Darf ich weiter erzählen?“

      Harmsen nickt ihr zu.

      Kann seinen Vaterstolz nicht verhehlen, denkt sich Nili amüsiert.

      „Also, es ist so“, führt Kathja fort. „Mein Prof ist seit etwa einem Monat der erste Vorsitzende einer neu gegründeten NGO8, die tatkräftig

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