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Krüppel! Kein Vergleich mit unseren frischen Brötchen aus Opas Backwarenfabrik!“

      „Aber wenigstens unsere eigene Butter und Käse und Oma Clarissas selbst eingekochte Erdbeermarmelade schmecken doch prima darauf, oder?“, kontert Emma-Martha lächelnd.

      „Hast ja recht, Madde, dennoch, ich vermisse sie eben! Es tut mir so leid, dass mein Vater seine Backwarenfabrik wider Willen abgeben musste. Ich glaube, das hat ihn auch vorzeitig zu Tode gequält. Sonst war er doch noch fit.“

      „Und da sind ja auch die leckeren Eier von Tante Lissys Hühnerhof“, kolportiert der jüngere Oskar, der gerade eines davon geköpft hat und genüsslich den knallgelben Dotterrest von seinem Messer abschleckt.

      Nili greift in die Tasche ihrer Jogginghose und holt das dumpf brummende Handy hervor. „Entschuldigt, es ist Lissy!“, sagt sie, steht auf und geht zur Küchentür. „Boker tov, Ima!“, sagt sie – Guten Morgen, Mutter. Dann geht es auf Iwrith weiter. „Ja, ich bin bis zum Holstenhof gejoggt, wir sitzen alle am Frühstückstisch.“ Sie wendet sich der Gesellschaft zu: „Mutter umarmt euch alle!“

      „Sag ihr, sie soll Oma Clarissa zum Mittagessen mitbringen, wir haben heute reichlich frisch gebratene Kalbsleber mit vielen Äpfeln, roten Zwiebeln und Kartoffelmus“, schlägt Madde vor.

      Und Oliver meint vielsagend dazu: „Sie braucht keine Angst zu haben, es gibt davor auch ganz sicher kein Lungenhaschee!“

      Schmunzelnd gibt Nili die Information weiter. „Also gut, dann bis um zwölf, wie bi de Buurn gang un geev is! Und bring mir bitte frische Unterwäsche mit! Bis dann, großer Kuss! Wiedersehen!“

      „Opa, was sollte das mit dem Lungenhaschee?“, fragt Carola neugierig. „Ach, liebes Kind, das ist ’ne längere Geschichte. Als Lissy und ich noch Kinder waren und auf dem Landgut Guayrapata in Bolivien, von dem ich ja schon so oft erzählt habe, unsere Schulferien verbrachten, wurde auch ab und zu eines der Kälber geschlachtet. An einem solchen Tag gab es unweigerlich das uns verhasste Lungenhaschee, eine Speise, die ihr gottlob nicht kennt – da habt ihr auch wirklich nichts versäumt! Jedenfalls mussten wir immer erst diesen ekligen Brei verdrücken, denn sonst gab es keine gebratene Leber, die wir doch so sehr mochten.“

      Als alle satt sind, erhebt sich allmählich einer nach dem anderen vom Frühstückstisch, ein jeder hilft ein wenig beim Abräumen. Oliver und Nili bleiben mit ihren noch halb vollen Kaffeebechern sitzen.

      „Und? Alles in Ordnung auf dem Holstenhof?“, fragt Nili.

      „Ach ja, eigentlich schon. Die Milchquoten, die uns aus Brüssel vorgeschrieben werden, machen uns allerdings zu schaffen. Wir haben deshalb vor einem halben Jahr angefangen, die Überschüsse, die uns die Meierei nicht abnimmt, selbst zu verarbeiten und hier im Umkreis direkt zu vermarkten. Klappt eigentlich bestens, denn es hat sich rasch herumgesprochen, und Stefan und Carola wollen hier bald ihren eigenen Hofladen eröffnen, wir bauen dafür gerade eine der beiden Scheunen an der Auffahrt entsprechend um.“

      Nili nickt zustimmend. „Finde ich ’ne prima Idee, Milch frisch von der Kuh direkt an den Verbraucher!“

      „Na ja, ebenso Sahne, Butter, Frischkäse und Quark.“

      „Und auch die frischen Eier aus der Bodenhaltung von Lissys Eulenhof könntet ihr verkaufen!“

      So schwelgen sie eine Weile in ihren Plänen.

      Plötzlich stürmt Oskar in die Wohnküche. Er hält ihnen seinen aufgeklappten Laptop hin. „Seht mal, hier ist die Nili auf der ersten Seite des Courier!“

      Unter dem Titel „ZWEI FRAUEN NACH FEUER AUF EINEM BAUERNHOF TOT AUFGE-FUNDEN“ erscheint ein großes Farbfoto, auf dem hinter dem weiß-roten Polizeiabsperrband tatsächlich Nili deutlich inmitten der Einsatzleute vor dem Bauernhof zu sehen ist.

      „Ach, sieh mal, hat mich also Jochen Ploog mit seinem Teleobjektiv doch noch erwischt!“ Sie hatte den Journalisten des Courier bereits bei der Anfahrt zum Tatort unter den vielen davor postierten Presseleuten bemerkt und ihm auch zugewinkt. Als sie aber später bemerkte, dass die Presseleute anfingen, Fotos zu machen, versuchte sie sich so gut es ging abzuwenden. Das war ihr wohl nicht ganz gelungen! Unter dem Foto ist ein magerer Bericht über das wenige zu lesen, das der zuständige Staatsanwalt Pepperkorn gegenüber der Presse verlauten ließ, nämlich dass die Polizei mehrere viel versprechende, heiße Spuren verfolge.

      Die Nachricht über Nilis Foto in der Zeitung breitet sich wie ein Lauffeuer im Holstenhof aus. Bald sind alle wieder in der Wohnküche versammelt und bedrängen Nili, ihnen doch alles zu erzählen, was sie weiß.

      „Tut mir ja so leid, ihr Lieben, aber viel mehr als das, was in der Zeitung steht, darf ich nicht erzählen, sonst krieg ich ’nen riesigen Zoff mit meinem Chef, okay?“

      „Weißt du schon, wer der böse Mörder ist?“, fragt Sophie, die Jüngste im Kreise.

      „Nein, leider noch nicht, aber wir haben so viele gute Hinweise auf die Täter und können deswegen hoffen, sie bald auszumachen.“

      „Ach, dann sind es wohl mehrere, nicht wahr?“, folgert Oskar.

      „Bist ganz schoin plietsch, mien Jung!“, bewundert ihn Nili und streicht liebevoll über seine strohblonden Haare.

      Die ganze vergangene Woche, die ich in Kiel verbringen musste, war sehr anstrengend, und es war mühsam, aus den beiden festgenommenen – der Vorschriften halber muss man hierzulande bis zur endgültigen Überführung etwaiger Delinquenten unbedingt die drollige Bezeichnung „mutmaßlichen“ voranfügen – Drogendealern und der Mörderbande etwas Brauchbares herauszubekommen, vermerkt Nili in ihrem Tagebuch. Nachdem Oma Clarissa früher häufiger aus ihren Tagebüchern vorgelesen und Nili so viele interessante Begebenheiten aus der Familiengeschichte, aber auch von den ereignisreichen Tagen der Flucht aus Nazi-Deutschland und aus dem bolivianischen Exil der Großeltern, ihrer Mutter Lissy und Onkel Oliver erfahren hatte, regte sie dies ungemein an, diesem Beispiel Folge zu leisten. So begann sie in ihrem ersten Jahr am Hamburger Gymnasium damit und hielt in unregelmäßigen Abständen immer diejenigen Erlebnisse fest, die ihr bedeutend und erwähnenswert erschienen. Nach Antritt ihrer polizeilichen Karriere in Hamburg und vor allem wegen ihres unglücklich verlaufenen und abrupt beendeten Liebesverhältnisses mit einem vielversprechenden Pianisten hatte sie dies für längere Zeit unterbrochen. Als sie vor drei Jahren zur Kriminaloberkommissarin befördert worden und dann auch nach Oldenmoor zurückgekommen war, nahm sie sich fest vor, das Tagebuchschreiben wieder mit größerer Regelmäßigkeit aufzunehmen. Seitdem hält sie vor allem jene interessantesten Fälle schriftlich fest, mit denen sie in Berührung kommt. Allerdings tut sie dies nicht handschriftlich wie früher, sondern tippt ihre Aufzeichnungen auf der Tastatur ihres Laptops und speichert die Texte auf einer eigens dafür bestimmten und zur sicheren Aufbewahrung getrennten Festplatte.

      Als Hauke und ich uns im Gebäude der Bezirkskriminalinspektion Blumenstraße beim Dienststellenleiter, dem Ersten Kriminalhauptkommissar Harald Sierck, und seinen beiden Mitarbeitern, den Kriminaloberkommissaren Sascha Breiholz und Steffi Hink, meldeten, war auch der Kieler Oberstaatsanwalt, Dr. Hinrich Harmsen, zugegen. Nachdem sich alle gegenseitig vorgestellt hatten, gab es eine umfassende Lagebesprechung, die von Waldi Mohr, der ein wenig später dazugestoßen war, geleitet wurde. Jeder Anwesende trug sein Teilwissen zu dem umfangreichen und sehr verzwickten Fall vor. Sascha und Steffi berichteten von dem tot aufgefundenen Ralph Westphal. Der Obduktionsbericht von Professor Kramm wurde vorgelesen; daraus ergab sich definitiv eine erhöhte Kokaindosis mit ungewöhnlich hoher Reinheit der Droge als Ursache für dessen Tod durch Herzversagen. Außerdem gab es deutliche DNA-Spuren auf der Kleidung des Toten, die auf wenige Stunden zuvor stattgefundenen Geschlechtsverkehr hinweisen. Wäre da nicht die kurz darauf erfolgte Festnahme der als hochgradig verdächtig eingestuften Drogenbande erfolgt und eine sehr wahrscheinliche Verwicklung wegen des Kontakts von mindestens zwei ihrer Dealer mit dem Toten gegeben, hätte man keine Handhabe zur Verfolgung eines vermeintlichen Tötungsdeliktes gehabt. Es war mein Hinweis über den Abstellort von Ralphs Fahrrad am Lübecker

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