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vor den furchtbaren Dingen, die sie sagt, also völliges Ableugnen von Gottes Barmherzigkeit.«

      Der tragische Tod von Elisabeths jüngster Schwester Sophie Charlotte: Sie kommt beim Brand des Pariser Bazars de la Charité am 4. Mai 1897 in den Flammen um.

      Die bejahende Antwort auf die Frage, ob sie denn nicht an Gott glaube, konnte Marie Valerie nicht beruhigen. »O ja, an Gott glaube ich – so viel Unglück und Leiden kann nicht durch bloßen Zufall entstehen. Er ist mächtig, erschreckend und grausam«, beharrte die Kaiserin und führte den Tod ihrer jüngsten Schwester Sophie Charlotte beim Brand des Pariser Bazars de la Charité im Jahre 1897 an. Die mütterlichen Ansichten erinnerten die biedere, konservative und deutschnationale Tochter in fataler Weise an die Religionsfeindlichkeit der Sozialisten, wenn nicht gar an die der Anarchisten. »Kein Gott, kein Herr!«, lautete einer der Schlachtrufe der anarchistischen Bewegung, deren Taten damals die Medien beherrschten.

      In Ischl verbrachte »Sisi« noch einige Tage im Kreis der Familie, am 15. Juli 1898 verließ sie die Salzkammergut-Sommerfrische in Richtung Bad Nauheim, um eine angebliche Herzschwäche zu kurieren.

      In Bad Kissingen schien sich der Zustand der Monarchin allmählich zu bessern. »Wetter entsetzlich«, notierte Marie Valerie. »Sturm und Regen, was aber Mama nicht hindert, lange, lange Spaziergänge zu machen …« Und dies trotz einer Entzündung des Ischiasnervs.« »Gott Lob, es muß Dir besser gehen!«, wunderte sich der Kaiser, »da Du so große Ausflüge unternimmst!« Von Kissingen ging es zur Nachkur nach Bad Brückenau, wo die Kaiserin bis zum 12. Juni blieb. Dann erfolgte ein Rückzug in die Einsamkeit der Hermesvilla, ihr von menschenleeren Wiesen und Wäldern umgebenes kleines Schloss im Lainzer Tiergarten am Rande von Wien. Die Haupt- und Residenzstadt selbst hat die Monarchin nicht geschätzt und aus Abneigung prinzipiell gemieden. Anschließend hielt sie sich bei ihrer Familie in Bad Ischl auf, um dann am 15. Juli erneut abzureisen: zu einer weiteren, fünfwöchigen Kur unter Leitung von Dr. Theodor Schott nach Bad Nauheim. Hatten doch die Ärzte bei der Kaiserin ein neues Leiden, nämlich Herzschwäche, festgestellt.

      Kaiser Franz Joseph schrieb resigniert: »…nach so unendlich kurzem Zusammensein sind wir wieder auf schriftlichen Verkehr beschränkt. Das ist sehr traurig, aber leider nicht zu ändern. Die neuerliche Trennung geht mir sehr nah …«

      Elisabeths Reiseroute führte über München, wo die vermeintlich Herzkranke frohgemut durch die Stadt bummelte, im Englischen Garten spazierte und voll Nostalgie die Stätten ihrer Kindheit, darunter den Familiensitz, das Herzog-Max-Palais, aufsuchte sowie im Hofbräuhaus Bier trank. »Ich verlasse niemals München, ohne hier einzukehren«, meinte die Kaiserin zu ihrer Begleiterin. Auch in ihrer Heimatstadt suchte die Monarchin, wie auf all ihren Reisen und Kuraufenthalten, die lästigen Bewacher abzuschütteln. Überhaupt gab es, wie die Münchener Stadtväter meinten, keinen Grund, die Anwesenheit der gebürtigen Wittelsbacher Herzogin geheim zu halten. Stolz vermeldeten die Fremdenlisten der lokalen Zeitungen jedes Mal die An- und Abreise Elisabeths. Wurde diese, wie es im Hofbräuhaus geschah, von Fremden erkannt und gegrüßt, brach die Monarchin sofort auf. Sie liebte es unerkannt zu bleiben. Ein »Bad in der Menge« war und blieb ihr eine unerträgliche Belästigung.

      Bad Nauheim wurde ein Erfolg. Die Kaiserin fühlte, wie ihre Begleitung bemerkte, ihre »Lebenskraft wachsen« und sie schmiedete Pläne für die Zukunft. »Noch eine solche Kur, Gräfin«, meinte sie zu ihrer Hofdame Irma Sztáray, »und Sie werden sehen, ich kann mich auf die größten Seereisen begeben, dann wollen wir zu den Canarischen Inseln«. Davor jedoch stand noch eine Nachkur in Caux hoch über Territet in der Nähe von Montreux am Genfer See auf dem Programm. Die Kaiserin liebte die demokratische Schweiz und die kosmopolitischen Schweizer. In der Eidgenossenschaft sah sie ein Vorbild für die künftige Gestaltung der europäischen Staaten, denn sie zweifelte am Fortbestand der Monarchien. Aus diesem Grund deponierte sie in weiser Voraussicht in der Schweiz, die damals noch nicht zu den führenden Finanzplätzen Europas zählte, auch einen Großteil ihres beträchtlichen Vermögens, zu dem ihre Tochter Marie Valerie bei der Testamentseröffnung nur staunend bemerken konnte: »Es ist erschreckend groß.«

      Über die Gefahren, die in der Schweiz, damals eine wahre Hochburg der Anarchisten, auf sie lauerten, war sich Elisabeth durchaus bewusst. Für ihre eigene Person zog sie es vor, diese einfach zu ignorieren und verfasste dazu ein Spottgedicht:

       Schweizer, Ihr Gebirg ist herrlich!

       Ihre Uhren gehen gut.

       Doch für uns ist sehr gefährlich

       Ihre Königsmörderbrut!

      Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth im Garten des Hotels Cap Martin, Frankreich, zusammen mit der Kaiserin-Witwe Eugenie von Frankreich. Autotypie nach einer Zeichnung von Arthur Lajos Halmi. Abbildung aus: Max Herzig (Hg.): »Viribus unitis. Das Buch vom Kaiser« (1898).

      Um die Sicherheit ihres Gemahls war sie jedoch höchst besorgt, wie ein Brief Kaiser Franz Josephs aus dem Jahr 1895 bezeugt, als das Herrscherpaar einen gemeinsamen Urlaub in Cap Martin an der französischen Riviera genoss. »… Deine Besorgnis wegen meiner Sicherheit in Cap Martin war unnöthig«, beruhigte er Elisabeth. »… denn es handelt sich nach meiner Überzeugung nur um unbegründete Geschäftigkeit und um die Nervosität der französischen Polizeibeamten …«

      Die Angst Elisabeths um den Kaiser war durchaus berechtigt, wie die nach der Ermordung der Kaiserin enthüllten Pläne französischer und italienischer Anarchisten beweisen sollten. Den Jüngern der schwarzen Fahnen waren die Aufenthalte des österreichischen Kaiserpaars an der Côte d’Azur in den Jahren 1894, 1895 und zweimal 1896 nicht entgangen. 1896 hielt sich Franz Joseph drei Wochen in Cap Martin auf, wobei er der englischen Königin Victoria einen viel beachteten Höflichkeitsbesuch abstattete. Damit geriet er als mögliches Opfer ins Visier der Protagonisten der »Propaganda der Tat«. Es war für die anarchistischen Planer eine große Enttäuschung, dass Kaiser Franz Joseph 1898 wegen Regierungspflichten keine Zeit für einen Urlaub aufbringen konnte.

      Auch im Sommer 1898 beherrschten Nachrichten von der »Schwarzen Gefahr« die Presse. Das Entsetzen über die vielen Gewalttaten von Anarchisten war groß. Schon seit geraumer Zeit registrierte und fotografierte die Polizei verdächtige Personen nach ihrer Verhaftung. Aus den amtlichen Karteien stammten die vielen Steckbriefe zur Fahndung ausgeschriebener politischer Täter auf den Hauswänden des Kurortes Territet.

      15 Zimmer wurden hier im ersten Stock für die Kaiserin und ihre Entourage reserviert: das Grand Hôtel de Caux hoch über Territet. Fotochromdruck, um 1895.

      Von der Anreise der Kaiserin in Alarmbereitschaft versetzt, nahm die Berner Polizei Kontakt mit den Kollegen in Lausanne auf. Ein Telegramm des Bundesdepartements Justiz am 29. August 1898 aus Bern lautete: »Österreichische Kaiserin ankommt morgen 30. August Caux bei Territet für längeren Aufenthalt. Sie reist in allerstrengstem Inkognito und benutzt für Strecke Basel–Territet den fahrplanmäßigen Zug Jura-Simplon Nr. 168, Abfahrt Basel 7 Uhr 50. Abfahrt Lausanne 2 Uhr 25. Bitten gegen eventuelle Belaestigungen alle dafuer als notwendig erachteten Maßnahmen zu ergreifen.«

      Kaiserin Elisabeth stieg im Grand Hôtel de Caux, in den Bergen hoch über Territet ab. 15 Zimmer im ersten Stock mit herrlicher Aussicht waren für sie und ihre Entourage reserviert worden. Die Begleitung der Herrscherin bestand aus dem Haushofmeister Generalmajor Adam von Berzeviczy, der Hofdame Gräfin Irma Sztáray, dem Sekretär Dr. Kromar, dem Vorleser Frederic Barker, den zwei Kammerdienerinnen Marianne von Meisel und Marie Heniko de Temsburg, zwei Lakaien und vier Zofen sowie der Leibfriseurin Franziska »Fanny« Feifalik – im Vergleich zu früheren Reisen mit 25 bis 49 Personen, ein kleines Gefolge.

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