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später: »… und ich sah es in der Hand des Arztes, dieses Herz voll Liebe und voll Qual.«

      Exakt fünfundachtzig Millimeter tief, so stellte die Kommission fest, war ein zu diesem Zeitpunkt noch nicht näher identifiziertes, spitzes Instrument in den Brustkorb der Kaiserin eingedrungen, hatte dabei die vierte Rippe zertrümmert, war dann durch den vierten Rippenzwischenraum weiter vorgedrungen, hatte den unteren Teil des oberen Lungenflügels durchbohrt und die vordere Fläche der linken Herzkammer getroffen, einen Zentimeter vor dem absteigenden Zweig der Arteria Coronaria, dem Koronargefäß. Die linke Herzkammer wurde vollständig durchstochen, die hintere Scheidewand zeigte eine dreieckige Öffnung in der Größe von ca. 1 mm. Der Herzbeutel wies einen großen Erguss geronnenen Bluts auf, Ursache des Herzstillstands. Den allgemeinen Zustand des Leichnams und seine Verletzungen dokumentierte man mit 69 fotografischen Aufnahmen, die man bei der Gerichtsverhandlung vorführte und anschließend vernichtete.

      Noch während der Untersuchungen meldete sich die Portiersfrau eines Hauses nahe dem Hotel Beau-Rivage bei der Polizei. Sie hatte im Hausflur hinter der Eingangstür eine Feile gefunden und zuerst geglaubt, ein Handwerker hätte sie verloren, dann jedoch von dem Attentat auf die Kaiserin gehört. Sie übergab ihren Fund der Polizei. Für die Gerichtsmediziner gab es keinen Zweifel: Es handelte sich um das Mordwerkzeug.

      Um 16 Uhr 10 telegrafierte Graf Kuefstein nach Wien, um den Abschluss der Obduktion »in den Grenzen des Allernotwendigsten« und die Einbalsamierung der Leiche mittels Injektionen von Formaldehyd zu melden, eine Prozedur, die für die dabei anwesende Hofdame Sztáray schwer zu ertragen war. Verbreitete sie doch im ganzen Hotel einen beißenden Gestank und machte eine Desinfektion der Räume vor weiterem Gebrauch notwendig.

      Am 13. September 1898 verfassten fünf Ärzte den offiziellen und beglaubigten Bericht über die Obduktion. Er stellt auch heute noch für die Biografen Elisabeths eine wichtige Quelle dar, enthält er doch teilweise vollkommen neue Erkenntnisse. An der Objektivität und Integrität der Schweizer Pathologen besteht kein Zweifel, ebenso wenig an ihren beruflichen Qualifikationen. Für eine absichtliche Verfälschung der Untersuchungsergebnisse fehlte das Motiv – das Protokoll ist zweifellos ein wahrheitsgetreuer und exakter Befund über die körperliche Verfassung der Kaiserin von Österreich zum Zeitpunkt ihres Ablebens.

      Der Obduktionsbericht vom 12. September 1898, unterzeichnet von den Professoren Hippolyte Jean Gosse, Auguste Reverdin und Louis Mégevand. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Österreichisches Staatsarchiv.

      Der Zustand des kaiserlichen Herzens ist dabei besonders interessant. Es wies nur eine minimale, alterskonforme Vergrößerung auf, bis zuletzt verfügte es über eine ausgezeichnete Pumpfunktion. Es gab keinerlei Anzeichen für eine Erkrankung oder Schwächung des Organs.

      Für ihr Alter besaß Elisabeth ungewöhnlich gute Zähne. Bonne dentition, ein »ausgezeichnetes Gebiss«, stellten die Professoren fest. Ihre Angaben werden durch Quellen bestätigt. Wie die im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien verwahrten Rechnungen beweisen, gab Elisabeth große Summen für Zahnärzte aus. Drei Spezialisten bemühten sich um das kaiserliche Gebiss. Dr. Raimund Günther, seines Zeichens Hofarzt, wurde dafür sogar als Edler von Kronmyth geadelt. Daneben zählte auch Levi Spear Burridge, einer der berühmtesten amerikanischen Zahnärzte seiner Zeit, die Kaiserin zu seinen Patientinnen. Der 1887 verstorbene Burridge galt als sehr fortschrittlich, verfertigte bereits Kronen, wurde für ästhetische Zahnpflege geschätzt und führte bereits Mundhygiene durch. In ihren reiferen Jahren vertraute die Monarchin Dr. Otto Zsigmondy, dem damaligen Zahnarzt des Wiener Hofs.

      Sie hatte es demnach, wie fälschlicherweise oft kolportiert, nicht notwendig, ihre Zähne hinter einem Fächer zu verstecken. Und bonne dentition schließt ein falsches Gebiss aus. Auch in den erhaltenen Honorarnoten der Zahnärzte finden sich keine Hinweise auf Prothesen. Trotzdem will die Schauspielerin und Zeitzeugin Rosa Albach-Retty, die Großmutter Romy Schneiders, die Kaiserin in einem Restaurant bei der heimlichen Reinigung ihrer falschen Zähne in einem Wasserglas beobachtet haben.

      Auf jeden Fall lautete das aufgrund der Untersuchung des Leichnams gezogene Resümee: »Die Kaiserin erfreute sich bis zuletzt bester körperlicher Gesundheit.« Ihre Probleme waren demnach nicht physischer, sondern psychischer Art.

      Im Todesjahr der Kaiserin, 1898, kursierten viele Gerüchte, dass diese chronisch krank sei, sich nur mehr mühsam fortbewege. Nur wenige Personen haben damals den Zustand der Monarchin richtig eingeschätzt. So meinte ihre Hofdame Irma Sztáray: »… mit ihrem stählernen Optimismus und ihrer zähen Natur könnte die Kaiserin 100 Jahre alt werden.« Und der berühmte Internist und Neurologe Professor Carl Nothnagel konstatierte nach einer Untersuchung der kaiserlichen Patientin: »Eine partielle Nervenentzündung, nicht ungewöhnlich, sehr schmerzhaft, aber ungefährlich.«

      Der Pathologe Louis Mégevand, Mitglied der Obduktionskommission. 1910 nahm er auch die Autopsie an der Leiche Luigi Luchenis vor.

      Tatsächlich hätte Elisabeth unter günstigen Bedingungen sehr alt werden können. Dies war die logische Folge ihrer – nach modernen Begriffen – gesunden Lebensweise: Die Kaiserin war eine der kühnsten Springreiterinnen ihrer Zeit. Jahrelang trainierte sie täglich viele Stunden, oft unter Anleitung einer Dressurreiterin vom Zirkus »Krone«. Sie nahm an tollkühnen, anstrengenden Parforcejagden teil. Daneben turnte und schwamm sie gern. Bewegung in frischer Luft fehlte nie, denn sie unternahm lange und ausgedehnte, mit großer Geschwindigkeit zurückgelegte Wanderungen. Training und eiserne Kondition ermöglichten stundenlange Touren. Es freute sie, wenn ihre Bergführer aus Erschöpfung aufgaben. Die Hofdamen wurden im Hinblick auf ihre körperliche Belastbarkeit ausgewählt und aufgenommen.

      Immer wieder eingeschobene Hungerkuren schwächten die Kaiserin nicht, modernes Dinner cancelling gehörte zu ihrem Tagesprogramm und ersparte ihr langweilige Abendgesellschaften. Sie konnte sich aber durchaus, wie die Aufzeichnungen ihrer Entourage beweisen, an einer guten Mahlzeit erfreuen, liebte Eis, Konfekt und vor allem frische Milch. In Bayern nahm sie gern die schweren Speisen im Hofbräuhaus zu sich, auf Reisen kehrte sie auch in einfachen Gaststätten ein. Elisabeth hatte, wie alle ihre Schwestern, einen überaus zarten Knochenbau und achtete wie diese auf ihr Gewicht: Sie war stolz auf ihre schlanke Figur und ihre Widerstandskraft. So waren Schifffahrten auf stürmischer See für die Kaiserin ein wahres Lebenselixier – ganz im Gegensatz zu ihrer meist seekranken Begleitung.

      Aus Elisabeths Leben ist keine einzige schwere Erkrankung bekannt, auch keine einzige Operation. Trotzdem klagte die Monarchin selbst seit früher Jugend über schlechtes Befinden und schwache Gesundheit. Beides diente ihr als Anlass zur Absage offizieller Verpflichtungen und für häufige Kuren, die erste davon bereits im Alter von 23 Jahren. Damals litt sie unter starkem Husten, man befürchtete Lungenschwindsucht. Es folgte ein mehrmonatiger Genesungsaufenthalt in Madeira. Danach wurden Kuren – oft mehrmals im Jahr – zum festen Bestandteil im Jahresablauf der reisefreudigen Kaiserin. Elisabeth war Stammgast in den bekanntesten Heilbädern Europas. Zur Linderung ihrer Beschwerden fuhr sie unter anderem sechs Mal nach Bad Kissingen und vier Mal nach Meran, weiters in das Seebad von Biarritz, zu den Schwefelquellen in Aixles-Baines und an die Riviera. Hof- und Kurärzte wurden konsultiert. Sie diagnostizierten »matte Herztätigkeit«,«ein geschwächtes, vergrößertes Herz, »wässrige« Blutbeschaffenheit, dazu Ischias und erschlaffende Nerven«, verordneten warme Bäder, Massagen und Trinkkuren.

      »Welch schmerzlich der ganze Eindruck ist, den sie macht«, schreibt ihre Tochter Marie Valerie besorgt in ihrem Tagebuch. »Sehr erschrocken über ihr schlechtes Aussehen, die sichtliche Müdigkeit.« Die von Elisabeths Ärzten festgestellte, angebliche Herzschwäche beunruhigte ihre Familie zutiefst. Besonders Franz Joseph und die jüngste Tochter Marie Valerie lebten angesichts des vermeintlich bedrohlichen Gesundheitszustands der Kaiserin, der größte Rücksichtnahme erforderte, in ständiger Sorge.

      Wie stellt sich der Tod Elisabeths aus heutiger medizinischer Sicht dar? Dr. Hildegunde Piza-Katzer, Spezialistin für plastische Chirurgie, hat die Ereignisse um das Attentat analysiert:

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