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erlitten hat, ist er durch Geldnot 1875 gezwungen, die Villa Angiolina um 80.000 Gulden an den mährischen Adeligen Graf Viktor von Chorinsky (1838 – 1901) zu verkaufen. Ein Jahr später, 1876, schreibt Dr. Šporer einen Brief an den bedeutenden Wiener Laryngologen Leopold Schrötter Ritter von Kristelli, in dem er dem Kollegen seine Pläne mit Abbazia schildert. Der Versuch, endlich einen Verbündeten in der Hauptstadt zu gewinnen, gelingt tatsächlich – Schrötter verspricht, Abbazia seinen Patienten zu empfehlen, geht aber dann noch weiter: In seinen Schriften verweist er erstmals auf die „hervorragende Konzentration des Areosols in der Luft Abbazias“ und ruft damit auch das Interesse seiner Kollegen wach.

      Damit ist der verträumte Ort an den Felsufern des Quarnero endgültig ein Thema in Wiener medizinischen Kreisen geworden; dazu tragen nicht zuletzt auch die enthusiastischen Schilderungen Heinrich Noes bei, der, nunmehr in der Hauptstadt als Herausgeber der Alpenzeitung tätig, in den Salons das Loblied Abbazias singt. Es sei dies eine Örtlichkeit geeignet zum „Seebad und zum Wintergarten von Wien“, zu einem „maritimen Vorort der Metropole“. Angesichts dieser Elogen wird ein Mann hellhörig, der es üblicherweise nicht bei Worten belässt: Friedrich Julius Schüler (1832 – 1894). Der aus Buchsweiler (Bouxwiller) im Elsass stammende Manager hat eine wahre Blitzkarriere im Eisenbahngeschäft hinter sich: mit 29 Jahren Generalinspektor der Südbahn und mit 39 deren Betriebsdirektor, seit 1878 Generaldirektor der Südbahngesellschaft, des größten österreichischen Bahnkonsortiums. Schüler ist unermüdlich auf der Suche nach besonderen Attraktionen für die Fahrgäste der Gesellschaft, denn er hat klar erkannt, dass mit der Schaffung neuer touristischer Ziele auch ein Ansteigen des Bahnreiseverkehrs erzielt werden kann und damit eine weitere Konsolidierung der angespannten Finanzen – die Südbahn lebt vor allem vom Personenverkehr.

      Nach Triest der wichtigste Handelshafen Österreich-Ungarns: die Hafenmole von Fiume. Photochromdruck, um 1890.

      Inspiriert von einem Vortrag Noes über die Bucht des Quarnero, greift Schüler daher dessen Idee begeistert auf und entwickelt sein eigenes Konzept: Hier, wo jetzt nur Fischerhütten stehen und grüne Lorbeerwälder, soll für die Reichen der Monarchie eine neue Attraktion aus dem Boden gestampft werden, ein „Brighton im Sommer und ein Cannes im Winter“, wie es Noe formuliert. Nach dem Vorbild der großen Eisenbahnhotels am Semmering und in Toblach soll nun auch an der Adria ein neues Tourismuszentrum entstehen, die „Gesellschaftlichen Hotels“ am Quarnero sollen Kristallisationspunkte für den wachsenden Trend zum Meer werden und entsprechend Geld in die Kassen spülen. Der notwendige Bahnanschluss ist bereits vorhanden: 1873 hat die Südbahn die Strecke von St. Peter in der Krain (Pivka) nach Fiume fertiggestellt; von der Station Mattuglie sind es noch sieben Kilometer mit dem Pferdefuhrwerk nach Abbazia, das so von Wien aus direkt und bequem „über Nacht“ erreicht werden kann.

      Verwitterte Erinnerung: das Denkmal für Südbahn-Generaldirektor Friedrich Julius Schüler im Angiolina-Park.

      Abbazia wird zum „maritimen Vorort der Metropole“ Wien: Die 1873 fertig gestellte Südbahn knüpft die entscheidende Verbindung. Aus: Heinrich Noe, Österreichische Südbahn. Von der Donau zur Adria (Zürich o. J.).

      Das Vorhaben des umtriebigen Südbahnmanagers, der 1884 die österreichische Staatsbürgerschaft annimmt, ist komplex, gilt es doch einerseits die Finanzierung der geplanten Großhotels in einer Umgebung ohne entsprechende Infrastruktur auf die Beine zu stellen, andererseits aber auch das Projekt mit Leben zu erfüllen und die richtigen Männer – „Promotoren“ – dafür zu finden. Erstes Ziel ist es jedoch, das Areal mit der Villa Angiolina zu erwerben, und man muss sich beeilen, denn inzwischen ist bereits eine andere Interessensgruppe, „sogenannter Gründer“, an den Grafen Chorinsky mit einem Kaufangebot herangetreten. Schüler beauftragt den ortskundigen Heinrich Noe mit der Führung der Gespräche und tatsächlich gelingt es dem enthusiastischen Bayern, Chorinsky vom Angebot der Südbahngesellschaft zu überzeugen, und das obwohl er nicht der Bestbieter ist – der Graf zieht jedoch das Angebot der Südbahn vor, von „deren Verwaltung er sicher sein konnte, dass sie mit ihren auf die Hebung des Verkehrs und auf den allgemeinen Nutzen gerichteten Bestrebungen bei ihren technischen und anderen Mitteln, bei dem Einflusse, welcher ihr zur Verfügung stand, aus seinem unvergesslichen Besitz am Südmeer etwas anderes zu machen wissen werde, als eine Gruppe von Spekulanten, deren nächste Absichten nur die einer rücksichtslosen Ausbeutung sein konnten“. Am 18. Juli 1882 wird der Kaufvertrag unterzeichnet – für 100.000 Gulden geht das „Object“ an die Südbahn; ein angemessener Preis, wenn man bedenkt, dass 1910 die Villa Angiolina zusammen mit dem Park um stolze 2,5 Millionen Kronen verkauft werden wird.

      Friedrich Julius Schüler

      Sofort danach beginnen die Bauarbeiten, die Pläne dazu hat man bereits fertig in der Schublade. Auch an die Versorgung der zu erwartenden Gäste mit frischem Obst und Gemüse wird gedacht: In dem kleinen Dorf Ika, zwischen Abbazia und Lovrana gelegen, erwirbt die Südbahngesellschaft einen der größten Landwirtschaftsbetriebe der Gegend, die „Campagna Colona“, zu der damals auch noch Weingärten gehörten.

      Nicht ganz einfach ist es, das für den Hotelbetrieb notwendige weibliche Dienstpersonal zu finden. Wichtigster Arbeitgeber der Region für junge Frauen ist die Zigarrenfabrik in Fiume, bekannt für ihre Virginias. Etwa 2.000 Arbeiterinnen sind hier bei relativ gutem Lohn beschäftigt, ein Wechsel ins Hotelgewerbe daher für sie uninteressant. So ist man gezwungen, Köchinnen und „Kammerzofen“ aus Böhmen und Ungarn anzuwerben; die Kellner kommen aus Wien.

      Für den Posten des Chef-Kurarztes hat Schüler einen aufstrebenden Wiener Mediziner im Visier, der sich auf Balneologie spezialisiert hat und inzwischen in Rohitsch-Sauerbrunn (heute: Rogaška Slatina) als „landschaftlicher Brunnenarzt“ praktiziert und an der Universität Graz Hydrotherapie und Balneotherapie lehrt: Dr. Julius Glax (1846 – 1922), den Sohn des Historikers Heinrich Glax. Durch erste wissenschaftliche Arbeiten hat sich Glax den Ruf eines Reformers und kompetenten Kritikers erworben, eines Mannes, der modern und zukunftsorientiert denkt. Die Diskussion um Abbazia kann diesem engagierten Arzt nicht verborgen bleiben: Angeregt durch die begeisterten Schilderungen Schweiger-Lerchenfelds (siehe unten), reist Glax, der sich 1876 in Graz habilitiert hat und 1880 vom Kaiser zum k. k. Universitätsprofessor ernannt worden ist, zum ersten Mal im September 1883 nach Abbazia und begibt sich dann nach Wien, wo er zunächst dem Wirtschaftsfachmann Wilhelm Freiherrn von Schwarz-Senborn seine Eindrücke schildert, und dieser vermittelt ihm schließlich eine Unterredung mit Schüler.

      Lenkt als Vorsteher der Kurkommission jahrzehntelang die Geschicke des Seebads: Dr. Julius Glax.

      Glax erkundigt sich dabei ausführlich nach den Plänen der Südbahn: Wolle man nur eine Hotelanlage errichten oder tatsächlich einen Kurort gründen? Falls man Letzteres anstrebe, müsse die Gesellschaft auch die Schaffung „entsprechender Einrichtungen wie Wasserleitung, Kanalisation, Bäder, hydropathische Anstalt, Milchwirtschaft“ im Auge haben, weiters sieht das sehr fortschrittliche „Hygienekonzept“ des ambitionierten Balneologen die „einwandfreie Beseitigung der Abfallstoffe, geeignete Isolierrräume für infektiöse Kranke, Desinfektion und Desinfektionsräume, Leichenkammern, entsprechende Einrichtungen für Krankenpflege, Krankentransport, Rettungswesen und Feuerwehr, Überwachung der Kurmittel und ihrer Verabreichung“ und auch eine „Überwachung der Lebensmittel“ vor, daneben müsse aber auch die „Ruhe im Kurort“ gewährleistet sein. Als sich Schüler mit diesen zum Teil sehr kostenintensiven Forderungen konfrontiert sieht, gibt er offen zu, dass man sich noch nicht endgültigfestgelegt habe, lädt aber Glax zu einem längeren

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