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einen Doktor machte, dass ich bei der Exzellenzinitiative mitwirkte, dass ich quer durch Deutschland Impulsreferate vor Hunderten von Zuhörern hielt, dass ich ein eigenes Trainingsprogramm entwickelte, das ich von Krankenkassen finanziert mit meinen Mitarbeitern an Schulen einführte, und auch nicht dafür, dass es mir als erster berufstätiger Frau in der Familie gelungen ist, meinen Lebensunterhalt unter allen Lebensumständen immer selbst zu bestreiten. Das alles wurde nur als Hintergrundgeräusch wahrgenommen, wenn ich davon erzählte, aber nicht als eigentlich von Interesse, denn man war doch immer sehr mit eigenen Angelegenheiten beschäftigt, vor allem mit der alles entscheidenden zukünftigen Majoratsherrschaft. Und das ganze akademische Gedöns hatte in anderen Firmen nur dazu geführt, dass die Doktoren alles ruiniert haben.

      Und nun ist es doch noch so weit gekommen. Weihnachten 2014, im Alter von 57 Jahren, wurde mir die Weihe erteilt, als mein Vater aus einer plötzlichen Erkenntnis heraus verkündete: „Eigentlich bist du ja der Majoratsherr!“ Was im Grunde vor allem eines besagt, nämlich dass es schon immer ein Akt der Willkür war, wem in der Familie diese Rolle zugesprochen wurde. Hilfreich war aber sicher, dass sich zwischen meiner Geburt und meiner Ernennung zum Majoratsherrn nicht nur in meiner Familie die Spielregeln völlig verändert haben. Frauen dürfen ihren Namen auch in der Ehe behalten, können diesen an ihre Kinder vererben und damit Stammhalter werden. Sie können heute sogar Bundeskanzler werden. Oder Verteidigungsminister. Und hin und wieder in sehr besonderen Fällen auch Wirtschaftskapitän. So wie nun ich. Ich habe die Absicht, die Rolle des Majoratsherrn auf eine noch nie dagewesene Weise zu spielen. Möglichst so, dass dieses Gespenst unserer Familie, selbst nicht aus Fleisch und Blut und ohne menschliches Zutun nicht lebensfähig, in mir keine Resonanz findet, um weiter sein Unwesen zu treiben.

       Ingrid Basile

       1934 in Düsseldorf geboren und aufgewachsen. Ausgebildete Herrenschneiderin, später Büroarbeit im eigenen Handwerksbetrieb und Hausarbeit. Zwei Ehen, 35 bzw. sieben Jahre lang. Drei Kinder, sieben Enkelkinder und ein Urenkel. Ich fahre leidenschaftlich gerne Fahrrad.

       Abgeliebte Spielzeuge

       1

      Als ich vier Jahre alt war, besaß ich einen Teddy und eine kleine Puppe. Den Teddy vergaß ich einmal bei einer Familie in der Stadt. Nach einiger Zeit bekam ich ihn wieder. Er war misshandelt worden. Die Haare abgeschnitten, ein Auge abgerissen, das Ohr eingerissen. Ich liebte ihn trotzdem. Auch meine Puppe war ramponiert. Aber ich nahm beide immer gerne mit ins Bett. Mein Kinderbett stand direkt am Fenster zur Straße, so dass man von außen hinein sehen konnte, was der Milchmann jeden Morgen tat. Wenn er meine beiden Lieblinge sah, rief er: „Hast du die Lumpepupp und den Lumpebär im Bett?“ Wenn ich rechtzeitig an den Mann dachte, versteckte ich die beiden unter dem Bettzeug, um der Beleidigung zu entgehen.

       2

      Zum siebten Geburtstag bekam ich eine schöne große Puppe mit Schlafaugen und echtem Haar. Auf diese Puppe war ich sehr stolz und hütete sie ganz besonders. Einmal legte ich sie in ein nicht mehr benutztes Kinderbett und deckte ein Tuch darüber. Meine Mutter hatte das nicht bemerkt und viel Bettwäsche darauf gepackt. Als eine Nachbarin zu Besuch kam, sagte meine Mutter zu mir: „Ingrid, zeig der Frau Weich doch mal deine neue Puppe.“ Ich wollte sie holen, bekam sie aber nicht so ohne weiteres unter dem Wust Wäsche heraus. „Zieh mal kräftig daran“, rief meine Mutter. Das machte ich – und der Rumpf löste sich vom Porzellankopf, der zudem lauter Risse am Hals davongetragen hatte. Die Puppe wurde beim Puppendoktor repariert, ich bekam sie mit einem kürzeren Hals zurück. Kurze Zeit später fiel der Kopf beim Spielen herunter und zerbrach in viele Teile. Meine Mutter besorgte einen neuen Kopf, der allerdings zu groß war. Sie konnte im Krieg nichts Passenderes finden. Ich selbst empfand es bald nicht mehr schlimm, dass mein liebes Kind einen Wasserkopf hatte. Aber die Erwachsenen machten mich immer wieder darauf aufmerksam.

      Meine kleine Tochter fuhr mit zweieinhalb Jahren mit meiner Mutter in den Urlaub. Dort spazierten die beiden in das nächste Dorf. Als sie am Abend wieder zurück waren, fehlte – oh Schreck – die Puppe meiner Tochter.

       3

      Die Oma kaufte ihr eine neue. Nach einer Woche kamen die beiden wieder in das andere Dorf und in den gleichen Tante-Emma-Laden und meine Tochter bekam ihre alte einbeinige Puppe wieder. Die Freude des Kindes war riesig. Es herzte und küsste sein liebes Püppchen und sagte immer wieder: „Ich bin so froh, dass ich dich wiederhabe.“

       Tödliche Skatrunde

      Mein Mann traf sich sonntags Vormittag mit seinen zwei Brüdern bei seinen Eltern zum Skat spielen mit dem Vater. Sie fanden im Lauf der Jahre den Schluss immer später. Die Ehefrauen wurden immer wütender, weil sie jeden Sonntag mit dem Mittagessen warteten.

      Schließlich richtete ich mich darauf ein und fuhr morgens mit meinen Kindern zu meiner Mutter, denn dort gab es einen Garten mit Sandkasten und Schaukel. Abends fuhr ich dann nach Hause und brachte die Kinder zu Bett. Wenn sie schliefen, machte ich mich noch einmal auf den Weg, um meinen Mann abzuholen, musste aber selbst dann noch manchmal die letzte Skatrunde abwarten.

      Die letzte dieser Skatrunden fand am 1. Mai 1968 statt. Damals war auch ein Nachbar dabei. Nach reichlichem Alkoholgenuss stritten sich die beiden jüngeren Brüder wegen des Skatspiels so heftig, dass sie handgreiflich wurden. Mein Mann und der Nachbar waren kurz vor dem Tumult in die Altstadt abgehauen. Die Mutter, 68 Jahre alt, war Diabetikerin. Sie ging dazwischen, stürzte, fiel ins Koma und kam ins Krankenhaus. Sie wurde aber nicht ausreichend untersucht und starb wenige Stunden später an einem Herzinfarkt.

      Mich riefen die Geschwister in der Nacht an. Mein Mann kam erst gegen Morgen nach Hause. Zwischen den Brüdern spielten sich noch Dramen ab. Der mittlere gab dem jüngeren die Schuld am Tod der Mutter, lauerte ihm in der Nacht noch auf und verprügelte ihn scharf. Er war viel kräftiger. Außer einer Schwester sind inzwischen alle gestorben.

       Wenn’s ums Geld geht …

      Uns ging es finanziell schlecht. Hohe Außenstände. Bauauftragsfirma pleite. Wir hatten noch nicht die Monatsmiete und keine Stallmiete für unsere beiden Pferde bezahlt. Mein Mann ging zu einem Freund der Familie und jammerte ihm vor, ich wäre total am Boden, was absolut nicht stimmte. Der Freund aber kratzte sein vorhandenes Bargeld zusammen, ging auch noch zu seiner Mutter, die in der Nähe wohnte und erbat auch dort für uns ihr Bares. Das alles geschah an einem Samstag 1977. Die Summe, die er zusammen bekam, belief sich auf 4.131,45 D-Mark. Die gab er meinem Mann. Der ging damit schnurstracks auf die Rennbahn und verwettete 3.600 Mark davon.

      Übrigens hat mein Mann das Geld nie zurückgezahlt. Jahre später bekam ich den vom Nikolaus getilgten Darlehensschein geschenkt.

       Ein wertvolles Erinnerungsstück

       Rita Bauer

       Geboren 1935 in Düsseldorf. Während des Krieges Aufenthalt in verschiedenen Ländern. Kaufmännische Ausbildung in der Fotobranche. Tätigkeiten noch in anderen Metiers. Von 1987 – 2002 selbstständig in einem Handwerksbetrieb und Studium der Klassischen Homöopathie.

       Gedankenspiele

      Mein

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