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Gang zurück war, nahm er Schritte wahr. Wem gehörten sie? Er hatte die ganze Zeit niemanden bemerkt.

      Joaquin lief in die entgegengesetzte Richtung, immer weiter von dem Ort weg, wo man ihn gefangen gehalten hatte. Und auch immer weiter von der Zelle seines Vaters weg.

      Es war alles durchdacht. Joaquin hatte nicht den Hauch einer Chance.

      Sion de Albanez war ein Mann mit einer gefährlichen Intelligenz. Die Vorkommnisse der letzten Tage hatten ihn zu einem weiteren dunklen Plan verleitet.

      Alles hatte damit angefangen, dass Pablo, dieser den Teufel beherbergende Fischer, aus dem Dorf verschwunden war.

      Am Tag nach der Bestrafungsaktion waren Sion de Albanez Männer erschienen, um ihn zu einem Verhör abzuholen. Doch sie fanden ihn nicht, und sein Weib war starr vor Schreck gewesen, wie sie ihrem Herrn berichtet hatten, und hatte kein Wort über ihre Lippen gebracht.

      »Wir kommen morgen wieder! Wenn dein Mann dann nicht da ist, brenne ich euer Haus nieder!«

      Mit dieser Drohung hatte Juan es an diesem Tag bewenden lassen.

      »Was glaubt dieses Weib, wie sie mit mir umgehen kann?«

      Am nächsten Tag in aller Frühe, die Sonne stand noch bleich am Himmel, waren sie wieder vor Pablos Haus erschienen, Brandfackeln mit sich führend.

      Sion de Albanez selbst führte seine Männer an. Er würde Pablos Weib schon zum Sprechen bringen.

      Eine seltsame Stille empfing sie. Der Wind strich leise und kaum spürbar vom Meer herbei. Juan ritt um das Haus herum. Alle Türen und Fenster waren geschlossen. Er stieg vom Pferd und ging zum Eingang, der verschlossen war.

      Mit einem gezielten Tritt, der die Tür aufspringen ließ, verschaffte er sich den Zugang zum Haus.

      Sion de Albanez folgte ihm.

      Im ersten Moment konnten die beiden Männer nicht viel erkennen.

      Ihre Augen mussten sich erst an die Dunkelheit gewöhnen. Dann aber bemerkte Juan den auf dem Boden liegenden Körper.

      Es war der leblose Leib von Margarita.

      »Seht, Herr!«

      Juan beugte sich über den Körper, im nächsten Augenblick schon bemerkte er, dass Margarita tot war.

      »Sie ist hin, Herr!«

      Madre de Dios!

      Sion de Albanez ahnte, dass Schwierigkeiten auf ihn zukommen würden.

      Dieser Pablo und sein Weib … der eine verschwunden, die andere aus dem Leben. Das würde für Unruhe sorgen, für große Unruhe möglicherweise.

      Die Leute würden damit beginnen, wenn sie es nicht schon längst taten, ihn zu hassen. Sie würden ihn mit ihren Blicken anklagen.

      Sie hatten das Strafgericht mit verfolgt. Manche würden es für ungerecht gehalten haben. Dies mochte ihm noch egal sein.

      Aber dass jetzt Pablos Frau tot war, dafür würden sie ihm die Schuld zurechnen.

      Sion de Albanez fing an, sich im Haus umzuschauen. Er brauchte einen Einfall.

      Sein Blick streifte ein scharfes Messer, auf den ein Lichtstrahl fiel, eines von der Art, wie die Fischer es bei ihrer Arbeit gebrauchten. Er trat näher heran und nahm das Messer mit der Klinge in die Hand, den Griff, auf dem wenig kunstvoll ein P, das für Pablo stehen mochte, eingeritzt war, unablässig auf die andere Handfläche schlagend.

      Juan kannte seinen Herrn, wusste, dass er nachdachte und Schweigen die Pflicht war.

      *

      Am Mittag, als die Schreckensnachricht vom Tode Margaritas von Ohr zu Ohr eilte und die Sonne am höchsten Punkte stand und selbst die Schatten sich von ihr zurückzogen, formierte sich ein langer Zug.

      Wenige Worte hatten ausgereicht, dass Fischer und Bauern und ihre Familien, die Frauen, selbst viele Kinder, die Siesta, die tägliche, die heilige, vergaßen und sich in der größten Hitze aufstellten, um wortlos ihren Protest gegen den Herrn zu erheben. Ein Vorgang unerhörter Art. Noch nie hatte es dergleichen gegeben.

      Als der Zug noch weit von den herrschaftlichen Besitzungen entfernt war, wurde Sion de Albanez auf ihn aufmerksam gemacht.

      Es passierte nichts an Außergewöhnlichkeit, dass nicht schon vor seiner Ankunft bekannt war.

      »Herr, die Leute vom Dorf! Es sind so viele …!«

      Sion de Albanez, in der Seele aufgeschreckt, ließ sich mit knappen Worten berichten, was im Gange war. Dann sandte er Juan, den Mann, auf den er sich in jeder Situation verlassen konnte, mit seinen Männern los. Doch was so oft gefruchtet hatte, war dieses eine Mal vergebliche Bemühung.

      »Wo wollt ihr hin, ihr verdorbenes Pack? Geht an eure Arbeit!«

      Im harten Ton, den er so oft gebrauchte, ging Juan die Anführer des Zuges an.

      »Wo wollt ihr hin?«

      Noch einmal stellte er mit bedrohlicher Ausstrahlung dieselbe Frage. Sein Pferd, einen mächtigen schwarzen Hengst, hatte er quer auf dem Weg zum Stehen gebracht.

      »Lasst uns unseres Weges ziehen!«

      Worte, die Entschlossenheit zum Ausdruck brachten.

      Selbst als Juan sein Gewehr in Position brachte, blieb er unbeachtet. Die Menschen liefen an ihm vorbei, die Augen nur auf den Weg, der vor ihnen lag, gerichtet.

      Ich kann nichts tun. Ich habe keinen Einfluss auf sie.

      Eine schmerzliche Erkenntnis.

      Ein Einsatz der Waffe unmöglich. Resignierende Gedanken.

      Eine geraume Zeit danach hatte die aus dem Dorf herausgelaufene Menge sich vor dem imposanten Herrenhaus aufgestellt. Manche sahen es zum ersten Mal.

      Juan verschwand über einen Nebeneingang in ihm und meldete sich nervös bei seinem Herrn zurück.

      Von der Übermacht der Leute, Sion de Albanez wollte nichts davon hören.

      »Warum habt ihr ihnen keinen Einhalt geboten? Wofür bezahle ich euch? Und warum statte ich euch mit den besten Waffen aus?«

      Er ließ seiner Verärgerung freien Lauf.

      »Herr, wie sollten wir …? Es sind so viele!«

      »Schweig! Es ist nur ein Haufen zerlumpter Bauern, begleitet von ihrer unbedeutenden Brut und deren Müttern, die nur ins Haus und aufs Feld gehören!

      Sie alle haben nichts zu sagen und zu fragen!«

      Augenblicke angespannter Stille. Sion de Albanez strich sich wieder und wieder über den dünnen schwarzen Oberlippenbart. Dünner Ausfluss inne sitzender Unruhe.

      Er ging zum Fenster des Salons, mehr war es ein Herantasten, schob den Vorhang ein wenig nur zur Seite, um sich ein Bild zu machen. Der Blick auf die Menschen, die schweigend da standen und nichts weiter unternahmen, als ihre Augen auf das Haus zu richten.

      Unheimlich, dies seine Empfindung.

      Sie schwiegen, ja, aber in ihrem Schweigen noch sagten sie genug. Zu viel sogar!

      Es war eine Belagerung, eine Belagerung durch den Pöbel.

      In ihren Blicken entdeckte er Feindseligkeit und Angriffslust. Und Fragen dazu. – Fragen, auf die er allein ihnen eine Antwort geben sollte.

      Wo war Pablo? Was war mit seiner Frau geschehen, dass sie nicht mehr am leben war?

      »Sag ihnen augenblicklich, dass sie gehen sollen! Ich dulde das nicht länger!

      Wenn mein Vater dies sehen würde. Unfassbar!«

      »Ich fürchte, Herr, dass sie nicht weichen werden!«

      »Befiehl es ihnen, Juan! Drohe ihnen den Einsatz eurer Waffen an. Sag ihnen, dass ich die ersten verhaften lasse, wenn sie nicht sofort gehen! Alle müssen sie gehen … jetzt und augenblicklich!«

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