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und es war mir zuwider, mit fast dreißig damit anzufangen. Als Bea mich schließlich auffordernd betrachtete, sagte ich schlicht: »Es geht um einen verheirateten Kerl, der mich nicht in Ruhe lässt.«

      Das Gesicht meiner Mutter entspannte sich, und dann strahlte sie plötzlich wie ein Honigkuchenpferd. »Kindchen! Das hast du von mir. Fängst zwar etwas spät an, dir die Männer zu Willen zu machen, aber …«

      »Bea, darum geht’s doch gar nicht! Der Typ ist verheiratet und ein Kunde.«

      »Du hast es faustdick hinter den Ohren!« Bea freute sich und kniff mir doch tatsächlich in die dicken Wangen.

      Ich schüttelte ihre Hände weg. »Ich will ihn loswerden, und er kapiert das nicht!«

      »So!« Bea stellte sich auf ein Bein, streckte das andere nach vorne aus und drehte sich wie ein Kind auf ihrer Sohle. Je älter sie wurde, desto mehr Possen dieser Art gewöhnte sie sich an. Ich konnte mir vorstellen, dass Klaus darauf stand. »Erzähl mir mal alles – von Anfang an!«, verlangte sie und schlug den Weg zum Wasser ein.

      Während wir am Ufer entlanggingen, berichtete ich ihr brav und endete mit der SMS von Freitag und meinem Entschluss, zu ihm zu gehen und ihn zur Vernunft zu bringen.

      »Doktor Samuel Lindner und meine Aileena – nein, das ist was! Ich kenne seine Frau, reizendes Geschöpf! Es ist gut, dass du sie da rauslässt, sie wäre am Boden zerstört.«

      »Bist du gerade ernsthaft stolz auf mich, weil ich diesen Typen klargemacht habe?«

      »Natürlich!« Bea grinste und fuhr dann ernst fort: »Du wusstest nicht, dass er verheiratet ist, und du warst verliebt und blind. Das passiert jedem. Und als du es herausbekommen hast, hast du es beendet. Du hast dir also nichts vorzuwerfen. Bist du denn nicht selbst ein kleines bisschen stolz auf so einen Fang?«

      »Nein!«, log ich.

      Bea sah mir vermutlich an der Nasenspitze an, dass ich nicht die Wahrheit sagte, ging aber nicht weiter darauf ein. »Mir zeigt es jedenfalls, dass du etwas an dir hast, das du selbst nicht siehst. Und dass er nicht von dir loskommt, zeigt es noch mehr.«

      Ich betrachtete sie von der Seite. Ihr, die es immer als größte Schande angesehen hatte, von einem »lohnenden« Mann abserviert zu werden, imponierte meine Situation unweigerlich.

      »Es ist wohl die Tatsache, dass er mich nicht haben kann, die ihn fasziniert.«

      »Ah, die Mon-Chéri-Taktik!«

      »Bitte was?«

      »Du machst dich rar!«

      Spätestens in dem Moment bezweifelte ich, dass das hier eine gute Idee gewesen war, aber Bea blieb stehen und sah sinnend zum Himmel. »Entschuldige, ich bin nicht so geübt in alledem«, bekannte sie sanft.

      Dann griff sie auf einmal nach meiner Hand und zog mich die Scharfe Lanke entlang zum »Café Wasserblau«. Sonntags war hier immer ab neun geöffnet.

      »Hier ist noch keiner!«, sagte ich deshalb.

      »Doch, die müssen ja vorbereiten!«

      Ich sah tatsächlich zwei Leute hinter den hohen Glasscheiben. »Ich denke, das ist Sperrgebiet?«

      »Nur weil sich Klaus mit dem Wirt überworfen hat, hab ich doch kein Hausverbot!«

      Ich wollte fragen, wer sie ist und was sie mit meiner Mutter gemacht hatte, war jedoch zu verwundert, auch nur einen Piep von mir zu geben.

      Bea klopfte an die Scheibe, und ein Mann näherte sich. Das musste der Typ sein, mit dem Klaus Streit gehabt hatte. Bis dahin waren Klaus und Bea oft im »Wasserblau« zu Gast gewesen. Nach dem Zerwürfnis war das Restaurant auf die schwarze Liste gesetzt worden. Dass Bea rebellierte, war meines Wissens noch nie vorgekommen. Ich fragte mich kurz, worum es bei dem Streit gegangen war, doch als ich sah, wie Bea von dem Typen begrüßt und sofort hineingebeten wurde, erübrigte sich meine Frage. Uns wurde ein Tisch hergerichtet, und Bea bestellte kohlenhydratreiches Brot mit den Worten »Wir brauchen gleich eine Basis«. Ich wusste nicht, wann ich meine Mutter das letzte Mal in ein Brötchen hatte beißen sehen. Sie verschlang es gierig, und dann bestellte sie zwei kleine Gläser und eine Flasche Nordhäuser Doppelkorn. Ich starrte ungläubig auf das Gedeck.

      »So, Kind, wir klären das jetzt!«, bestimmte Bea. Und für einen kurzen Moment sah ich sie als Anfang Zwanzigjährige mit ihrer Dauerwelle neben Oma in der Küche sitzen, als die genau diese Worte zu ihr sagte.

      Sie schenkte ein. Ich nahm verstört mein Gläschen entgegen. Unser erstes Mutter-Tochter-Gespräch und unser erstes Gelage in einem. Wir tranken.

      »Du willst ihn loswerden?«, fragte Bea, das Antlitz verzogen wegen des Schnapses, der ihre Kehle hinabfloss.

      Ich nickte, während das Gesöff mir die Innereien anheizte, und musste an mich halten, als ich in ihr ernstes Gesicht sah. Sie füllte erneut beide Gläser und sah mich entschlossen an. Wieder einmal fiel mir auf, was für hübsche Hände und Fingernägel meine Mutter hatte. Warum war die Natur so ungerecht?

      Wir tranken, und kaum hatte sie den Korn hinuntergeschluckt, sagte sie zu mir: »Sag ihm knallhart, aber respektvoll, dass es vorbei ist. Respekt ist das Wichtigste, auch wenn er ihn nicht verdient.« Sie fügte hinzu: »Männer neigen andernfalls zu großer Ungerechtigkeit.«

      Ich schaute verdutzt, und Bea sagte: »Glotz nicht wie ’ne Kuh, wenn’s donnert!« Wir tranken ein weiteres Glas, ehe sie erklärte: »Wir übn dit jeze. Ik bin Sam, und du bist du!«

      Ich setzte an, und Bea unterbrach mich rüde. Ich versuchte es erneut, wieder fiel sie mir ins Wort, und schließlich gab sie mir den mütterlichen Rat: »Respektvoll heißt nicht, dass du um den heißen Brei reden sollst! Los, noch mal!«

      Sie schenkte mir ein, wir tranken. Ich versuchte es erneut – diesmal knallhart. Da ließ sie mich ausreden, um mir am Ende eine Szene zu machen, dass mir bange wurde. Sie tat wirklich so, als sei sie Sam. Dann bekam ich noch eine Chance – und noch eine und noch eine. Zwischendurch tranken wir nur noch winzige Schlucke Nordhäuser. Bea gab derweil alle möglichen Männerreaktionen zum Besten. Irgendwann konnten wir nicht länger an uns halten und lachten, lachten, lachten.

      Danach wurden wir mit einer großen Portion Rührei überrascht, die wir mitsamt den Brötchen und der Butter gierig verschlangen. Bea hatte kein Geld dabei, also bezahlte ich alles. Draußen an der frischen Luft wurde uns erst schlecht, doch dann ging es uns richtig gut.

      »Ich rufe ihn jetzt an – wenn du hier bleibst«, sagte ich zaghaft, und meine Mutter nickte heftig, während sie meine Hand drückte.

      Doktor Arschkrampe ging sofort dran. Der Alkohol hatte meine Zunge gelockert und zähmte meine Wut, sodass ich selbstbewusst zu reden begann. Ich gab die Entschlossene, dann die Kumpelhafte, und schließlich fragte ich ihn gestellt zärtlich: »Es ist aus – hast du das verstanden?«

      Er schwieg.

      »Willst du deswegen wirklich den Vertrag kündigen und meinem Geschäft schaden?«

      »Nein«, bekannte er zu meiner Überraschung.

      »Ich freue mich, euch weiter zu beliefern. Wenn du willst, macht Pami das künftig immer.«

      »Wird nicht nötig sein. Mir egal, wer liefert.« Er klang wie ein bockiges Kind.

      »In Ordnung, dann bis bald!« Kaum hatte ich den Satz beendet, legte er auf. Mir war, als fiele ein zehn Zentner schwerer Stein von meinem Herzen.

      Meine Mutter strahlte mich stolz an, sie sah aus, als würde sie mir gleich um den Hals fallen. Ich erinnerte mich nicht, dass es jemals so einen Moment zwischen uns gegeben hatte. Plötzlich surrte ihr I-Phone, das sie an ihrem Oberarm befestigt hatte. Vorhin hatte sie den Ton komplett ausgestellt. Klaus, der Troll rief sie an.

      »Beatrix, endlich!«, hörte ich seine Stimme knurren. »Ich suche dich seit Stunden, ich habe über zehnmal angerufen!«

      Er hatte offenbar alles versucht, außer loszugehen und sie zu finden.

      »Beruhige

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