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war, machte sie einen Satz in diese Richtung.

      Ich trat einen Schritt auf sie zu und versuchte, sie zu ergreifen. Das war wieder falsch. Cindy wandte sich zwar zu mir um, zwängte sich jedoch rückwärts in den Spalt.

      Ohne nachzudenken warf ich mich auf die Knie und langte nach ihr. Aussichtslos. Mein Arm war zu kurz. Es war zum Verzweifeln. Die Öffnung musste von außen verschlossen werden. Aber dazu brauchte ich einen Besen. Also rief ich nach meinem Mann, der im hinteren Gartenbereich arbeitete.

      Inzwischen kroch Cindy im Rückwärtsgang immer näher dem zweieinhalb Meter tiefen Abgrund entgegen. Sie konnte ihn weder sehen noch erahnen.

      »Cindy, komm!«, versuchte ich, sie zu locken. Hätte ich mir sparen können.

      »Schnell!«, rief ich ein weiteres Mal nach meinem Mann. »Hilf mir! Cindy fällt …«

      Und schon baumelte ihr Hinterteil in der Luft. Ihre Vorderpfoten versuchten, sich verkrampft festzuklammern, ihre Äuglein schauten mich hilfesuchend an. Alles vergebens, mein kleines Hundebaby rutschte lautlos in die Tiefe.

      »Cindy!«, kreischte ich, rappelte mich auf und wäre ihr am liebsten nachgesprungen.

      Mein Mann kam mit einem Besen in der Hand, ließ reaktionsschnell das nun nutzlos gewordene Stück fallen, packte mich am Arm und zerrte mich mit. Wir rannten nach hinten, die Treppen hinab und durch die Garage – das Tor stand offen – bis hin zu dem benommenen Häufchen Elend von Hund. Aus dem Näschen troff ein dünnes Rinnsal Blut. Ihre Augen hielt Cindy halb geschlossen.

      Das war’s, dachte ich traurig. Nicht mal einen Tag lang bist du in der Lage, auf eine Handvoll Hund aufzupassen.

      Resigniert kniete ich mich neben den kleinen Körper, streichelte behutsam darüber – und stockte. Cindy atmete. Zwar kaum spürbar, dennoch fühlte ich es.

      Im selben Moment stürzte unser Nachbar aus seiner Haustür, stürmte auf die Straße und rief: »Hab’ alles gesehen – ich hol’ die Mutter!«

      Er spurtete um sein Haus herum, in Richtung seines Zwingers. Die Sekunden zogen sich hin. Ich wagte nicht, meine zitternde Hand von Cindy zu entfernen. Mein Mann stand neben uns, sah herab und wirkte ebenso hilflos wie ich.

      Endlich tauchte Cora auf, zunächst erhaben und gemächlich zottelnd, dann immer schneller trabend und schließlich die letzten drei, vier Meter im vollen Galopp. Sofort schien sie zu begreifen, zögerte nicht, schubste mich beiseite und schleckte ihr Baby ab.

      Bis das Wunder geschah: Cindy nieste, hob ihr Köpfchen, rappelte sich auf, schüttelte sich wankend und suchte gierig nach einer Zitze. Der Hunger war wohl stärker als der Schock. Nach ein paar schmatzenden Schlucken der kräftigenden Nahrung tapste sie zur Gartenmauer und machte ein Pfützchen.

      »Danke, Cora!« Überglücklich fiel ich der verdutzt dreinschauenden Hündin um den Hals.

      Auch die beiden Männer zeigten sich erleichtert. Trotzdem gingen wir unverzüglich zum Tierarzt, um sicherzugehen, dass Cindy keine inneren Verletzungen davongetragen hatte.

      Das war der Auftakt zu einer aufregenden, anstrengenden und stürmischen Zeit mit Cindy, unserem ersten Hund. Geboren im Sommer 1986. Ihrem nicht zu bändigenden Temperament erlegen im Frühjahr 1988.

       Bellende Hunde beißen nicht.

       Weiß das denn auch jeder Wicht?

       WILLY BELLT

       Eine autobiografische Erzählung.

      Willy bellt. Er bellt morgens um sechs, er bellt mittags um zwölf, er bellt abends um zehn. Ununterbrochen, unermüdlich, minutenlang. Seine Stimme hört sich nach stattlichen fünfzehn Jahren schon merklich heiser an, das tut seiner Bell-Euphorie allerdings keinen Abbruch.

      Willy ist ein Dackel, genauer gesagt, ein Jagddackel. Sein Revier und unser Garten liegen nah beieinander, und um uns herum gibt es weitere schmucke Häuser und Gärten.

      Es gibt auch andere Hunde. Zum Beispiel den betagten Boxer-Rüden, der Willy nur ab und zu Kontra gibt. Sonst schweigt er. Er kennt Willy schon sehr lange und hat es aufgegeben, mit ihm um die Wette zu bellen. Und es gibt unser Rottweiler-Mädchen Mira. Sie ist zwei Jahre alt und stört sich an Willys Energieausbrüchen überhaupt nicht. Sie respektiert den älteren Herrn.

      Ich stehe im Bad, richte mich her und höre wieder einmal das Gekläff des Jagddackels durchs offene Fenster hereindringen. Das heißt, es dauert einige Minuten, bis ich es bewusst wahrnehme. Meist fällt es mir schon gar nicht mehr auf. Doch habe ich gerade den Föhn abgestellt, und es herrscht Stille, als das gleichmäßige Bellen bei mir ankommt.

      »Wau, wau, wau, wau«, und immer so weiter, immer gleichmäßig, im gleichen Ton, im gleichen Tempo, heiser und rhythmisch.

      »Willy bellt schon wieder«, höre ich Doreen, unsere jüngere Tochter, aus ihrem Zimmer herüberrufen. Bis in ihren Halbschlaf ist sein Gebell gedrungen. Sie kennt nichts anderes. Sie ist ja vier Jahre jünger als er.

      Während ich überlege, was Willy uns diesmal alles mitzuteilen hat, denke ich an die Zeit zurück, als der Welpe Willy seinen Garten in Beschlag nahm und gut vernehmbar seine Anwesenheit anmeldete.

      Damals beaufsichtigte meine Schwiegermutter regelmäßig unsere Tochter Jasmin, bevor diese in den Kindergarten kam. Gemeinsam lauschten sie beharrlich und aufmerksam Willys Darbietungen. Ich höre heute noch, wie sie zu ihrer Enkelin sagte: »Horch!« Dabei hob sie ihren Zeigefinger. »Horch, der Willy bellt.«

      Es dauerte nicht lang, da ahmte Jasmin es ihr nach. »Oma, Willy bellt!«

      Aufgeregt stieg sie jedes Mal auf ihren Hocker und schaute zum Fenster hinaus. Es gefiel ihr, dem kleinen Hund zuzusehen, wie er im Gras unweit seiner Haustür stand, das Schwänzchen wedelnd hin und her wippen ließ und munter in die Welt kläffte. Meine Schwiegermutter gesellte sich mit Vergnügen zu ihr, und gemeinsam amüsierten sie sich über Willy.

      Noch lustiger empfanden es Oma und Jasmin, wenn unser knapp einjähriger Rottweiler-Rüde Jumbo von Remchingen zurückbellte. Er saß draußen im Zwinger und verstand vermutlich bestens, was Willy kundtat. Jasmin hätte gern gewusst, was sich Hunde so erzählen. Aber da konnte ihr sogar die Oma nicht helfen.

      Nach Wochen wurde es Jumbo anscheinend zu dumm, er gab sein Gebell auf. Nicht jedoch Willy. Allmählich spielten sich gewisse Zeiten ein, vielleicht meldete er sich vom Gassigehen zurück oder wartete, bis es losging, oder er bewachte einfach nur den Garten.

      Bald geschah das Unvermeidliche: Das erste Zusammentreffen zwischen Jumbo und Willy. Beide Hunde, jung, aufgeweckt und impulsiv, der eine groß und schwarz, der andere klein und braun, kannten sich bisher nur vom Bellen her. Beziehungsweise aus der Ferne, wenn wir Willy seinem Herrchen hinterhertrotten sahen.

      An besagtem Abend spazierten wir mit Jumbo die Straße hinauf in Richtung der Felder, ganz vertieft in der Diskussion über eine frisch ausgehobene Baugrube, als Willy unverhofft angetrabt kam. Womöglich war er von zuhause ausgebüxt. Schon stand er Schnauze an Schnauze vor Jumbo und reckte sich nach oben. Jumbo schnüffelte nach unten.

      Da begann Willy zu bellen. Das hätte er nicht tun dürfen – nicht in diesem Moment, nicht direkt vor Jumbo.

      Unser Rüde, viermal so groß wie der Dackel, ließ sich nicht einfach grundlos anbellen, schon gar nicht von diesem frechen Wicht.

      Aus dem Stand heraus sprang er auf Willy, begrub ihn unter sich. Nicht nur der Dackel war übertölpelt, auch wir waren überrascht von der blitzartigen Aktion.

      Beiden Hunde verharrten in einer Schrecksekunde, dann kam der kleine Dackelkopf zum Vorschein. Willy entdeckte wohl eine Lücke zwischen Jumbos Pfoten, drückte sich hindurch und hüpfte mit einem Satz davon. Leider in die falsche Richtung. Schon stand er am Rand der Baugrube, konnte nicht mehr bremsen und rutschte die erdige Steilwand hinab, nahezu zwei Meter tief.

      Erschrocken sahen wir ihm nach. Er saß auf seinem Hinterteil, schaute

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