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für den, der zum Opfer würde. Doch niemand muss ein Opfer bleiben, das Leben schenkt hinreichend Kraft und Verstand für eine Selbstbefreiung. Vielleicht hilft ein guter Freund oder gar ein knuffiges Tier, vielleicht leisten stille Stunden in freier Natur gute Dienste.

      Nichts ist so facettenreich wie das Leben. Es bietet Zuneigung und Hass, Freude und Leid, Jauchzen und Weinen, Hoffen und Bangen. Begleitet von Sehnsüchten und Illusionen, Enttäuschungen oder Rachegelüsten bis hin zu Machtgebaren und Unterdrückungen.

      Verloren scheint der, der sich als Versager denunzieren lässt. Zukunftsvertrauen und Charakterstärke erobern die Freiheit zurück. Aber immer mit dem Wissen, dass die eigene Freiheit an der Grenze zur Freiheit des anderen endet.

TIERISCHES

       Stubentiger

       Hütet Mauseloch

       Lauernde Anspannung ermüdet

       Konzentrationsmanko vs. pfeilschnelle Nagetiertaktik

       Katzenjammer

       MIZZI SCHLÄFT

      Dort, auf der Bank vorm Haus, da liegt sie. Eingerollt auf Omas alter Kuscheldecke, die Hinterpfoten entspannt zur Seite gelegt, auf den vorderen ruht ihr Kopf. Das wuschelige Ende des buschigen grauen Schwanzes reicht bis vor das Näschen, der ausströmende Atem lässt die feinen Fellhaare tanzen.

      Die Sommersonne hält ihre Kraft noch zurück, es ist ein klarer Sonntagmorgen. Die Glocken im nahen Kirchturm fordern energisch laut zum Kirchgang auf.

      Oma berührt das gar nicht, sie lässt ihre warme Hand über das Katzenköpfchen gleiten, seufzt laut auf mit einem Lächeln im Gesicht und geht ins Haus, die Zubereitung des Mittagsbratens ruft.

      Das sanfte Streicheln scheint auch der tief schlafenden Mizzi gefallen zu haben, eine Pfote fährt hoch, streicht über die Schnurrhaare, um dann wieder schlaff auf die Decke zu fallen und ruhig liegen zu bleiben.

      Eine Biene nähert sich. Mit bedrohlich lautem Summen surrt sie um Mizzi herum, stellt wohl fest, dass es weder im sonnenheißen Fell noch auf der fusseligen Decke etwas Nahrhaftes für sie gibt, duckt sich weg, als ein Katzenohr zuckt, und nimmt rasch Kurs auf das Blumenmeer im Vorgarten. Lässt sich schwebend abwärtstreiben und verschwindet in einer lila Riesendolde.

      Das Summen ist verstummt, die Glocken schweigen mittlerweile ebenfalls. Energisch zänkisches Vogelgezwitscher und Geträller drängt aus dem Geäst der Birken, die mitten auf dem Dorfplatz stehen, oder auch aus dem Buschwerk drum herum. Sonst ist es still, lediglich dezentes Geschirrklappern drängt aus dem offenen Küchenfenster und Omas fröhliches Pfeifen, das vielleicht eine Melodie aus dem Radio begleitet. Von Opa hört man nichts, er ist wohl versunken in seine »Bild am Sonntag«.

      Mizzi stört das alles ohnehin nicht, so tief entrückt in ihrem Traum, der all ihre Sinne einfordert. Die Hinterpfoten zucken auf, als setzten sie zum Sprung an, dann gespannte Ruhe.

      Unter den halbgeschlossenen Lidern bewegen sich nervös die Augäpfel hin und her, ein lauerndes Verfolgen eines Spielobjektes. Etwa eine Maus? Hat sich die zu weit herangewagt? Sitzt sie gar auf ihrem kleinen Popöchen, baut vor der Katzennase ein Männchen und lugt mit mutigem Knopfäugleinblick in Mizzis Pelzgesicht? Will sie prüfen, was die reglose Feindin da tut?

      Du freche Maus, das geht doch nicht! Gleich kriegst du’s hinter deine Mauseohren.

      Ein Beben jagt durch Mizzis Körper, der Kopf schreckt hoch, die Augen irren suchend umher. Wo ist das dreiste Nagetier, wie kann es so schnell verschwinden?

      Schade, ach schade, die Oma hätt sich arg gefreut, wenn Mizzi ihr das Spielzeug in die Küche hätte bringen können.

      Der Opa sicher nicht.

      Mizzi streckt und reckt sich, gähnt und lässt ihren Blick lauernd umherschweifen. Nein, die Maus ist weg.

      Na warte, du vorwitziges Ding, bis zum nächsten Mal!

       Liebe

       sie wächst

       mit jedem Herzensschlag

       Dankbarkeit ist dir gewiss

       Hundetreue

       CINDY

       Memorandum an »Cinderella vom Rotenberg«, unsere erste, quirligste und lustigste Rottweiler-Hündin. Eine autobiografische Erzählung.

      Acht lange Wochen sehnten wir ungeduldig den Einzug unseres ersten Hundes herbei. Fast, als wären wir in Erwartung eines Kindes, wälzten wir etliche Nachschlagewerke und überlegten und stritten uns über einen passenden, klangvollen Namen. Ich verteidigte hart »Cinderella«, denn in diesen Namen war ich seit meiner Kindheit vernarrt gewesen, bis schließlich mein Mann aufgab, »Cleo« durchsetzen zu wollen, und wir uns auf »Cindy« einigten.

      Jeden Tag besuchten wir Cindy und ihre drei Geschwister, was sehr einfach war, da sich ihre Mutter Cora im Besitz unseres Nachbarn von gegenüber befand, und beobachteten und begutachteten das Heranwachsen der maulwurfartigen Winzlinge. Die Hundefamilie gehörte der Gattung Rottweiler an, und trotz der damals schon herrschenden Vorurteile gegenüber dieser Rasse hatten wir uns von ihrem treuen, ruhigen Wesen und guten Charakter überzeugen lassen.

      Endlich, es war Samstagvormittag, wurden wir vom Lampenfieber erlöst und durften unser Hundebaby nach Hause holen.

      Obwohl ich schon Erfahrung im Halten von Tieren vorweisen konnte, weil ich einige Zuchtkaninchen besaß und auch großgezogen hatte – natürlich nur zum Schmusen und keinesfalls zum Essen, war das aufgeweckte, frech herumtobende Wesen etwas völlig Neues.

      »Rottis brauchen eine feste und strenge Hand!«, hatte uns unser Nachbar eingeprägt.

      Das war leicht gesagt. Ich traute mich nicht, richtig zuzupacken, aus Furcht, ich würde Cindy wehtun, obwohl mir schien, der kompakte und stämmige Körper könnte durchaus schon einiges aushalten. Und ob ich jemals die benötigte Strenge würde aufbringen können, stand zu jenem Zeitpunkt noch in den Sternen.

      Das neue hellbraune Lederband schien viel zu groß für den kleinen Hundehals zu sein, außerdem störte das ungewohnte störrische Ding. Cindy versuchte vergeblich, es loszuwerden.

      Ich lachte laut auf, als ich ihr zusah, wie sie sich abmühte, den abstehenden Lederriemen zu erhaschen. Unbeholfen drehte sie sich um die eigene Achse, geriet aus dem Gleichgewicht und purzelte auf die Seite. Als ob ich die Schuld an ihrem Missgeschick getragen hätte, bellte sie mich vorwurfsvoll mit ihrer noch hohen Stimme an. Kaum vorstellbar, dass sich daraus einmal ein stattlich sonores Rottweilerbellen entwickeln würde.

      »Du bist so süß!«, stieß ich verzückt aus. Ich konnte einfach nicht anders und nahm sie in den Arm, streichelte, drückte, knuddelte sie.

      Da schleckte sie fiepend mit ihrem zarten, samtigen Zünglein über mein Gesicht und schaute mich prüfend mit ihren dunkelblauen Knopfaugen an. Sie machte mich glücklich.

      Am Nachmittag bereiteten mein Mann und ich den Zwingerbau vor. Cindy tollte quirlig zwischen uns herum. Die Kleine war neugierig und lebhaft – dank der vorzüglichen Aufzucht. Vor nichts schreckte sie zurück. Jeder Strauch, jeder Baum, sogar der Kaninchenstall wurde genauestens erkundet. Ich bemühte mich angestrengt, sie nicht aus den Augen zu verlieren.

      Schließlich entdeckte Cindy die steinernen Treppenstufen, die zu unserer Terrasse auf dem Garagendach hinaufführten. Das Schnäuzchen, gefolgt von vier beachtlichen Pfoten, tastete sich untersuchend Stufe um Stufe empor.

      Ich ließ sie gewähren, nicht ahnend, wie wendig und schnell sie die restlichen Stufen erklimmen würde. Innerhalb weniger Augenblicke hatte sie die Terrasse erobert.

      Rasch rannte ich ihr nach. Das war falsch. Denn Cindy dachte an ein Spiel,

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