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einige Dinge bewahrt zu haben, die es vom restlichen Kanada unterscheidet. Zumindest, wenn man der auch heute noch gebräuchlichen Redewendung glaubt, dass es 2.500 Kilometer von Vancouver nach Ottawa, aber 25.000 von Ottawa nach Vancouver sind.

      Die Ureinwohner des späteren British Columbias lebten einst in großer Zahl auf den Inseln und an der Küste, besiedelten aber auch die Flussufer bis weit hinein in das Innere des Landes. Um 1775 hatten sich bereits mehr als dreißig Gruppen mit eigener Sprache, Kultur und Territorium entwickelt. Im Inneren des Nordens begegneten die Indianer den harten Lebensbedingungen in kleinen Nomadengruppen, während sich im Süden, wo es entlang der Flüsse Fraser und Thompson neben genügend Fisch auch Wild gab, geschützte Winterquartiere anboten, deren Erdhäuser mit Rasen abgedeckt wurden. Die in Dorfgemeinschaften organisierten Küstenindianer lebten mit Dutzenden von Großfamilien und einem eigenen Chief auch unter einem Dach. Sie besaßen Jagdgründe und Plätze, an denen sie Beeren, Wurzeln oder Rinde sammelten, zelebrierten individuelle Feste, hatten jeweils eigene Rituale, Gesänge, Tänze und einen Federschmuck, der ihre Vergangenheit und Abstammung darstellte. Mit einfachsten Werkzeugen formten sie Rinde und Holz der Roten Zeder zu Kleidung, Matten, Körben, Totem Pfählen und Kanus, die ihnen Handel, Kommunikation und die Seehundjagd ermöglichten.

      Als James Cook auf der Suche nach der Nordwest-Passage am 29.3.1778 in den Nootka Sound (Westküste von Vancouver Island) einlief und von Chief Maquinna der Nuu-Chah-Nulth Dorfgemeinschaft Seeotterfelle einhandelte, war auch gleichzeitig das Geschäft mit den Pelzen eröffnet. Die neue Fracht wurde in China mit großem Profit verkauft, und der Handel als solcher sehr schnell mit dem zu London, Boston, Macao und Canton verknüpft. Von 1792 bis 1794 war auch Cooks ehemaliges Crewmitglied, George Vancouver, an dieser küste Küste unterwegs, während das zaristische Russland schon 1741, und damit noch vor den Spaniern, ihre Kundschafter geschickt hatte. Lange davor, 1670, war bereits „Ruperts Land“ mit königlicher Urkunde der Hudson’s Bay Company zugesprochen worden, doch begannen die Aktivitäten dieser Firma erst 1774. Fünf Jahre später engagierte sich auch die in Montreal ansässige „Northwest-Company“ im hiesigen Pelz- und Fellgeschäft, bis sie 1821 mit der „Hudsons“ fusionierte. An David Thompson hatten die „North-Westerns“ damals einen der ganz großen Pioniere in ihren Reihen, der als sehr junger Bursche für kurze Zeit zunächst bei der Konkurrenz in Diensten war. Der Zwang, die besten Geschäfte zu machen und Gewinn zu erwirtschaften, führte ihn über die Rocky Mountains und entlang des Columbia Rivers bis hinein in die heutigen USA. Im Nordwesten war er der wichtigste jener Männer, die das unberührte Land zu Pferd, Kanu und auf eigenen Füßen erkundeten, mit Handelsposten erschlossen und kartographierten.

      Weil die zunehmende amerikanische Präsenz im Oregongebiet Fort Vancouver als Headquarter der Hudson’s Bay Company am Columbia-River gefährdete, schickte die HBC 1843 James Douglas nach Vancouver Island, um Fort Victoria zu gründen. Drei Jahre später erweiterte der Oregonvertrag die Landgrenze zwischen den USA und British North Amerika bis zum 49. Breitengrad, wobei beide Seiten auch Einbußen erlitten. 1849 erklärte Königin Victoria die HBC als rechtmäßigen Hausherrn von Vancouver Island, und 1856, alarmiert durch den Zustrom der Goldsucher aus Kalifornien, formulierte das Parlament „die Kolonie British Columbia“. Zehn Jahre später wurde auch Vancouver Island in die Neugründung eingeschlossen. Der Goldrausch der Kolonie erwies sich gegenüber dem zu Kalifornien zwar als klein, doch fanden sich im ersten Jahr immerhin Nuggets im Wert von 700.000 Dollar, in den nächsten zehn für durchschnittlich drei Millionen. Und das entsprach 75 Prozent des Exportes der neuen Kolonie. Die meisten der fünfundzwanzigtausend Glücksritter waren 1858 aus Kalifornien nach BC gekommen, wo vier Jahre später der Bau der berühmten „Cariboo Wagonroad“ begann und im gleichen Jahr eine Pockenepidemie ausbrach. Unbarmherzig wütete sie vornehmlich unter den Eingeborenen, von deren 150.000 weniger als ein Drittel überlebte. 1871 eröffnete die erste Dosenfabrik am Fraser River, um das wesentlich profitablere Geschäft mit den Lachsen zu starten. Im gleichen Jahr trat British Columbia auch dem Selbstverwaltungsstatus von Kanada bei mit der Zusage, dass innerhalb von zehn Jahren eine kontinentale Eisenbahn gebaut werden würde. Der Zuschlag dafür ging im Oktober 1880 an ein Syndikat, das als „Canadian Pacific Railway Company“ bekannt wurde. Tausende von Chinesen kamen als Schienenleger und beklagten am Ende mindestens 600 tote Landsleute. Die Ankunft der ersten Eisenbahn aus Montreal in Vancouver war 1887 auch gleichzeitig der Weckruf für viele Siedler aus Ontario, England, USA und anderen Ländern, ihr Glück in British Columbia zu versuchen. Viele der Emigranten zog es damals in die Kootenay Region, wo Kohle, Gold, Zink, Zinn oder Silber abgebaut wurden. Die Holzindustrie entlang der Südküste folgte, und auch der 1869 fertig gestellte Suezkanal eröffnete auch neue Märkte.

      Heute verkörpert Vancouver eine Weltstadt, die die drittgrößte Kanadas ist. In der großen Bucht des Pazifischen Ozeans, der Strait of Georgia, fand sie eine wunderschöne Lage und zusätzlichen Schutz durch das vorgelagerte Vancouver Island. Die Kulisse der meist schneebedeckten Küstengebirge, der sich Richtung Norden ausbreitende uralte Küstenregenwald, und der im Süden in den Pazifik mündende mächtige Fraser River verleihen ihr zusätzliches Flair. Die Stadt, eine gemütliche, moderne Metropole mit Wolkenkratzern, Wasser, Parks, Grünanlagen, 600.000 Einwohnern im Stadtkern und zwei Millionen im Großraum. Die westlichste Stadt am Transkanada Highway ist gleichzeitig auch ein hochrangiges Kulturzentrum mit ethnischer Vielfalt und unterschiedlichen Religionen, Theatern, Universität, Festivals und einem hohen Freizeitwert. Ihr Hafen ist der umsatzstärkste in Kanada. Holz, Kohle, Getreide, Pottasche werden exportiert, und zehn Forstfirmen sind für rund fünfundsiebzig Prozent der Holzernte zuständig. Die an den Mündungen von Fraser- und Skeena River konzentrierte Lachsindustrie erwirtschaftet achtzig Prozent des Provinz-Umsatzes, und von den insgesamt 3,2 Millionen Einwohnern, darunter etwa einhunderttausend „First Nations“, wohnen vier von fünf in den Städten. Und das Juwel dieser Provinz, die großartige Schönheit ihrer Landschaft, ist auch die Antwort darauf, warum Touristen aus aller Welt British Columbia so zahlreich besuchen.

       Historische Hat Creek Ranch

       Von Whistler ins Pionierland und nach Williams Lake

      Am nächsten Morgen sind wir zeitig auf den Beinen und stellen fest, dass in der Nacht ein Bär ein Autofenster eines Campers eingeschlagen hat, das einen Spalt geöffnet war. Angelockt hat ihn wohl der Duft von gemahlenem Kaffee und ofenfrischem Brot, die während der Nacht auf dem Beifahrersitz verblieben waren. Hier im Bärenland ist das gefährlich, und diesbezügliche Warnungen und Hinweise sollte man keineswegs ignorieren.

      Wir bleiben auf der Neunundneunzig und fahren weiter nordwärts. Siebenundzwanzig Kilometer hinter Whistler, und kurz vor Pemberton, laden die Nairn-Fälle von einem Picknickplatz aus zum Spaziergang ein. Der schöne Weg führt oberhalb der steilen Böschung entlang des Green Rivers, vorbei an riesigen Rotzedern, Küstendouglasien, Hemlocktannen und erreicht nach etwa zwei Kilometern ein Felsplateau, wo der Fluss kraftvoll 60 Meter in die Tiefe schäumt. Zurück auf der „99“ erreichen wir das in einem fruchtbaren Tal liegende Örtchen Pemberton, wo der bisherige Asphalt als Duffy Road hinauf zum Kamm der Coast Mountains steigt. Wer vorher noch durch das Hinterland und zu alten Goldminen wie Gold Bridge fahren möchte, der wählt, nach Rückfrage zum Straßenzustand vor Ort, die Hurley River Road oder, ab Mt. Currie, den kürzeren Weg entlang des Anderson Lakes. Für uns geht es jedoch weiter hinauf in die Berge, wo kein Haus mehr in Sicht ist, nur noch Wälder und Seen, und im Joffre Lake Provincial Park strahlt, ein paar Hundert Meter vom Parkplatz entfernt, das „Postkartenfoto“ des smaragd-grünen Lower Joffre Lakes. Auf den sechs Kilometern zu seinen beiden Brüdern, dem mittleren und oberen dieser drei Seen, treffen wir auch beim Rückmarsch durch diesen dichten und stillen Wald keinen einzigen Menschen. Wunderschön. Auch die Straße zieht, begleitet vom Cayoosh Creek und vorbei am Seton Lake, weiter durch schöne Landschaft, kreuzt den Fraser River und erreicht mit Lillooet echtes, einstiges Pionierland.

      Lillooet ist eine große Ouvertüre zur Cariboo Geschichte. Der „Meile-Null-Pfahl“ an der Hauptstraße markiert den Start der einstigen „Cariboo Wagon Road“ von 1861, und der Ort rühmt sich, dass er einst sechzehntausend Reisende und dreizehn Saloons in seinen

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