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entwickelt hat. Das Städtchen werden wir aber erst morgen erreichen. Heute ziehen wir, in der Nähe des vom Holz lebenden Squamish, den Zündschlüssel schon nach 100 Kilometer aus dem Schloss, denn erst dann, wenn das Feuer wieder knistert, ist man in Kanada auch wirklich angekommen.

      Auch am nächsten Morgen lassen wir es ruhig angehen und genießen die Fahrt hinauf in die Küstengebirge, deren Gletscher und Seen im Garibaldi Provinzpark durch ein ausgezeichnetes Netz von Wanderwegen gut erschlossen sind. Neben vielen schönen Aussichtspunkten, kleinen Museen oder großen Holzsägewerken stoppt der Tourist auch an den beiden Wasserfällen Shannon und Branntwein. Zu Ersterem führt der Waldweg vorbei an vielen kleinen Fällen, die listig glitzernd wie Wasserzwerge weiter zu Tale hüpfen, während der eigentliche Fall dreihundert Meter in die Tiefe stürzt. Doch was hier ausschaut, als käme er direkt aus dem Himmel, das liegt an einem kleinen Tal oberhalb der Felswände, das im Einzugsgebiet das Wasser sammelt und zur Freude der Touristen über die Abbruchkante nach unten schickt. Zu den Branntweinfällen, die nach einem 66 Meter-Fall senkrecht in ihrem Bett aus Lava aufschlagen, ist der Weg etwas weiter. Im Frühjahr, wenn der kleine Fluss sein höchstes Wasser führt, schäumen pro Minute sechshundert Kubikmeter nach unten, und das würde ausreichen, um eine Ortschaft mit 3.000 Einwohnern zu versorgen.

       Der Nobelort Whistler versprüht Gemütlichkeit

      In Whistler steuern wir den empfehlenswerten Riverside Campground an, dessen 40-Dollar-Obolus allerdings auch nicht mit der Begründung „Vollausstattung“ zu erklären ist, sondern mit „Nobelort“ und „Hochsaison“. Dafür haben wir jedoch einen wunderschön mit Blumen umsäumten Standplatz unter großen, schattigen Bäumen, allen Anschlüssen, und als wir aussteigen kommt auch der Nachbar noch mit zwei Dosen kaltem Bier lachend auf uns zu. Wir sind zwar selbst gut bestückt, aber bei reichlich dreißig Grad nehmen wir diese nette Geste sehr gern an. Wir werden uns revanchieren, bei ihm oder einem der nächsten Camper, die hier oder anderswo nach und neben uns ankommen. Solche Kleinigkeiten sind nette Ideen, die auflockern, schnell zum Gespräch führen und so manchen Abend am Lagerfeuer zu einer lustigen Runde werden lassen.

       Haupthaus von Fort Langley, in dem die Proklamation von der Gründung von BC ausgesprochen wurde

       Wunderschönes British Columbia

      Whistler ist schön. Landschaftlich sowieso, aber auch architektonisch. Das gelungene Ortsbild passt zur Natur, obwohl auch moderne Elemente in der Kombination ihren Platz fanden. Die siebentausend Einwohner sind jedoch selten unter sich, denn Urlaubszeit ist hier das ganze Jahr. Die hiesigen Berge können zwar nicht mit denen der Rocky Mountains konkurrieren, doch sorgen der große Höhenunterschied zwischen Tal- und Bergstation, mildere Winter und die Nähe zum Meer für sehr viel Schnee. Und das sind beste Voraussetzungen für Ski und Snowboard bis hinein in den Juni. Gondelbahn, Wanderwege, Seen, Bikerstrecken, großartige Golfplätze, die geringe Entfernung zu Vancouver und der Luxusbusservice ab Flughafen sind Garanten für den Sommer. Kanu, Kajak, Speedboote, Rafting, Reiten oder Tennis gehören ebenso zum Angebot wie Ausflüge, schicke Restaurants oder Hotels für jeden Wunsch.

      Doch lange bevor europäische Pioniere und Siedler ins Land kamen, waren es die St’at’mic-Eingeborenen des Pemberton Tales, die im Sommer ihr Lager am Green Lake aufschlugen. Hier fischten sie, sammelten Beeren, Wurzeln und Rinden für den langen kalten Winter. Erst als George Vancouver 1792 den Howe Sound erkundet hatte, bekamen jene Indianer in den folgenden hundert Jahren auch im Whistlergebiet immer wieder Kundschafter zu Gesicht, die einen kürzeren Weg zu den Cariboo-Goldfeldern suchten. Auch Rinder versuchte man nach dort zu treiben, doch weil derartige Vierbeiner und Regenwald nicht zusammenpassen, gelang das nur mit einer einzigen Herde. Den Trail, den sie damals ging, blieb der Nachwelt bis heute erhalten. Die Pacific Great Eastern Railway war erst 1911 bis zum südlich gelegenen Alta Lake vorgedrungen und fraß sich weiter durch das Landesinnere in Richtung Prince Georg. Von da an, und lange bevor der Whistler Mountain sich einen Namen gemacht hatte, wurde der gleichnamige See zu einer populären Touristendestination Zwei Jahre später siedelten Alex und Myrthle Phillip am Green Lake, den die „99“ nördlich von Whistler an dessen westlichem Ufer begleitet, und legten mit ihrer Fischer-Lodge auch dort den Grundstein für erste Touristen. Als die Barr’s dreizehn Jahre später am gleichen See ein Sägewerk eröffneten wuchs die Ansiedlung zwar weiter, doch war es letztlich die Winterolympiade 1968, die der Whistlerregion zum Durchbruch verhalf. Die Spiele gingen damals zwar an Grenoble, aber am Whistler, später auch am Blackcomb, entstand ab 1965 ein modernes Skizentrum, der dem Ort zur weiteren Blüte verhalf.

      Am nächsten Morgen begrüßt uns erneut ein strahlend blauer Himmel. Zur Linken leuchten in der Ferne die weißen Kappen jener beiden Berge, während gegenüber kleinere Erhebungen mit bewaldeten Hängen das Tal schließen. Ein absolut perfekter Wandertag, für den wir die 20 km des „Musical Bumps Trails“ gehen wollten, an dessen Ende der Blick auf den Cheakamus Gletscher und den gleichnamigen, blau schimmernden See alle Mühen belohnt. So früh im Jahr müssen wir unterwegs aber feststellen, dass im oberen Teil dieser Wanderroute noch viel zu viel Schnee liegt, so dass wir zum „Kleinen Whistler“ abbiegen und anschließend unsere Tagestour auf dem „Harmony Trail“ fortsetzen. Während sich hier der restliche Schnee in Grenzen hielt, überraschten uns jede Menge Mücken. Dass sie um diese Jahreszeit hier und dort ein regelrechtes Markenzeichen sind, ehe sie urplötzlich wieder verschwinden, wussten wir Greenhorns natürlich nicht. Doch vermiesen konnten sie uns diesen Tag nicht, und als das Lagerfeuer wieder knistert sind wir auch mit unserer Ersatzwanderung zu frieden und der Meinung, dass Whistler ein sehr schöner und charmanter Ort ist. Gepflegt, lebenslustig und von vielen jungen Leuten besucht. Er ist auch ein Eldorado für die Biker, und seine Gondelbahn schwebt über Wiesenhänge nach oben, auf denen nicht selten grasende Bären zu sehen sind. Und das, was die Kanadier dieser Provinz auf ihren Autoschildern behaupten, „Wunderschönes British Columbia“, dass trifft ganz gewiß auch auf Whistler und seine Umgebung zu.

      Ehe allerdings der Tourist dieses wunderschöne Stück Kanada genießen konnte, gingen viele Jahre ins Land, in denen Pelzhändler und Landvermesser der Northwest- und Hudson’s Bay Company, Jäger, Trapper und andere Pioniere jener Zeit unter schwierigsten Bedingungen schier Unmögliches leisteten. Sie fanden Wege über die Rockies, erkundeten Flüsse, trotzten eisiger Kälte, hungerten, schlugen sich durch unbekanntes Land und dichte Wälder. Nicht selten mussten sie nach wochenlangen Quälereien umkehren, weil es der falsche Weg war oder einer, der nicht mehr weiterführte. Sie bauten Handelsposten, erschlossen und erkundeten das Land und legten den Grundstein für spätere Straßen. Einer von ihnen war auch David Thompson, und von diesem Mann, der einen Großteil des Nordwestens kartographierte, wird später erneut die Rede sein.

      Begrenzt wird British Columbia im Süden von Amerika, im Westen ist es der Pazifik, der die Linie zieht, im Norden Alaska, der Yukon und die Northwest Territories, während im Osten Alberta als Nachbar fungiert. Die Entwicklung von BC entsprach seiner abgelegenen Lage, weil die von Nord nach Süd ziehenden Gebirgswälle lange Zeit den Zugang auf dem Landweg verhinderten. Und noch im 19. Jahrhundert formulierte ein englischer Journalist, dass selbst fünfzig Eisenbahnlinien dieses unfruchtbare und kalte Gebirgsland nicht erschließen könnten. In Wirklichkeit war dieses „nutzlose Land“ aber voller Bodenschätze, und es bedurfte in erster Linie eines Hafens, um sie auch exportieren zu können. Dieser Grundstein war gelegt, als ein ehemaliger Dampfboot-Kapitän aus der Goldrauschzeit, Jack Deighton, mit seiner indianischen Frau, einem Hund, einigen Hühnern und einem Fass Whisky 1867 im Burrard Inlet anlegte, und am Zugang zum Pazifik eine „Taverne“ öffnete, die die Keimzelle Vancouvers wurde. Heute erinnert in „Gastown“ eine Plastik an jenen Ankömmling, der als „Whisky Jack“ bekannt, und „Vancouvers“ erster Bürger wurde. Die ersten europäischen Einwanderer beeinträchtigten die Indianer, ihre Kultur und deren Lebensraum zunächst nicht, doch brachten massive Rodungen, Bergbau, Fischerei, Krankheiten und Evangelisierung das gewohnte Leben der Ureinwohner aus dem Gleichgewicht. Natürliche Reserven, Wasserenergie und der Handel mit den

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