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deren Gesinnung stolz und hochmütig ist. Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt und die Geringen emporgehoben. Den Hungrigen hat er ‚die Hände‘ mit Gutem gefüllt, und die Reichen hat er mit leeren Händen fortgeschickt. Er hat sich seines Dieners, ‚des Volkes‘ Israel, angenommen, weil er sich an das erinnerte, was er unseren Vorfahren zugesagt hatte: dass er nie aufhören werde, Abraham und seinen Nachkommen Erbarmen zu erweisen.“*

      Na, das ist ja ganz was Feines. Ein Gesandter Gottes, der sich mit den Armen, den Unterdrückten dieser Welt solidarisiert, der die Mächtigen vom Thron stoßen wird. Wenn da etwas dran ist, dann verändert diese wundersame Geburt tatsächlich so einiges, und jeder muss für sich selber entscheiden, ob das für ihn wirklich so eine gute Nachricht ist.

      Während ich diese Zeilen verfasse, liege ich im Sterben. Mein Traum von einem vereinigten Reich wird trotz all meiner Anstrengungen nicht in Erfüllung gehen. Drei meiner Söhne, alle von unterschiedlichen Müttern, werden sich das Land teilen müssen.

      Ich werde auf Nummer sicher gehen und habe bereits eine Gruppe von beliebten, angesehenen Männern auf einer Rennbahn in Jericho einsperren lassen. Meine Soldaten haben die Anweisung, sie am Tag meines Sterbens umbringen zu lassen. Das wird dafür sorgen, dass man in diesem Land weinen wird, wenn ich sterbe.

      Die Frage des Wehklagens ist somit geklärt. Die Frage, die bleibt, ist, was passieren wird, wenn dieser wundersame kleine König der Liebe tatsächlich an die Macht kommt und dann doch sterben wird. Wie wird man sich an ihn erinnern, und was wird von seinem Leben bleiben?

      FRANK BONKOWSKI

      Die Weihnachtsgeschichte – so, wie wir sie an Kaminfeuern, vor prächtig geschmückten Weihnachtsbäumen am Heiligen Abend wahlweise vor oder nach der Bescherung erzählen oder vorlesen, scheint mit Angst zu beginnen. Mit Angst und einer Frage.

      Da ist dieser alte Mann, der glaubt, dass sein Traum davon, Vater zu werden, längst ausgeträumt ist, und der bezweifelt, dass Gott sein Leben noch verändern kann.

       „Fürchte dich nicht, Zacharias! Gott hat dein Gebet erhört.“

      Da ist diese junge Frau, kaum älter als eine Jugendliche, das Erscheinen eines Engels und ein unerwartetes Versprechen.

       „Sei gegrüßt, Maria! Gott ist mit dir! Er hat dich unter allen Frauen auserwählt.“

      Da sind Schafe auf dem Felde und Hirten, die Wache halten, und plötzlich ein Himmel voller Licht und Gesang.

       „Fürchtet euch nicht! Ich verkünde euch eine Botschaft, die das ganze Volk mit großer Freude erfüllt.“

      Es fehlt nicht viel dazu, Angst zu bekommen, wenn man mit den bedeutungsschweren Versprechen Gottes konfrontiert wird. Da kann schon Angst im Spiel sein, wenn wir erkennen, dass wir womöglich genau das bekommen, was wir wollen. Zacharias war ungläubig. „Wie kann ich sicher sein?“, fragte er sich. Würde er wirklich in seinem hohen Alter einen Sohn bekommen?

      Die Hirten eilten los, um die Erfüllung des Versprechens mit ihren eigenen Augen zu sehen. „Lasst uns hingehen und sehen, was passiert ist“, sagten sie zueinander. War der Messias wirklich gekommen?

      Und Maria? Man könnte unendlich lange darüber spekulieren, was an jenem Tag in ihrem Kopf vorgegangen sein muss, und könnte es doch nie wissen. Wir wissen, dass sie jung war, kaum älter als eine Jugendliche. Sie war unverheiratet, eine Jungfrau, aber verlobt mit einem Mann namens Josef. Es ist unmöglich, dass das Versprechen, das der Engel Gabriel ihr überbrachte, auch nur ansatzweise dem entsprach, was sie sich wünschte. Vielleicht hatte sie davon geträumt, eines Tages Mutter zu sein, davon, Leben in sich wachsen zu spüren, von einem kleinen Baby, das eines Tages zu einem Mann heranwachsen würde. Sie mag vielleicht von dem Leben geträumt haben, das sie mit Josef führen würde. Von dem Zuhause, in dem sie zusammen wohnen würden, von den Kindern, mit denen sie dieses Haus füllen würden, und von den weit entfernten Tagen, wenn diese Kinder erwachsen sein und ihr Haar grau werden würde und die Enkelkinder auf einen Besuch hereinschauten.

       Der Engel kam zu ihr und sagte: „Sei gegrüßt, Maria! Gott ist mit dir! Er hat dich unter allen Frauen auserwählt.“

       Maria fragte sich erschrocken, was diese seltsamen Worte bedeuten könnten.

       „Hab keine Angst, Maria“, redete der Engel weiter. „Gott hat dich zu etwas Besonderem auserwählt. Du wirst schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Jesus soll er heißen.“

      Egal, was sich Maria von ihrer Zukunft erträumt hatte, das wird es kaum gewesen sein. Sie muss gewusst haben, dass sie als unverheiratete Mutter nur Scham zu erwarten hatte. Ob es ihr durch den Kopf schoss, dass Josef sie verlassen würde? Oder dass sie den Tod einer Ehebrecherin zu erwarten hatte? Würden wir es Maria übel nehmen, wenn sie ein höfliches „Danke, aber – nein, danke. Das entspricht nicht meinen Vorstellungen“ entgegnet hätte? Oder vielleicht auch etwas in die Richtung von Zacharias‘ Antwort: „Ist das wirklich wahr? Kann das wirklich passieren?“

      Maria reagiert aber nicht so. Dieses junge Mädchen, das Gott aus seinem normalen Leben in der Stadt Nazareth erwählt hat, antwortet dem Engel des Herrn folgendermaßen:

       „Ich will mich dem Herrn ganz zur Verfügung stellen. Alles soll so geschehen, wie du es mir gesagt hast.“

      Und ihr ganzes Leben veränderte sich.

      Maria kann nicht gewusst haben, wozu genau sie an jenem Tag „Ja“ sagte. „Ja“ zu einer unbequemen Geburt, umgeben von den Tieren in einem Stall. „Ja“ zu einem unbeholfenen Besuch ausländischer Könige, die seltsame und irgendwie unpassende Geschenke mitbrachten. „Ja“ zu einem mächtigen König, der ihr Kind töten wollte, noch bevor es dem Säuglingsalter entwachsen war. Und das sind nur die ersten paar Jahre.

      Wir stellen uns die Weihnachtsgeschichte oft als weich und süß und heimelig beleuchtet vor. Für Krippenspiele und das angenehme Geplauder an der Festtafel befreien wir sie von allen negativen Assoziationen. Da sind dann Engel und flockig-weiche Schafe und ein süßes Baby mit dicken Bäckchen. Wir ignorieren die Tatsache, dass es gestunken haben muss in diesem Stall, weil es in Ställen nun einfach einmal stinkt, oder dass Maria jung war und vielleicht Angst hatte und dass sie vielleicht geweint hat, weil sie ihr neugeborenes Kind in einem Futtertrog für Tiere schlafen legen musste. Oder dass, Weihnachtsliederidylle beiseitegeschoben, Jesus ein menschliches Kind war und wie jedes andere Kind in dem Alter auch seine Mutter nachts mit seinem Weinen um den Schlaf gebracht haben wird.

      Maria wusste nicht, dass sie zu einem kleinen Jungen „Ja“ sagte, der so anders sein würde als alle anderen Jungs. Der einfach mal drei Tage verschwand und dann im Tempel wieder auftauchte. Der ihr – als sie ihn dann endlich gefunden und erleichtert umarmt und streng zurechtgewiesen hatte –, der ihr dann also mitteilen würde, dass ihr Haus nicht sein Zuhause war.

      Maria wusste nicht, dass sie dazu „Ja“ sagte, den Tod ihres eigenen Sohnes als Zeugin mitzuerleben.

      Wir trennen diese beiden Geschichten gerne voneinander. Wir etikettieren sie als „Weihnachten“ und „Ostern“ und behandeln sie als zwei grundsätzlich unterschiedliche Geschichten. In Wirklichkeit ist es eine einzige große Geschichte. Das süße kleine Baby mit den Schafen und den Engeln wuchs zu dem Mann heran, der den Tod eines Kriminellen starb. Wir wissen, dass Maria unter dem Kreuz stand und alles mit ansah.

      Natürlich wusste Maria von all dem nichts, als sie Gabriel gegenüberstand. Sie wusste wahrscheinlich, dass es schwer werden würde. Sie muss gewusst haben, dass Opfer notwendig werden würden, dass sie einige ihrer Träume fahren lassen musste. Es war wahrscheinlich sehr viel schwieriger, als sie es sich je

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