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müssten, was Sie sich so hart erarbeitet haben? Um bei anderen beliebt zu sein, um Ihr kleines Königreich zu bewahren?

      Ich war durch ein paar geschickte Schachzüge und Geldgeschäfte auf den Thron gekommen, gegen den Willen der jüdischen Gelehrten, weil ich „rein technisch“ gar kein gebürtiger Jude war, obwohl ich von Kindheit an alle jüdischen Riten eingehalten habe – und da gibt es so einige.

      Es ist doch selbstverständlich, dass mir sehr daran gelegen war, es mir auf dem Thron gemütlich zu machen und meine Macht über meinen Tod hinaus zu etablieren. Welcher König will das nicht?

      Und das war schwierig genug in dieser Zeit, in der man ständig die Balance halten musste, um einerseits die allmächtigen römischen Herrscher gnädig zu stimmen und es sich gleichzeitig mit den religiösen Fanatikern nicht zu verscherzen, die in meinem Volk so viel Beachtung genießen.

      Es war ein Spagat! Für die Römer sorgte ich mit harter Hand für Ordnung und unterdrückte jeglichen Widerstand in meinem Volk. Ich engagierte mich für den Erhalt der Olympischen Spiele und ließ Samaria ausbauen zu Ehren von Caesar Augustus. Und natürlich sammelte ich Steuern für sie ein. Tempelsteuer, Besatzungssteuer, für alles hatten wir eine Steuer. 75 % ihres Einkommens quetschte ich aus dem Volk heraus. Viele verloren dadurch ihre Höfe oder wurden versklavt, aber um meinen Status bei den Römern nicht zu verspielen, hätte ich sogar noch mehr aus diesen armen Seelen herausgeholt, wenn es irgendwie gegangen wäre.

      Nicht, dass ich nicht auch eine fürsorgliche Seite habe. Nach einer großen Dürre vor 25 Jahren gab es eine Hungersnot und Seuchen. Damals ließ ich in Ägypten Getreide kaufen und erließ den Bürgern ein Drittel ihrer Steuern. Das war doch nett. Eine Ausnahme zwar, aber nett.

      Dass ich sonst einen eher weniger netten Eindruck machte, machte mich bei meinen eigenen Leuten natürlich nicht unbedingt beliebter. Deswegen, und weil mir die Römer einen schwelenden Aufstand als Schwäche ausgelegt hätten, sah ich mich gezwungen, dem Volk meine religiöse Seite zu zeigen. Ich ließ einen bombastischen Tempel bauen: zur Ehre Gottes natürlich. Natürlich. Das sollte diese religiösen Trottel doch wohl stolz auf mich machen, sodass sie zukünftig mit Ehrfurcht über mich reden würden. Über mich, den König, der einen Tempel gebaut hatte, größer und schöner als der gute alte Salomon damals. Und wehe, wenn nicht.

      So ein Tempel baut sich natürlich nicht von alleine, und wieder einmal brauchten wir Ideen, wie wir noch mehr Steuern aus den Menschen herausholen konnten. Irgendwann kam uns die Idee einer Steuerzählung, für die jeder Jude in seine Heimatstadt ziehen musste, um sich dort eintragen zu lassen. Diese Aktion sollte uns das Geldeintreiben erleichtern.

      Sie sehen, meine Furcht, das Amt, das mir zustand, zu verlieren, war durchaus begründet. Dass sich keiner meiner Söhne aus sieben Ehen als geeigneter Nachfolger herauskristallisierte, sodass ich mich ständig gezwungen sah, mein Testament zu ändern, half auch nicht gerade. Wie gesagt, es war ein Machtkampf, den ich mit allen Mitteln gewinnen musste.

      Gerade in diesen Jahren der Volkszählung wurde ich dann an einen dritten Gegner erinnert, der mir angeblich den Thron streitig machen wollte. Eines Nachmittags bekamen wir im Palast Besuch von ein paar Sterndeutern, die auf ihren Kamelen von weit her gereist waren, weil sie angeblich einen Stern gesehen hatten, den sie dahingehend deuteten, dass in unserer Gegend ein großer König geboren worden war, dem sie Geschenke bringen wollten. Als ob die Dinge nicht schon kompliziert genug waren!

      „Was wollt ihr ihm denn schenken?“, wollte ich wissen.

      „Gold, als Zeichen seiner Herrschaft!“, sagte der erste.

      „Weihrauch, weil er nicht nur König, sondern auch Priester dieses Volkes sein soll!“, sprach der nächste dieser äußerst interessanten Männer.

      „Und das letzte Geschenk verstehen wir selber nicht so ganz“, murmelte ein Dritter fast zu sich selber. „Myrrhe, das Balsam, das ihr zum Bestatten der Toten benutzt. Irgendwie muss das Sterben wichtig sein im Leben dieses wundersamen Mannes!“

      „Wenn an eurer Geschichte etwas dran ist, dann wird der wundersame Mann die Myrrhe früher brauchen, als ihm lieb ist“, dachte ich, aber gesagt habe ich das natürlich nicht. Im Gegenteil, ich versprach meine Hilfe und ließ mich von meinen Schriftgelehrten, richtig, diesen religiösen Fanatikern, beraten, ob es denn in unseren Schriften auch etwas zu lesen gab über einen möglichen König, einen Priester, dessen Einbalsamierung wichtig war.

      „Tatsächlich!“, berichteten die Gottesmänner mit strahlenden Augen. „In der Geburtsstadt Davids, in Bethlehem, soll der Sohn Gottes, der Messias, geboren werden. So haben es die Propheten vorhergesagt. Könnte dies die Zeit sein, in der Gott sein Versprechen wahr macht und unserem Volk einen Retter schickt?“

      „Warum sind eigentlich alle um mich herum so froh über einen neuen König?“ Ich war fast wahnsinnig vor Neid, vor Wut und ja, ich gebe es zu, vor Angst. Was würde mit mir geschehen, wenn mir dieser „wunderbare König“ gegenüberstehen, mich von meinem Thron stürzen würde, wenn ich abdanken müsste? Wenn einer meine Herrlichkeit überstrahlte?

      Nein, das durfte einfach nicht geschehen!

      Ich schaffte es irgendwie, meine panische Angst in einen Plan zu kanalisieren. „Folgt eurem Stern!“, sagte ich zu den Astrologen. „In Bethlehem, der Stadt unseres Königs David, werdet ihr ihn finden, wenn ihr recht behalten sollt. Geht dorthin, huldigt ihm und dann kommt zurück zu meinem Palast und gebt mir Bericht. Dann werde ich selber dorthin gehen, um diesen wunderbaren Messias anzubeten.“ Und im Stillen ergänzte ich: „Und ich werde mit meinen Soldaten kommen, und mein Schwert wird geschärft sein, und diese Gefahr für meinen Thron wird in seiner eigenen Blutlache ein Ende finden!“

      Meinen Spionen zufolge haben diese komischen Orientalen tatsächlich jemanden gefunden, dem sie ihre Geschenke gegeben haben. Ein kleiner Junge von erbärmlich armen Eltern. Soll nicht gerade wie eine königliche Familie ausgesehen haben. Ihr Versprechen haben sie auch nicht eingehalten, diese kamelreitenden Betrüger; direkt zurück in ihren Orient sind sie, ohne mir Bescheid zu geben, wo genau sich die kleine Familie aufhielt.

      Ich werde sie einfach nicht los, diese Albträume, jetzt kurz vor dem Ende noch alles zu verlieren. Also musste ich handeln. Um ganz sicher zu sein, befahl ich meinen Männern, in der Nacht loszureiten und alle Jungen unter drei Jahren zu töten. Gerne haben die Soldaten den Auftrag nicht ausgeführt. Ich habe ihre Verachtung gespürt. Was sollte ich denn machen? Darauf warten, dass mir alles genommen würde, was ich bin, was ich mir verdient hatte?

      Meine Hoffnung war gewesen, in dieser Nacht endlich wieder ruhig schlafen zu können. Aber irgendwie habe ich seitdem nie wieder geschlafen. Sicher, ich war unheilbar krank und hatte starke Schmerzen, aber das hatte ich bisher immer kontrollieren können.

      Dies war anders! Ich bin immer noch König, ich arbeite immer noch sehr hart daran, meine Macht auszubauen. Aber die Albträume bleiben.

      Es ist nicht einmal die Angst, meinen Widersacher nicht erwischt zu haben. Einer meiner Spione ist sich sicher, wir haben damals die falschen Kinder getötet, und es hält sich das Gerücht, der „Retter“ wäre mit seinen Eltern nach Ägypten geflohen und könnte irgendwann wiederkommen.

      Soll er doch kommen! Ich bin klug und habe meine Macht immer verteidigen können. Ich bin einfach nur so müde. So unglaublich erschöpft!

      Da ist noch etwas, dass mich nachts wach hält.

      Meine Soldaten haben damals in der Nacht des Massakers, für die man mich nun wohl für immer in Erinnerung behalten wird, eine Tontafel gefunden. Auf diese mysteriöse Tontafel wurde ein Lied, ein Psalm eingeritzt. Mein Spion ist sich sicher, diese Worte stammen von der jungen Mutter dieses wundersamen Kindes.

      Ich habe die Melodie dieses Liedes nie gehört, aber ich höre diese Worte jede Nacht, als Hintergrund für meinen Albtraum.

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