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familientaugliche Arbeitszeitmodelle), geht die Rechnung für alle auf, für Frauen und Männer, für die Unternehmen und für die Wirtschaft:

      – Gemischte Teams in den Führungsetagen sind nachweislich ein Erfolgsfaktor, der sich in den besseren Zahlen dieser Unternehmen widerspiegelt.

      – Mehr hochqualifizierte Menschen kommen auf den Arbeitsmarkt und bleiben ihm erhalten. Vor allem,

      – wenn sich die Männer aktiv an der wertvollen unbezahlten Arbeit beteiligen; in den Ländern, in denen bis zu achtzig Prozent der Väter in Karenz gehen, bleibt auch nach der Karenz des Mannes nachhaltig eine gerechtere Aufteilung der Haus- und Familienarbeit aufrecht.

      – Wenn Frauen weniger lange Unterbrechungen in ihrer Arbeitsbiografie haben, kann der große Unterschied im Einkommen und bei den Pensionen von Frauen und Männern mittel- bis langfristig überwunden werden.

       FRAUEN SIND MÜTTER – UND SONST NICHTS?

       Die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft: Mutter – und sonst nichts? Betrachtung einer sozialen Konstruktion. In Österreich und in Deutschland wird einer Frau die Wahlmöglichkeit von Rollen auch heute offenbar immer noch nicht zugestanden. Dazu ein kurzer und tiefer Blick in die Geschichte des Mutterbildes in diesen Ländern. Wie gehen die Interviewpartnerinnen mit der Mutterrolle um? Und wie sehen das die Kinder? Wie viel Mutter und wie viel Vater brauchen die Kinder wirklich – Antworten aus der Bindungsforschung.

       Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind zu erziehen.

       Nigerianisches Sprichwort

      Das Idealbild der Mutter ist in den Gesprächen mit Frauen und Männern immer präsent, wenn es um die Erwerbstätigkeit von Frauen und Männern mit Kindern geht: Es ist das von der Gesellschaft in Österreich und Deutschland vorausgesetzte Idealbild der Mutter, die zu Hause bei den Kindern bleibt und keiner oder nur einer geringen Erwerbstätigkeit nachgeht. Nur dann ist – noch immer – nach Meinung vieler in unserer Gesellschaft ein gesundes Aufwachsen der Kinder möglich. Und vor allem: Wer bringe den Kindern dann die Werte nahe?!

      Dazu eine Gegenfrage: Wer sagt, dass Kinder von Vollzeitmüttern die besseren Menschen sind? Und was ist mit den Vätern? Warum ruft niemand nach der mangelhaften Vermittlung von Werten für die Kinder durch Väter, die nicht da sind, was bis jetzt meistens der Fall ist?

      Abgesehen davon ist das eine sehr elitäre Diskussion, weil viele Frauen mit Kindern es sich nicht aussuchen können, zu Hause zu bleiben, und auf Betreuung für die Kinder angewiesen sind. Eine meiner Interviewpartnerinnen meint zum Thema des Mutterideals nur:

       „Wir legen da in Österreich und in Deutschland ein gesellschaftliches Gluckentum an den Tag …“ (Thea R.)

      Die deutsche Literaturwissenschaftlerin Barbara Vinken zeigt in ihrem Buch „Die deutsche Mutter. Der lange Schatten eines Mythos“ den Konflikt der deutschen Frau als Mutter und Berufstätige auf:

       „Man fragt sich, wie es dann kommt, dass französische, dänische und italienische Kinder als Erwachsene so schrecklich normal und nicht allesamt als krippengeschädigte Bindungsunfähige herumlaufen.“1

      In Frankreich zum Beispiel ist eine Frau immer noch eine Frau, auch wenn sie Kinder hat. Sie hat auch kein Problem damit, mehr Kinder als eine Österreicherin oder eine Deutsche zu haben und diese früh in außerhäusliche Obhut zu geben.2

      Das Muttersein ist die große Zerreißprobe für die meisten Frauen im deutschsprachigen Raum, weshalb sie oft ihre berufliche Entwicklung und somit ihre persönliche Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit zurückstellen.

      Wobei sich der Arbeitsbereich der Mutter nicht nur auf eigene Kinder erstreckt, sondern auch pflegebedürftige Angehörige miteinbezieht: Achtzig Prozent der pflegebedürftigen Angehörigen werden von Frauen betreut.3

       FRAUEN ENTSPRECHEN NICHT – EGAL, WAS SIE TUN?

      Dennoch: Noch nie konnten Frauen so frei und selbstbestimmt leben wie in der westlichen Welt des 21. Jahrhunderts. Dabei sind sie allerdings Kritik von allen Seiten ausgesetzt: Aus dem konservativen Lager kommt Kritik an Frauen, die sich nicht in die dort offenbar einzig zugelassene Rolle der Mutter zwängen lassen wollen. Die Feministinnen auf der anderen Seite des Spektrums vermuten nicht ganz unbegründet einen Backlash der Gleichberechtigung, den Rückfall der Frauen in die ihnen traditionell zugewiesene Rolle im Haus hinterm Herd, sobald es wieder einmal Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt gibt oder es beim Kampf um die Erreichung von Machtpositionen eng wird.

      Die Wahlmöglichkeit zwischen oder die Kombination von verschiedenen Rollen wird Frauen offenbar auch heute immer noch nicht zugestanden. Ist sie „nur“ Mutter, gilt sie als altmodisch. Und muss sich zudem in unserer Leistungsgesellschaft auch noch rechtfertigen, da ja hier alles über bezahlte Arbeit und Geld bemessen wird. Ist sie „nur“ berufstätig, gilt sie als egoistisch. Ist sie Mutter und berufstätig und will sie gar auch noch Karriere machen, fallen alle über sie her: Sie sei eine „Rabenmutter“ für ihre Kinder, sie könne sich nicht hundertprozentig dem Beruf widmen, vernachlässige ihre Partnerschaft … Wobei Väter, wenn es um Kinder und Vereinbarkeit geht, leider immer ausgeblendet werden. Die Familie wird vor allem in konservativen Kreisen und in der konservativen Politik der Frau allein „umgehängt“, da in erster Linie sie für die Kinder zuständig sei.

      Im Folgenden möchte ich ein paar Denkanstöße zu einer in unserer Gesellschaft vorgegebenen Rolle anbieten, die als unumstößlich gilt, aber jene, denen diese Rolle zugewiesen wird – zumal, wenn sie sie in Vollzeit ausfüllen, was als Ideal gilt – in eine schwierige Situation bringt: die Frauen.

       SOZIALE KONSTRUKTION: MUTTER

      Wenn ich hier vom Idealbild Mutter spreche, dann meine ich damit ein Rollenklischee in unserer Gesellschaft, ein soziales Konstrukt, das in der Realität von Familien mit Kindern in dieser Form weder notwendig noch realisierbar ist und in Wahrheit auch nie existiert hat: die Vollzeitmutter.

      Und nein, das Muttersein steckt nicht in den Genen der Frau, wie Christine Bauer-Jelinek klarstellt:

       „Man sieht ja im Kulturvergleich, dass Frauen – und natürlich auch Männer – in anderen Ländern oder Epochen unterschiedliche Rollen und Aufgaben in der Gesellschaft erfüllen. Das jeweils angemessene Verhalten wird durch Sozialisation erlernt. Wäre alles angeboren, dann müsste dieses ja überall weitgehend gleich sein.“

      Es gibt maßgebliche wirtschaftliche Gründe und es gibt gute Gründe aus der Bindungsforschung, warum wir die Erwartungshaltung an Frauen, die Mütter sind, herunterschrauben können – und sollen.

      Im Kapitel „Die neuen Männer: Väter in Karenz“ zeige ich, dass diese vom ersten Tag an eine wichtige Rolle für das Kind spielen und spielen wollen, was den Müttern viel Druck nehmen kann (wenn diese das zulassen).

      Manchen Männern fiel auf, wie stark das Ideal der Mutter ist und dass sie als Vater nicht wirklich anerkannt sind: Einer der Väter hatte sein Kind in einem katholischen Kindergarten. Er sagte mir: „Das ist sehr müttergeprägt. Da tue ich mir sehr schwer.“

       DAS IDEAL DER HUNDERT-PROZENT-MUTTER: NUR IN DEN OBEREN SCHICHTEN UND ERST SEIT KURZEM

      Nur im deutschsprachigen Raum haben wir ein Mutterideal, das vorgibt, dass nur die leibliche Mutter in der Lage und es ihre alleinige Aufgabe sei, die Kinder zu versorgen. Bis vor Kurzem war eine Frau in unserer Gesellschaft dann auch voll anerkannt.

      Woran liegt es, dass das Ideal der Mutter im deutschsprachigen Raum so stark ist, so dass jede Frau, die Kinder

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