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Den Hauptgrund sieht sie in den noch immer nicht überall vorhandenen Kinderbetreuungsplätzen.

      Auf den Punkt gebracht: Jede Frau, die bestens ausgebildet ist und aufgrund von Vorurteilen und traditionellen und überkommenen Rollenbildern und wegen unzureichender Betreuungsangebote für ihre Kinder keinen Job annehmen kann oder will, bedeutet einen Braindrain, ist ein Verlust für die Volkswirtschaft. Sie hat eine oft aus Steuern finanzierte, teure Ausbildung gemacht und kann sie nicht einsetzen.

      Und: Es ist ungerecht, dass Eltern mit Kindern Nachteile haben, finanziell, bei der Betreuung, durch unterbrochene Erwerbsbiografien, die im Alter eine geringere Pension zur Folge haben. Einer Volkswirtschaft sollte es sehr viel mehr wert sein, dass es Menschen gibt, die die beglückende, aber anstrengende, herausfordernde und kostenintensive Aufgabe auf sich nehmen, Kinder zu guten Staatsbürger*innen und Steuerzahler*innen aufzuziehen.

       ZUFRIEDENE MITARBEITER*INNEN SPAREN UNTERNEHMEN IMMENSE KOSTEN

      Ein weiterer Beleg für nachweisbaren Erfolg und messbar weniger Kosten sind die wesentlich geringeren Fluktuationsraten von Mitarbeiter*innen in Unternehmen, die menschenfreundliche und flexiblere Arbeitsbedingungen anbieten.

      Jede Mitarbeiterin, die nach kurzer Zeit geht, weil sie die Arbeit nicht mit der Familie vereinbaren kann, jeder Mitarbeiter, der geht, weil er kein Verständnis für Väterkarenz findet, kostet dem Unternehmen effektiv Geld: Es geht Wissen verloren, die Rekrutierungskosten und die Einarbeitungszeit neuer Mitarbeiter*innen schlagen in der Bilanz des Unternehmens zu Buche. Eine Interviewpartnerin hat mir vorgerechnet, dass das bis zu einem Jahresgehalt ausmachen kann. Ich finde es erstaunlich, wie viele Unternehmen sich das leisten.

      Mitarbeiter*innen, die nach der Geburt eines Kindes flexible Arbeitszeiten und eine verständnisvolle Arbeitsatmosphäre vorfinden, bleiben dem Unternehmen verbunden und sind loyal. Sie bringen die gewünschten Resultate eher und sind motiviert, weil ihnen die Arbeitsatmosphäre wichtig ist. Das ist ein hoher Wert für Unternehmen, vor allem, wenn es sich um qualifizierte Fachkräfte handelt. Das bestätigen mir weibliche und männliche Führungskräfte in den Interviews aus ihrer Sicht als Angestellte wie auch als Arbeitgeber*innen. Mehr dazu im Kapitel „Der Wille zur Unabhängigkeit und Selbstbestimmung“.

      Moderne und zukunftsfähige Unternehmen wollen Menschen, die ihre Stärken und Talente einbringen, denn dann sind sie am besten. Moderne Chefs sind Motivator*innen, Moderator*innen und Ermöglicher*innen, nicht Befehlsausgeber*innen. Sie achten darauf, dass diese Menschen ihr Potenzial entfalten können und dass sie Arbeitsbedingungen vorfinden, die sie nicht daran hindern, ihre persönliche Lebensqualität, Familie und Beruf zu vereinbaren. Auf der Jagd nach Talenten können es sich Unternehmen nicht mehr leisten, dass qualifizierte Mitarbeiter*innen – Frauen wie Männer – weggehen, weil sie diese Bedingungen nicht vorfinden. Es gibt immer mehr Unternehmen, die das erkannt haben. Auf der anderen Seite braucht es Menschen, die diese Chance für sich nutzen – das ist die Chance für Frauen, die selbstbestimmt leben und arbeiten wollen.

       DER GENDER-GAP ZEIGT AUCH, WIE VIEL GELD DER VOLKSWIRTSCHAFT FEHLT

      Kommen wir zum Gesamtbild, das sich ergibt, wenn Frauen weniger Einkommen haben: Der Gender-Gap, die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen, wirkt sich auf die Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft aus: Frauen machen die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung aus, aber sie generieren nur 37 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung, mit starken Schwankungen nach unten in manchen Ländern.

      Abgesehen davon, dass es unfair ist, dass Frauen nach wie vor weniger als Männer verdienen: Es gibt einen wesentlichen Aspekt beim Einkommen von Frauen und Männern, der sich auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) auswirkt: Wenn Frauen mehr verdienen, können sie mehr Geld ausgeben, was ihnen und letztlich auch der Wirtschaft zugutekommt. Der Gender-Pay-Gap, also die geschlechtsspezifische Einkommensschere zwischen Frauen und Männern, hat Auswirkungen auf die Kaufkraft der Hälfte der Bevölkerung. Das ist zwar eine konventionelle Wirtschaftsauffassung (mit mehr Konsum in der Form, wie wir ihn derzeit tätigen, wird dieser Planet irgendwann unbewohnbar), wir wissen aber auch, dass Kinder aus Familien mit nur einem verdienenden Elternteil eher in Armut aufwachsen. Das zeigt eine große Studie der Bertelsmann Stiftung von 2017.12

      Andersrum betrachtet: Oft wird vorgerechnet, dass es Familien zu teuer komme, wenn der Vater bei den Kindern bliebe. Leider ist das noch oft der Fall, die große Einkommensschere zwischen Frauen und Männern zeigt es. Trotzdem: Warum wird eigentlich nicht ausgerechnet, was der Familie an Einkommen entgeht, wenn die Mutter bei den Kindern bleibt? Diese Frage wirft der Leiter der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria, Franz Schellhorn, auf:

       „Wer das so sieht, sollte mal den Taschenrechner anwerfen und ausrechnen, wie stark das Familienbudget durch zwanzig Monate Mütterkarenz sinkt.“ 13

      Das Familienbudget, aber nur das Einkommen der Frau, leidet noch viel länger darunter, wie ich im Kapitel „Frauen und Geld“ zeige.

       DIE RECHNUNG GEHT AUCH FÜR DIE FRAUEN NICHT AUF

      Für Frauen, die immer in Teilzeit gearbeitet haben, geht die Rechnung im Alter nicht auf.

      Sehr pointiert drückt es Tanja C., eine Topmanagerin, aus:

       „Und wenn ich den Kindern bis zur Matura das Händchen halte, bis dahin nur zwanzig Stunden arbeite, dann ist es logisch, dass ich weniger verdiene als jemand, der bis dahin Vollzeit gearbeitet hat. Und da brauchen sie sich auch nicht beschweren!“

      Wohlgemerkt: Mir geht es hier nicht darum, dass Männer und Frauen, die bewusst bei den Kindern bleiben wollen, das nicht tun sollen. Aber sie müssen sich finanziell absichern, sonst geht die Rechnung für sie in der Pension nicht auf. Mehr dazu im Kapitel „Der Wille zur Unabhängigkeit und Selbstbestimmung“.

       WAS ES BRAUCHT

      Ein wichtiges Kriterium sind die Rekrutierungsprozesse. Sie sind die erste Hürde, der sich Frauen gegenübersehen: Hier schlägt der Unconscious Bias zu, die unbewusste Voreingenommenheit gegenüber ihnen. Diese kann vermieden werden, wenn im Bewerbungsprozess die persönlichen Fähigkeiten der Menschen im Vordergrund stehen, nicht deren Geschlecht.

      Es braucht noch mehr Ermöglicher*innen, die hochqualifizierte Frauen dort abholen, wo sie sind: bei der Frage, wie sie Beruf und Familie vereinbaren können. Und wie sie mit ihren Talenten und ihrer Leistung sichtbar werden.

      Vor allem international aufgestellte Unternehmen haben erkannt, dass die Förderung von Frauen und Männern, die Arbeit und Familie vereinbaren wollen, positive Auswirkungen auf ihren wirtschaftlichen Erfolg hat. Sie starten Ausbildungsprogramme für Frauen und bieten Netzwerke für sie und für Väter an, die sich über ihre Erfahrungen austauschen wollen.

      Die gesamte Gesellschaft könnte davon profitieren, wenn die Arbeitszeit der Menschen an ihre jeweilige Lebenslage angepasst würde.

      Jörg Asmussen, Investmentbanker und ehemaliger Staatssekretär, der im Kapitel „Die neuen Männer: Väter in Karenz“ seine Geschichte erzählt, hat dazu einen Vorschlag:

       „Das übergeordnete politische Ziel sollte sein: Arbeitszeit soll mit Lebenssituation ‚atmen‘. Die Jungen können viel arbeiten. Mit Kindern weniger. Wenn die größer sind, wieder mehr. Und dann eventuell wieder weniger, wenn die eigenen Eltern Hilfe brauchen. Zum Beispiel jeden Freitag frei.“

       FAZIT: DIE RECHNUNG GEHT FÜR ALLE AUF, WENN FRAUEN UND MÄNNER IN DER WIRTSCHAFT UND ZU HAUSE GLEICHGESTELLT SIND

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