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jeden Abend von Tanzlokal zu Tanzlokal.«

      Trotz des Regenlichts, das durch die großen Fenster in das Treppenhaus fiel, erschien mir der Aufgang weiß und hell. Die getünchte Tapete schien das Graulicht in sich aufzunehmen und mit ihrem Weiß das Regenlicht zu verdrängen. Die grauen Fliesenstufen waren peinlich sauber. Mir kam es vor, als würde ich in einem Lichtturm aufsteigen. Die Wohnungstüren waren mit einer braunen Folientapete überzogen. Vor einer der Türen blieb Marion stehen, holte den Schlüssel aus ihrer Jackentasche: »Hier wohne ich.«

      Marion schob sacht die Tür auf. Wir traten in einen kleinen mit pastellfarbenem Gelb tapezierten Flur. Sie öffnete die Tür zum Bad. Die Fliesen strahlten in einer sterilen Sauberkeit. An der gleichen Wandseite war die Tür zur Küche geöffnet. Zwischen Badtür und Küchentür war eine Garderobe gestellt. Neben der Garderobe hing ein großer Spiegel bis über Kopfhöhe.

      Marion öffnete die Tür an der Stirnseite des kleinen Flures zum Schlafzimmer. Die Deckbetten waren zurückgeschlagen, die Kissen an den Kopfenden der Ehebetten lagen wie Zwillinge ordentlich abgelegt. Auch das Wohnzimmer atmete diese Sauberkeit. An der linken Wandseite standen ein orangefarbenes Sofa und zwei Sessel. Zwischen den Sesseln war der Tisch postiert. Der Fußboden war mit dem Imitat eines orientalischen Teppichs bedeckt. Die bunten Muster des Teppichs waren ein Kontrast gegen die weiße Gardinenfülle vor dem breiten Fenster. Die Gardine war etwas zur Seite gezogen, ließ den Blick durch die Balkontür frei. Ich sah, wie der Regen auf die Blätter der Balkongeranien fiel. Die rechte Wandseite bedeckte eine leichtbraune Schrankwand. Hinter dem Schrankglas waren bunte Gläser, ein Familienfoto stand da, Sammeltassen und eine in Zinn gefasste Vase.

      »Gefällt es dir?«, fragte Marion, beobachtete mein Gesicht.

      Ich nickte nur. Über Marions Gesicht huschte ein zufriedenes Lächeln. Sie öffnete die Tür zu ihrem Zimmer. »Das hier ist mein Reich.«

      Ich stand bewundernd im Türrahmen. Das Zimmer war schmal und endete an der Stirnseite in einem quadratischen Fenster. Gleich neben dem zur Seite geschlagenem Türblatt befand sich ein dreiteiliges Schrankregal. In den Schrankfächern standen eine Vase, das Bild eines offenen Fensters mit einem Rosenstrauß, ein paar Porzellanfiguren und ein Puppenpärchen. An das Schrankregal schloss sich ein kleiner Schreibtisch mit einer Leselampe an. Auf der Schreibtischplatte stand ein kleines Radio. Vor dem quadratischen Fenster hing weiß und straff gefaltet die Gardine. Auf der rechten Seite stand Marions Schlafliege. Am Kopfende stand eine Stehlampe mit einem glockenförmigen Stoffschirm. An der Rückseite der Liege waren Decken als Lehne gerollt. Ein großer Plüschbär saß unter der Stehlampe in der hinteren Ecke der Liege, starrte mich mit seinen stumpfen Glasaugen an. Draußen im Flur hörte ich Marion hantieren. Schubläden wurden aufgezogen und wieder verschlossen. Dann brummte ein Haarfön.

      Marion kam ins Zimmer. »Nicht so schüchtern.« Sie schubste mich. Ich verlor das Gleichgewicht, setzte mich auf ihre Liege, sah Marion mit offenem Mund an. Sie hatte ihr Haar locker aufgefönt, ihre Lippen leicht rosa geschminkt. Sie trug eine offene rote Bluse und einen frischen Rock. Ihre Füße steckten in bunt bestickten Pantoletten.

      »Gefalle ich dir?« Marion fasste mit ihren Händen rechts und links den Rock, drehte sich hin und her.

      Ich fasste nach ihr, erwischte ihre rechte Hand, zog sie auf meinen Schoß. Marion roch leicht nach Parfüm. Sie legte ihre linke Hand hinter meinen Kopf, betrachtete mich mit ihren großen braunen Augen.

      Ich konnte mich lange nicht aus unserem Kuss lösen. Marion rutschte von meinem Schoß herunter, ging zu ihrem Schreibtisch, schaltete das Radio ein. Sie kam zurück, setzte sich eng neben mich, lehnte ihren Kopf an meine Schulter. »Um diese Zeit bringen sie immer schöne Musik. Wenn ich allein bin, sehe ich dann immer aus dem Fenster und es ist, als verlasse ich mich selbst, bin da draußen mit den Wolken, der Sonne, dem Regen, bin in irgendwelchen Bergen, mitten in grünen Wiesen und abends zwischen den Sternen. Es ist schön so zu träumen. Wenn mich dann meine Mutter ruft, könnte ich mich mit ihr zanken.«

      Marion hob ihr Gesicht zu mir auf. Erst glitten ihre Augen über mein Gesicht, dann strich sie mit ihren Fingern sacht über meine Stirn, die Wangen, das Kinn, legte ihre Hand auf meine linke Wange, zog meinen Kopf zu sich herunter: »Küss mich.«

      Ich schob meinen rechten Arm um ihre Schulter, küsste sie und ich spürte, wie sie ihren Rücken nach hinten dehnte, gab nach.

      Marion zog ihre Beine auf die Liege, rutschte zur Seite, um mir Platz zu machen. Ich legte mich neben sie, öffnete ihre Bluse, begann mit meinen Lippen ihren Hals zu liebkosen, schob die Träger ihres Hemdes und des Büstenhalters zur Seite, berührte ihre Schulter, ihren Brustansatz mit meinem Mund. Meine Finger glitten in die Brustschale hinein, betasteten sanft das weiche Fleisch. Ich zog meine Hand von ihrer Brust zurück, fuhr mit ihr unter Marions Rock, streichelte die Außenseite ihres Oberschenkels, glitt nach innen, schob, ohne Widerstand zu spüren, meine Finger bis an ihren Schlüpfer heran, rieb dort, wo ihre Schamlippen waren. Während ich meine Hand in ihren Schlüpfer hineinschob, suchte Marion meinen Mund. Ich fuhr mit der Hand über ihr Gesäß, glitt vor zu ihrem Schamhaar.

      Ich ejakulierte. Die Ejakulation war eine Erlösung. Die Spannung in mir fiel ab. Ich spürte meinen klebrigen Samen auf dem Unterbauch, empfand plötzlich mein steifes Glied als störend. Ich löste mich von ihr. »Ich habe keine Kondome mit.«

      Marion schlug die Lider auf, blickte stumm mit ihren großen und braunen Augen auf mein Gesicht. Dann ging ihr Blick an mir vorbei, als holte sie sich aus einer großen Weite und Tiefe zurück. »Wenn ich ein Kind kriege«, flüsterte sie, »dann bekommen wir bestimmt auch so eine Wohnung.«

      Ich setzte mich auf, stützte meinen Kopf in die Hände, wiegte ihn hin und her, wollte meine Benommenheit abschütteln. Ich erhob mich. Marion drehte sich mit dem Gesicht zur Wand, lag still.

      Ich öffnete die Tür, schloss sie wieder, stieg die Stufen im Treppenhaus hinunter, als wäre nicht ich es, der da ging. Es regnete immer noch. Ich hielt mein Gesicht in den Regen. Die kalten Tropfen kühlten meine Haut.

      Marion und ich sahen uns erst nach dem Abschlussball wieder. Es war ein warmer Juniabend. Wir gingen unsere alten Wege ohne uns zu berühren. Wir wussten beide, wenn wir uns wieder spürten, dass wir eins werden würden, gingen ein Stück aus der Stadt hinaus, überquerten das Gleis der Hafenbahn, setzten uns nebeneinander in das hohe Gras am Bahndamm, schwiegen.

      Die Dämmerung kam. Der Himmel war wolkenlos und die Sterne begannen in der Dämmerung immer deutlicher zu strahlen. Vor uns am Horizont begann der Mond aufzusteigen.

      »Was wirst du tun?«, fragte ich.

      »Mein Vater hat mir in seinem alten Betrieb eine Lehrstelle als Technische Zeichnerin vermittelt.« Marion zog ihre Beine an sich heran, umschlang die Waden mit ihren Armen, legte ihr Gesicht auf die Knie, sah zu mir herüber. »Und du?«

      »Ich werde lernen, Gleise zu bauen, mache gleichzeitig mein Abitur, um dann Eisenbahnbautechnik zu studieren.« Ich legte mich mit dem Rücken ins Gras, schaute in das Sternenmeer über mir, lachte leise in mich hinein. »Mein Vater sagt, ich soll mich anstrengen, vielleicht könnte ich dann mit zu den Sternen fliegen.«

      Die Dunkelheit kam. Wir erhoben uns aus dem Gras, gingen langsam unseren Weg nebeneinander zurück bis zu Marions Haustür. Eine Weile standen wir stumm voreinander. Wie, als wäre es nicht sie, zog Marion den Haustürschlüssel aus ihrer Tasche, schob die Tür auf. Noch einmal drehte sie sich zu mir: »Wenn du zu den Sternen fliegst, nimmst du mich dann mit?«

      Der Sommer ging vorüber. Marion war als Betreuerin in ein Kinderferienlager nach Thüringen gefahren Ich verbrachte meine Ferien in einem Jugendlager an der Ostsee, arbeitete zwei Wochen in einer Rotte auf dem Gleis, um mir Geld zu verdienen. Es war Ende August. Die Tage waren noch einmal heiß. Doch wenn die Sonne an Kraft verlor, wurde es schon unangenehm kühl.

      Ich bereitet mich auf meinen Umzug ins Internat vor, wollte Marion noch einmal sehen. Auf der Klingelleiste an ihrer Haustür fand ich ihren Namen nicht mehr. Verblüfft schaute ich die Fensterfront hoch, als sich die Haustür öffnete und ein vierzehnjähriges Mädchen sein Fahrrad herausschob.

      »Zu wem wollen Sie denn?«,

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