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und mit ihm die Feministinnen sind noch einen Schritt weitergegangen. Sie haben die Männer – und nur sie – als Urheber dieses Denkens demaskiert. Am deutlichsten hat die Französin Hélène Cixous sich in dieser Richtung ausgesprochen. Die Oppositionen »Kultur vs. Natur«, »aktiv vs. passiv«, »positiv vs. negativ« sind für sie unkenntlich gemachte Wiederholungen der ersten Opposition, die lautet: »Mann vs. Frau«. Was sich als allgemeingültig ausgibt, ist tatsächlich eine Kreation der Männer. Unsere Sprache bietet dafür deutliche Belege. Denken Sie allein an das kleine Wörtchen »man«. Kurzum: Beauvoir wird von diesen Feministinnen bezichtigt, ihren Essay über die Situation der Frauen auf einer männlichen Philosophie begründet zu haben. Auch für Beauvoir war die Welt, in der wir uns bewegen, männlich, aber die Denkwerkzeuge, mit denen wir sie begreifen, neutral. Für viele neuere Feministinnen gibt es diese Neutralität nicht mehr. Ihnen geht es nicht mehr darum, innerhalb der überkommenen Denkformen neue Inhalte zu fordern, sondern diese Denkformen selbst zu unterminieren. Sie machen genau das, was Beauvoir als extreme, aber letztlich inakzeptable Form des Protestes bezeichnete: Sie lösen Eindeutigkeit, die vermeintlich männlich ist, in Vieldeutigkeit auf. Denn so kann man stark versimpelt die écriture féminine, die von Hélène Cixous lanciert wurde, oder auch die Dekonstruktion umschreiben.

       Frau oder Mensch?

      Wie man sich selbst innerhalb dieser Strömungen positioniert, ist nicht nur Ansichtssache, sondern entspricht – jedenfalls an den Universitäten – vielfach unausgesprochenem akademischem Zwang. In den USamerikanischen Literaturwissenschaften war der Dekonstruktivismus lange verbindlich, wobei dieser als »French Feminism« schlechthin tituliert wurde, was die Pariser Feministinnen (in der Mehrzahl Historikerinnen und Sozialwissenschaftlerinnen, die einen Egalitätsfeminismus à la Beauvoir praktizieren) einigermaßen ärgerte. Auch an den deutschen Universitäten gehört einiger Mut dazu, sich für Beauvoir zu interessieren, denn man setzt sich dem Verdacht aus, zum alten Eisen zu gehören.41 Aber die Dekonstruktion hat durchaus ihre Grenzen. Darauf hat vor einigen Jahren noch Françoise Collin hingewiesen, die selbst entscheidenden Anteil am Feminismus der siebziger Jahre hatte und als Philosophin eine der scharfsinnigsten Theoretikerinnen der Pariser Szene ist. Denn der philosophische Ansatz der Dekonstruktion bleibt auf dem abstrakten Niveau der Kategorien stehen und verfehlt daher die soziale und politische Realität der Frauen. Der Aufweis, dass »Mann« und »Frau« willkürliche Setzungen sind, die der durchmischten Wirklichkeit nicht entsprechen, ändert nichts daran, dass sie sich soziopolitisch in einer Beziehung der Herrschaft befinden, die sie dualisiert.42 In diesem Sinne ist der Grundansatz Beauvoirs auch heute noch nicht überholt, obwohl die Entwicklung in den fünfzig Jahren seit Erscheinen des Buches die Herrschaft des einen über das andere Geschlecht gemildert hat, und dies, nachdem genau das eingetreten ist, was Beauvoir für nötig hielt: zunehmende Teilnahme der Frauen an der Erwerbsarbeit und Geburtenkontrolle. Die Geburtenkontrolle ist wohl nicht so schnell abzuschaffen; dagegen sind die Frauen beim Rückgang der ökonomischen Konjunktur immer die Ersten, die an den Herd zurückkehren sollen. Es wäre eine soziologische Untersuchung wert festzustellen, wieso sich gerade in einer solchen Situation Antifeministinnen als neue Avantgarde mit der These Gehör verschaffen konnten, die Frauen erhielten nur dann ihre Würde zurück, wenn sie ihren angestammten Platz als Hüterinnen des Feuers und Gebärerinnen einnehmen. So jedenfalls äußerte sich im Jahre 1999 die deutsche Publizistin Katharina Rutschky und erhielt dafür sogar noch Beifall.43 Ich für meinen Teil halte es eher mit dem republikanischen Frankreich, in dem die Differenzfeministinnen eine Minderheit sind. Tausende von Frauen, die Beauvoir bis an ihr Lebensende schrieben,44 dankten der Verfasserin des Anderen Geschlechts nicht, weil sie ihnen ein Gefühl ihrer Würde als Frauen, sondern als Menschen gegeben hatte.

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      Schwarzer, Alice. 1999. Simone de Beauvoir. Rebellin und Wegbereiterin. Köln, Kiepenheuer & Witsch.

      Text eines Vortrags, den ich ab 1998 an mehreren deutschen Universitäten gehalten habe und der im Jahre 2003 in dem von Ilse Nagelschmidt hrsg. Sammelband Frauenforscherinnen stellen sich vor im Leipziger Universitätsverlag erschien. Der orale Charakter des Vortrags wurde beibehalten.

      Wenn Das andere Geschlecht sehr schnell berühmt wurde, so hängt dies nicht zuletzt mit dem Skandal zusammen, den das Werk 1949 erregte. Genauer gesagt, war es nicht die Buchausgabe, sondern es waren einige vorveröffentlichte Kapitel, die eine Reihe von Zeitgenossen – auch Zeitgenossinnen

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