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Formiertes, Begriffenes ist: Es ist gleichwohl allein durch das Dichten, Malen, Komponieren, das Zeichnen, Photographieren, Kinematographieren, das Tun des künstlerischen Subjekts. Wie aber »kann Machen ein nicht Gemachtes erscheinen lassen?« Denn der Künstler – etwa Monet – macht ja nicht den »Bec du Hoc«, den »Portail de la cathédrale« und den »temps gris«, in dem er daliegt; er macht, dass er hervortritt, nicht ihn, der ist und in diesem seinen Sein mehr und anderes ist, als an Ort und Stelle in den stumpfen oder den äugenden Blicken, die dies Andere vielleicht erst dann gewahren, wenn der Künstler es aufscheinen ließ. So das berühmte Klee’sche Diktum: »Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.«6 – Aber »wie kann, was dem eigenen Begriff nach nicht wahr« – Scheinhaftes, Schein – »ist, doch wahr sein«7?

      Die Frage fasst den paradoxalen Charakter von Kunst präzis: Das künstlerische Gebilde ist unwahr, lügenhaft, sofern es ein Sein bloß scheinen lässt, und dasselbe Gebilde kann doch zugleich wahr sein, sofern was erscheint, dem Gehalt nach den index veri an sich trägt. Die Figur des Ineins von Nichtwahr und Wahr, identitätslogisch ein Absurdum, hat dialektische Logik – gar nicht unlogisch – als die eines Modus der sich vollbringenden Wahrheit gefasst: der Wahrheit in ihrer Unwahrheit, in der noch nicht erlangten Angemessenheit an sich selbst.

      Eine Gestalt der Wahrheit in ihrer Unwahrheit heißt in der Marx’schen Theorie »Ideologie«: ein notwendig falscher geistiger Schein.8 Seine Notwendigkeit – das So-und-nicht-anders des Begriffs und Bewusstseins vom Sein unter gegebenen, noch unenthüllten Bedingungen der Bezogenheit beider aufeinander – weist auf das Wahrheitsmoment der Ideologie; die Verhüllung, der Schein auf das Lügenhafte, den Trug. So ist an der religiösen Ideologie das Wahrheitsmoment die Idee des Integren, Leid- und Mangellosen, in der sich der menschliche Protest gegen Elend, Mangel und Heillosigkeit der irdischen Verhältnisse, deren Unerträglichkeit; in der sich die Kritik daran formuliert, und das heißt: das Elend selbst, der Schmerz sich invers ausdrückt9. Schmerz sagt an sich, durch sich selbst: ich will nicht sein, »Weh spricht: Vergeh«10. »Bedingung aller Wahrheit« ist »das Bedürfnis, Leiden beredt werden zu lassen«11: sein Ausdruck, der die Wahrheit negativ, als ihre Vermissung artikuliert und sie gewissermaßen »herbeizieht«, wie Adorno im Sinn des strengen Ideologiebegriffs der Marx’schen Theorie sagt12. Der Trug an der religiösen Ideologie ist die Hypostase jener Idee als seienden Göttlichen, Vollkommenen, das über dem Elend wirke und über es hinweghelfe, von dem es aber nur in der Gestalt der praktisch hergestellten integritas und Vollkommenheit des Seins kurierte; in Form des in der geheilten Menschheit realisierten und bewiesenen Göttlichen. – Die religiöse Ideologie ist Wahrheit in der eigenen Unwahrheit, zu der sie solange verhalten ist, wie sie in der Weise vorstellender Projektion statt seiender Herstellung ist.

      Analog verhält es sich mit dem »Fetischcharakter der Ware«, die ihr eigner zäher dinglicher Schleier ist; dem Charakter zweiter Natürlichkeit, mit der er die gesellschaftlichen Verhältnisse der Subjekte und ihrer produktiven Kräfte verhüllt, die nicht »als das was sie sind« erscheinen, sondern »als sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen«13: in der verkehrten Perspektive autarken dinglichen Seins, eines Seins mit sachlich zwingender Gewalt über die, die sie entbanden. Der fetischistische Schein nimmt hier die seiende Gewalt eines Bannes an, der die aus seinem Umkreis nicht entweichen lässt, die ihn ohne Bewusstsein verhängten. Ansich-Bestimmtheit, Selbstzwecksein von Subjekten, Kreaturen und Dingen sind von der Wertform absorbiert. Das Sein des industriellen Universums und das Dasein in ihm ist die unbezweifelbare wirkliche Wahrheit und zugleich deren empörende Unwahrheit, die Für-anderes-Sein und An-sich-Sein unversöhnt lässt und mit sich selbst in Unangemessenheit bleibt. Versöhnung erheischte die Lösung des Banns, die Entmagisierung des Fetischcharakters: eine bei der tiefwirkenden Gewalt der von ihnen geschlagenen Subjekte anscheinend vergebliche Anstrengung. Was ist schon die von Göttern entzauberte Welt – mit der sie sich abfanden – gegen eine vom Tausch- und vom Warenfetisch entzauberte, die sie, geprägt davon wie sie sind, nicht überstünden.

      Am Fetischwesen haben die Kunstwerke keinen geringeren Anteil als die religiösen und als alle nicht selbstkritisch reflektierten, selbstaufgeklärten philosophisch-theoretischen Bildungen; keinen geringeren als die Hervorbringungen von techne und poiesis in der Gestalt der Produktivkraft auf entwickeltstem hochindustriellen Niveau: ihrer Produkte par excellence, der physischen und geistigen Waren, sei’s in der Getrenntheit, sei’s in der physisch-geistigen Komplexion. Die Kunst ist ein »Komplize der Ideologie«, heißt es unmissverständlich bei Adorno14 – was an der von Politik und Wirtschaft als eines der effektivsten Propagandainstrumente genutzten Filmkunst besonders drastisch zum Ausdruck kommt.

      Die Kunstwerke sind es nicht bloß durch den »ästhetischen Schein« – sie sind es durch alle die Charaktere, die eben dieser Schein zugleich auch verhüllt; nämlich dadurch, dass sie Produkte aus Stoff und Form sind, modellhaft entworfen, geplant, realisiert auf dem erreichbaren Niveau technisch-künstlerischer Produktivkraft und Reproduktionskraft15, darin wie immer modifizierte Mimesen gesellschaftlicher Produktion, hervorgebracht nach distinkten, oft genug begriffslosen und doch zwingenden Regeln und Schematen. In diesen Charakteren gesellschaftlicher Produktion und instrumenteller Rationalität sind und schaffen die Werke »die Welt noch einmal«16: bezwingend leuchtender Fetischschein mit der hypnotischen Gewalt, das Sein selbst vorzuspiegeln. Zugleich durchbrechen sie die Hülle und deuten auf die Wahrheit, die das vorgespiegelte Sein gar nicht und noch nicht ist. Das tun sie gerade mit Mitteln und Konstituentien der nichtästhetischen Hervorbringung: der, die nach kommunikativen und instrumentellen Zwecken erfolgt, solchen, die dem Kommunizierten und Instrumentierten äußerlich sind. »Die Technik, welche ihre Ideologie verketzert, inhäriert der Kunst«17, sie ist »Konstituens von Kunst«18. Die Werke treiben den instrumentellen Charakter der Bearbeitung, der Stilisation dessen, was der Instrumentation widerstrebt, aufs deutlichste heraus, lassen ihn plastisch werden; die ästhetische Mimesis gesellschaftlicher Arbeit nach Kriterien technischer Rationalität, je akribischer und hingegebener betrieben, schlägt desto sicherer um in die Durchschauung und Erkenntnis ihrer wie der Natur des Bearbeiteten – so, wie der kontemplative Begriff die Anschauung des in ihm Begriffenen gewährt. »Der lange, kontemplative Blick, dem Menschen und Dinge erst sich entfalten« – es ist auch der künstlerische: die »geduldige Kontemplation der Kunstwerke«19 –, »ist immer der, in dem der Drang zum Objekt gebrochen, reflektiert ist. Gewaltlose Betrachtung, von der alles Glück der Wahrheit kommt, ist gebunden daran, daß der Betrachtende nicht das Objekt sich einverleibt«20, es also auch durch das Instrumentarium solcher Begrifflichkeit nicht alteriert, die als abstrakt-identifikatorische, »abschneidende und zurichtende« die eigentümliche Identitität des Identifizierten erstickt oder beschädigt. Durchschaut der kontemplative Blick das begriffliche Instrumentarium, das Tun der abstraktiv komparativen Subsumtion, zuletzt den Intellekt im Dienste des Willens, so treibt die künstlerische Produktion, die ästhetische Rationalität durch ihre alles einsetzende Hervorbringungskraft zur Enthüllung ihres eigenen Wesens, sowie dessen, das die Hervorbringungskraft herbeinötigt; die Kunst ist eine Art Kommentar zur erlösungsbedürftigen Welt, ohne den sie noch unverständlicher – und empörender – wäre. Indem die künstlerische Produktivität zur Selbstanschauung gelangt, wird sie zum Gewahren dessen, was entfesselte Produktion am Bearbeiteten, an innerer und äußerer Natur anrichtet. Das was das bearbeitete Seiende von sich aus will, wird negativ absehbar an der Verkümmerung und Schändung, die – dem Subjekt und der Natur entfremdende – Arbeit verschuldet. Eine Vorstellung von dem scheint auf, was sein könnte, an dem, was ist, und was darin das Mögliche negiert und einkapselt.

      »Wahr an der Kunst« ist »ein Nichtseiendes. Es geht ihr auf an jenem Anderen, für das die identitätssetzende Vernunft, die es zu Material reduzierte, das Wort Natur hat«21. »Aufgehen« ist soviel wie Erscheinen. Es zeigt sich ein Element des Scheins, das besser begreifen lässt, warum künstlerische Gebilde scheinhaft und doch wahrhaft sein können, das Element der manifestatio. Das Wesen muß sich offenbaren, der Begriff in der Realität zur Erscheinung kommen, lehrte Hegel22, wie defizient auch die Wahrheit als scheinende sich präsentieren mag. »Sinnliches Scheinen der Idee«23, des Wahren ist nicht voll-adäquate – nach Hegel absolut-geistige – repraesentatio veri, aber eben in dem Mangel nicht

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